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Merger Anzeiger und Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. 300. Brscheint i. Freiberg jed. Wochen». Ab. KU. für den anb.Tag. Jnser. werden bi« P. 1 i U. für nächste Nr. angen. Sonnabend, 28. December. Pret« vierteljährl. 20 Ngr. Inserate jverdm die gespaltene Zeile ober deren Raum mit I Ngr. berechntt. 1872. Zu unserer Freude steigerte sich in den letzten Jahren die Abonnentenzahl dieses Blattes in so unerwarteter. Weise, daß es uns vielfach unmöglich wurde, bei späteren Bestellungen die vorhergehenden Nummern nachliefern zu können. Wir ersuchen deshalb die geehrten Leser, die Erneuerung des Abonne ments rechtzeitig bewirken zu wollen. Ganz besonders erfreut sich jetzt der „Freiberger Anzeiger* nicht nur hier und in der Umgegend, sondern im ganzen Erzgebirge einer freundlichen Aufnahme, so daß Inserate eine erhöhte erfolgreiche Ver breitung finden, worauf wir Interessenten aufmerksam zu machen nicht unterlassen wollen. Die Expedition. -t- Freiberg, den 27. December 1872. l. Ueberschauen wir die Ereignisse des verflossenen Jahres, so ist vor Allem erfreulich, daß innerhalb der europäischen Kultur welt und der mit ihr in inniger Beziehung und Verwandtschaft stehenden fremde kriegerische Zusammenstöße und wichtigere Beun ruhigungen nicht stattgefunden haben. Es war ein Jahr des Frie dens und damit der Entwickelung des einzelnen Familienlebens der Völker. Ist auch der Umfang dieser inneren Arbeit nicht genau festzustellen, so ist die Arbeit an sich schon der Beweis des Lebens. Sie ist, wenn nicht immer Ernte, so doch Aussaat. Im deutschen Reiche treten diese inneren Entwickelungen zunächst in der fruchtbaren Session des Reichstages entgegen. Von demselben ist nicht nur der Militär-Etat als ein Vertrauensvotum für die jetzige Reichsregierung in seinem eisernen Bestände weiter genehmigt worden, sondern die Gesetze der Münzreform und des gemeinsamen Strafrechts haben auch die Verfestigung Deutschlands um einen großen Schritt gefördert. Die äußeren Beziehungen des Reiches characterisirten sich durch die Dreikaiser-Zusammenkunst in Berlin als die befriedigendsten. Erwähnenswerth als ein Zeichen der Zeit mag auch die Erinnerung an die früheren Drang- und Sturmjahre des deutschen Volkes die Aufstellung der Denkmale für Freiherrn v. Stein und Turnvater Jahn sein. Im neuen Reichslande Elsaß-Lothringen hat die Option lange nicht die Er folge für Frankreich aufzuweisen gehabt, welche von den Unver söhnlichen geträumt wurden. Nicht nur sind von der angesessenen Bevölkerung — Metz ausgenommen — nur winzige Bruchtheile wirklich ausgewandert, sondern die erste Rekrutenstellung im Herbste dieses Jahres hat auch einen ruhigen und den Ansprüchen genügen den Verlauf genommen. Die Aufnahme des deutschen Kronprinzen in Süddeutschland gelegentlich seiner Jnspection der dortigen Truppen gab einen neuen Beweis von der Erstarkung der reichsfreundlichen Gesinnung in Bayern und Württemberg. Nicht minder sprach die allgemeine Sorge während der' plötzlich eingetretenen Krankheit des Kronprinzen von der Zuneigung, deren sich derselbe erfreut. Es liegt in der Natur der deutschen Verhältnisse, daß die po litischen Vorgänge innerhalb Preußens für das gesammte Reich von Interesse sind und mitgefühlt werden, So hat sich die Wirkung des Streites zwischen Staat und Kirche, wie er in Preußen auS- gebrochen ist, in ganz Deutschland fühlbar gemacht. Das Gesetz gegen den Jesuitenorden, welches der Reichstag beschlossen, zeigt deshalb auch einen innigen Zusammenhang mit dem vom preußischen Landtage datirten Schulaufsichtsgesetz. Die Ernennung des Kultus ministers vr. Falk gehörte auf diesem Gebiete zu den hervor ragendsten Ereignissen, weil damit die Fortsetzung energischer Ab wehr der Staatsmacht gegen die kirchlichen Ueberhebungen con- statirt wurde. Bedeutungsvoll war auch der Kampf um die Kreisordnung, insofern er Alles in Allem doch immerhin eine Niederlage des Junkerthums und des feudalen Principes herbeiführte. Die Ministerkrisis, wie sie sich in der letzten Zeit gestaltet hat, bot insofern ein erhöhtes Interesse dar, als hierbei Bismarcks per sönliche Absichten eine große Rolle spielten. Der Fürst brachte infolge des Kampfes um die Kreisordnung den lang gehegten Ent schluß zur Ausführung, sich als preußischer Ministerpräsident zurück- zuziehen, um als deutscher Reichskanzler und als preußischer Mi nister des Auswärtigen gänzlich unabhängig von seinen College« im Cabinet zu sein. — Zu den denkwürdigen Vorfällen in Preußen gehört dann noch die Feier der hundertjährigen Zusammengehörigkeit Westpreußens mit dem Staate der Hohenzollern. — Eine der größten Sturmfluthen seit Jahrhunderten brachte furchtbare Verwüstungen an den preußischen Küsten der Ostsee, namentlich in Pommem und Schleswig-Holstein hervor. Aus den übrigen deutschen Ländern sei des goldenen Hochzeits- Jubiläums des Königs Johann von Sachsen gedacht, welches den Kaiser und den größten Theil der deutschen Fürsten nach Dresden rief. Besondere Bedeutung hat sonst nur noch der Umschwung in Hessen durch Einsetzung des reichsfreundlichen Ministeriums Hofmann und Einführung eines freisinnigeren Wahlgesetzes zu beanspruchen. Tagesgeschichte. Aus Berlin wird gemeldet: Man bestätigt, daß in den deutschen Minister-Conferenzen, abgesehen von dem obersten Reichs gerichtshof, eine Verständigung über die anderen Instanzen und die einschlagenden Fragen im Wesentlichen erzielt wurde. Ein Entwurf wird demgemäß im preußischen Justiz-Ministerium voraussichtlich ausgearbeitet werden. Da indessen ein Abschluß der Gerichtsor ganisation ohne eine oberste Rechtsinstanz, bezüglich welcher die süd deutschen Vorschläge bekanntlich nicht annehmbar waren, unmöglich durchführbar ist, auch die Livilproceß-Ordnung davon wenigstens indirect berührt wird, so wird die Wiederaufnahme der Verhand lungen nach einiger Zeit unumgänglich sein. — Die „National- Ztg." sagt: Wir halten unsere staatlichen Zustände in Preußen und dem deutschen Reich, namentlich im Vergleich zu denen der meisten anderen europäischen Staaten, in ihren Grundlagen für so gesinü» und unsere weitere Entwickelung so sicher gewährleistet, daß Wit in diesem Bewußtsein die jüngsten Vorgänge in Preußen nicht zu schwer nehmen mögen. Aber an sich bettachtet sind sie nichts weniger als erfreulich und sie können nicht dazu dienen, den moralischen Credit Preußens im deutschen Reich und in Europa zu erhöhen. Die Verwirrung, welche in Preußens oberstem Verwaltungskörper lange schon beklagt wurde, ist jetzt nur gesteigert worden, und da» Gegeneinanderwimn und wechselseitige Lahmlegen wird ersvlgr^cher