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Amtsblatt de- Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSämter u. der EtadtrLthe zu Frei-er- o. Brandt 142. Vrschttnt t. Srttbns je». W»chmt. M. v U. für drn and. T«z. Jnstr. wndtu hl» V. 11 U. für nächst' Nr. »n-m. Diettstaa, 23 J«ni. Urri» vtrrtrljthr!. LO Sistr. Just»«« nxrdrn dl« gkjpallm«2nl« »d«r der« R.ium mit 1 Ngr. berechnet. 1874. 4- Kreiberg, den 22. Juni 1874. Der Kampf wird immer heftiger! In Deutschland hat man wenigstens der Kultur noch nie so frech und ungescheut ins Gesicht geschlagen, als es der Mainzer Katholikenverein mit seinen Resolutionen gethan. Es klingt wie ein Märchen aus alter Zeit, heute hören zu müssen: „Die moderne Civilisation ist mit der Kirche unvereinbar." Die großen Fortschritte, welche die deutsche Wissen schaft in den lrtzten Jahrzehnten nach jeder Richtung hin gemacht, find so mit einem Schlage verurtheilt; die Kirche erklärt der Wissen schaft, auf welcher die ganze moderne Civilisation beruht, offen den Krieg. Mit der Wissenschaft zusammen kann die Kirche nickt mehr existiren. Die Gläubigen werden vor die Alternative gestellt: ent weder Wissenschaft oder Kirche! Nun ja, gewissermaßen haben die Herren in Mainz Recht, mit der Unfehlbarkeit ist allerdiugs die moderne Civilisation unvereinbar, denn dies neue Dogma verbietet das Denken und keimt nur Gehorsam, blinden Gehorsam und Unter werfung. Aber sonst ist die Civilisation recht wohl mit der Kirche, selbst mit der katholischen, vereinbar; nur darf es nicht diejenige Kirche sein, welche man in Mainz wieder aufzurichten gedenkt. „Heilung ist nur zu erwarten," dekretirt die Versammlung weiter, „wenn dem päpstlichen Stuhle seine politische Selbstständigkeit wiedergegeben wird." Das ist des Pudels Kern! Wo möglich Krieg mit ganz Europa, damit der Papst nur seine weltliche Herr schaft zurückerhält. Da können die Römlinge lange warten! Rom bekommt der Papst nie wieder; er muß sich schon mit dem Vatikan begnügen, wobei er ja immer noch bedeutend mehr hat, als der Stifter der christlichen Religion jemals sein eigen genannt. Er bewohnt einen der größten Paläste der Welt mit Tausenden von Zimmern, hat Hunderte von Dienern, bezieht seit 1859 weit über hundert Millionen Franken an Peterspfennigen und erfreut sich außerdem einer JahreSrente von mehr als 3 Millionen, welche bas Königreich Italien für ihn ausgeworfen. Wir sollten meinen, der Herr „Stellvertreter" könnte recht wohl damit zufrieden sein. Lasten wir diesen Mainzer Phantasien gegenüber in Kürze jene Ereignisse einmal Revue passiren, welche auf der andern Seite der Kampf in Preußen zu Tage gefördert. Als die Schweiz mit dem Bischof von Basel kurzen Prozeß machte, glaubte die preußische Regierung noch nicht den gesetzlichen Boden unter den Füßen zu haben, auf dem sie gegen ihre renitenten Kirchenfürsten Vorgehen könnte. Dieser Boden ward inzwischen durch die kirchenpolitische Gesetzgebung errungen. Das erste bischöfliche Opfer war Ledochowski, der Prälat von „Gottes Gnaden", der jetzt gefangen in Ostrvwo sitzt. Durch Erkenntniß des kirchlichen Gerichtshofs wurde er seiner bischöflichen Würde entkleidet und damit ging zum ersten Male eine bischöfliche Diöcese in die Verwaltung staatlicher Organe über. War schon die Verhaftung und Einsperrung Ledochowski's ohne jede tiefere Bewegung in der dortigen Bevölkerung vorübergegangen, so ließ auch die förmliche Absetzung des Erzbischofs die Diöcesanen ruhig und kalt. Wer sich der ultramontanen Prahlereien erinnert, nach welchen man förmliche Volksaufstände hätte erwarten sollen, wenn an eine Bischofsmütze gerührt würde, für den wird diese voll ständige Gleichgültigkeit des katholiscken Volkes eine wirklich er heiternde Sette haben; denn dieses Volk steht allerdings hinter seinen Bischöfen, aber da bleibt es auch, und tritt nicht vor ste, um dieselben gegen den bösen Staat zu schützen. Ja, man wird mit der Behauptung kaum von der Wahrheit abweichen, daß das katholische Volk Deutschlands über den Charakter