Volltext Seite (XML)
Merger Anzeiger und T a g e v l a t t. -mt-blatt dtS Kgl. Bezirksgericht- zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. H115. Erscheint t. Fieiierg je». W-cheat. M. SU. für den and. Tag. Jnser. werden bl» V. 11 N. für nächste Nr. <mgm. Donnerstag, 21. Mai. -ret» »tertetjihrl. -V N-r. Jnserajt werden die gespaltene Zeile »der der« Raum mit 1 Rgr. berechnet. 1874. * Freiberg, den 20. Mai 1874. Mancherlei Erscheinungen find uns heute Veranlassung, einen Slick auf die Weltlage zu werfen. Die Rede des Grafen Moltke dl der Militärdebatte des Reichstags tönt noch immer in den Ohren auswärtiger Politiker fort, die so nachdrückliche Betonung der ehernen Nothwendigkeit, bis an die Zähne bewaffnet zu bleiben, schien Grund genug, ernstliche Befürchtungen für den Frieden zu hegen. In der That begann auch hier und dort bereits die Lärm- trvnnnel des Krieges zu erklingen. Die französischen Nachrichten waren nicht gerade geeignet, die besorgten Gemüther zu beruhigen. Man sagte sich nicht ohne Grund, daß Prozesse, wie der Bazaine'sche, eine mehr politische als juridische Bedeutung hatten, denn es kam ja nur darauf an, dem Franzosenvolk plausibel zu machen, daß licht etwa die Unfähigkeit der Armee, sondern Berrath und Un- sthigkeit einzelner Führer an den Niederlagen schuld gewesen. Trotzdem machte Frankreich die höchsten Anstrengungen, die Armee, ium Theil sojtar nach dem Muster des Siegers, zu reorganisiren. Die heutige Armee dieses Landes ist eine ganz andere, als die von 1870. Das Volk selbst, zehrend am Ruhm vergangener Zeiten und geblendet von der Phrase einer Ai-aod« nüliov, die an der spitze der Zivilisation marschire, mußte naturgemäß die Niederlage um so bitterer empfinden, weil sie von einer Nation bereitet wurde, auf welche es trotz der Jahre 1813—1815 am verächtlichsten herab- sah. Das Gefühl der Rache erscheint um so erklärlicher, je weniger die Franzosen in ihrem nationalen Dünkel auf solchen Ausgang gefaßt gewesen sind. So war ja die Furcht, den Frieden Europa's demnächst wieder gestört zu sehen, nicht ganz unbegründet und an stimmen, welche diese Furcht noch erhielten oder gar erhöhten, fehlte es leider auch nicht. Im englischen Oberhaus« veranlaßte sie neulich ein« Inter pellation des alten Lord Russell an den Ministerpräsidenten Derby. Der greise Staatsmann verlangte abschriftliche Vorlagen der Korrespondenzen, welche die englische Regierung mit den Kaisern von Deutschland, Oesterreich und Rußland gepflogen, um daraus zu ersehen, ob die jetzt vorhandenen Symptome der Aufregung und Feindseligkeit die sich setzenden Wogen eines vergangenen, oder die Vorzeichen eines kommenden Sturmes seien. Er verwies auf die Worte Moltke's, daß Deutschland das, was es in fünf Monaten mit den Waffen erobert, noch fünfzig Jahre mit den Waffen ver- thetdigen müsse. Ob ferner, wenn der europäische Frieden gestört werden sollte, die englische Regierung Schritte zu dessen Erhaltung zu thun gedenke. Darauf erwiderte Lord Derby, daß nach allgemeiner Lage der Dinge wohl einiger Grund zu Besorgnissen da sei. Aber, fährt der Minister fort, wenn ich nach allen Nachrichten, die ich erhalte — aus dem allgemeinen Ton und Geist der Mittheilungen, die mir aus allen Theilen Europa's zugehen — urtheilen soll, so muß ich sagen, daß allem Anschein nach kein