des Kampfes seiner Bischöfe mit dem Staate klarer geworden ist und daß die Heerde ihren Hirten förmlich den Rücken kehrt. Darauf hin konnte es die preußische Negierung wohl wagen, mit dem Deklarationsgesetze vom 31, Mai wegen Sequestration des Vermögens erledigter Bis- thümer vorzugehen. Die öffentliche Aufmerksamkeit verfolgt mit Spannung die weitere Entwickelung dieser Maßnahmen, die wohl baldigst auch in anderen Diöcesen zur Anwendung kommen werden. UebrigenS dehnt der preußische Staat seine Kampflinte weiter und weiter aus. Auch den evangelischen Orthodoxen ist der Fehdehandschuh hingeworfen. Beweis hiervon ist die Ernennung des Pastor Flor schütz zu Iserlohn zum Regierung-- und Schulrath in Köln am Rhein. Diese hohe Beförderung eines so freisinnigen Mannes bildet in politischen Kreisen den Gegenstand lebhafter Erörterungen und wird von allen Liberalen mit hoher Befriedigung ausgenom men. Diese Ernennung gilt als ein erstes Anzeichen dafür, daß der Kultusminister Falk entschlossen ist, das rheinische Schulwesen der einseitig kirchlich-religiösen Richtung zu entziehen und dasselbe von Grund aus zu reformiren. In Württemberg weht ein echt deutscher Geist. Sin Bei spiel liefert wieder die Thronrede, mit welcher der König den Landtag schloß. In derselben dankt der König dem Landtage, welcher in einer denkwürdigen und ereignißvollen Zeit eröffnet wurde, für seine patriotische Zustimmung zu den Verträgen, abgeschloffen zur Herstellung eines durch Kaiser und Reich vereinigten Deutschland», erwähnt die durch die Errichtung des deutschen Reich» veranlaßt» Ausdehnung der begonnenen VersaffunqSreform. sowie die Modist kationen der Staatsverwaltung und bestehender Rechte und schließt, nach Hervorhebung der durch die Neuorganisation gewonnenen Kriegstüchtigkeit des württembergischen Armeekorps, mit Segens wünschen für Württemberg und das ganze deutsche Volk. Die einzig wichtige Nachricht aus Oesterreich ist der Rück tritt des Kriegsministers v. Kuhn und dessen Ernennung zum Kommandirenden in Gratz, da derselbe sich dem Vernehmen nach geweigert hatte, das bestehende AvancementSgesetz den Ansprüchen der Armee gemäß zu revidiren. Zu seinem Nachfolger wurde Baron v. Koller, bisher Statthalter in Böhmen, ernannt und dieser durch den bisherigen kommandirenden General in Brünn, Baron Philippovich, im Kommando ersetzt, während dem Statt halter von Mähren, Baron Weber, der Statthalterposten in Böh men übertragen wurde. — Eine Reihe minder wichtiger Ernen nungen und Versetzungen schloffen sich den erwähnten an. In der Schweiz ist das päpstliche Dekret, welches über all, schweizerischen Pfarrer, die sich durch das Volk zu ihren Aemtern wählen lassen, die große Exkommunikation verhängt, im Ganzen mit großer Ruhe ausgenommen worden. Der „Bund" bemerkt zu dieser neuen Kriegserklärung: „Dieses Dekret hebt alle Kon zessionen und alle früheren Vorrechte auf, die solchen Bevölke rungen eingeräumt waren, welche die Gewohnheit hatten, ihre Bischöfe selbst zu wählen. Was werden dazu die streng kathol. Bevölkerungen mehrerer Schweizerkantone sagen, welche seit Jahr hunderten ihre Pfarrer wählten, ohne daß man jemals daran ge dacht hätte, ihnen das Recht streitig zu machen? Es giebt also Dinge, welche Jahrhunderte lang gut und fromm find, dann aber plötzlich Gottlosigkeiten werden. Was wird aber in diesem Falle aus der Prätention des Vatikans, die Tradition zu verewigen, ohne jemals das Geringste daran zu ändern?" Die letzten Vorgänge in Frankreich liefern den Beweis, daß der Kampf um die Herrschaft nur noch zwischen den Republi kanern und Bonapartisten geführt wird. Ein einziges Mal hatten die Legitimisten den Vorsprung, aber ihr Roy mit dem y verdarb Alles. Die Orleanisten sind Schleicher, die annehmen, was man ihnen bietet, nur Schade, daß ihnen Niemand etwas bietet. E» bleiben also nur Republikaner und Bonapartisten übrig. Frankreich hat schon oft eine republikanische Staatsform, aber nie Republi kaner gehabt. Etile so lächerliche Republik, wie die jetzige, existirte