ernstlicher Grund vorhanden ist, irgend «ine Störung des europäischen Friedens zu befürchten. Auch wird England kein vernünftiges Mittel unversucht lassen, den Frieden zu »halten Die Ansicht des englischen Staatsmannes, daß kein ernstlicher Grund zu Besorgnissen vorhanden sei, gewinnt noch Anhalt durch den Gang, den die Dinge in Spanien in letzter Zeit genommen. Nicht ohne Mißmuth sieht die französische Regierung, daß sich auf der pyrenäischen Halbinsel eine Neugestaltung der staatlichen Ver hältnisse zu vollziehen beginnt, welche ihren bisher gehegten Er wartungen sehr wenig entspricht. ES wäre Frankreich lieber ge wesen, der Nachbarstaat hätte sich noch länger im Bürgerkriege aufgerieben und geschwächt. Nun gewinnt gar Serrano die Ober hand! Was diese Sachlage für Frankreich bedeutet, liegt auf der Hand. Spanien unter Don Karlos war ein willigrS Werkzeug Frankreichs ; Spanien unter Serrano kann Frankreich ein gefähr licher Nachbar werden. Daher kam es auch, daß die Einnahme von Bilbao und der Rückzug der Karlisten in den Versailler Re- gierungskretsen ganz eminente Bestürzung hervvrries. Jetzt sieht man mit gespannter Erwartung, wie die Verhältnisse sich weiter entwickeln werden. Dazu kommt, daß Frankreich auch, mißtrauisch nach Italien hinüberblickt. Es sagt sich: hat Deutschland bei seiner Einigung diejenigen Landestheile wieder an sich gebracht, die wir ihm früher entrissen, so wird dieses Beispiel verlockend auf Italien wirken, welches ja denselben Einigungsprozeß vollzogen und sehnsüchtig nach den Provinzen Nizza und Savoyen ausschaut, die einst Napoleon für militärische Hilfeleistung in Anspruch nahm. Daher der Spektakel, der sich in Frankreich erhob, als Piccou, der Abgeordnete dieses Departements, bet einem Banket in Nizza die italienische Nationalität und die Zugehörigkeit zu Italien so scharf betonte. Man fürchtet eben, daß hinter dieser Rede mehr stecken könne, als die subjektive Ansicht eines Mannes, zumal gerade Nizza sehr an Garibaldi hängt und die Bevölkerung der Seealpen eine unversöhn liche Haltung gegen die Versailler Jesutten-Regierung eingenommen hat. Daraus erklärt sich weiter die Leichtgläubigkeit, welche ein Korrespondent der „Times" gerade in Paris fand, als er die Fabel auftischte, daß Fürst Bismarck dem Könige Viktor Emanuel bei seinem Besuche in Berlin die Zusage gemacht habe, Deutschland würde ihm zur Wiedererlangung von Nizza und Savoyen be hilflich sein. Das Alles trägt nicht unwesentlich dazu bei, die Aufmerksam keit Frankreichs zu theilen, wozu denn noch der Umstand tritt, daß es vor der Hand vollauf mit dem Ausbau seiner inneren Verhält nisse zu thun hat. Tagesgeschichte. Vor dem Posener Kreisgerichte ist am Dienstag gegen den Erzbischof LedochowSki und den Mitangeklagten Weihbischof Janis- zewski wegen gesetzwiedrtger Ernennung von 22 Posener Semina risten zu Vikaren verhandelt worden. Beide Angeklagte waren nicht erschienen. Der Erzbischof wurde zu einer Geldstrafe von 2000 Thaler, der Weihbtschof Janiszewski zu einer Geldstrafe von 2200 Thaler, eventuell 1j Jahr Gefängniß verurtheilt. Aus der Statistik der deutschen Reichspost-Verwal tung für das Jahr 1873 entnehmen wir folgende interessante Daten: Das deutsche Reichspostaebiet umfaßt gegenwärtig 8077 Quadratmeilen mit 34,339,434 Einwohnern, die Gesammtzahl der