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Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Z 212. Erscheint i. Freibcrg jtd. W oche» t. Ab. 6U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Duunerstag, 12. September. Prei« vierteljährl, 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile »der deren Raum mit I, Ngr. berechnet. 1872. -f- Freiberg, den 11. September 187H. So viel bisher über den im Haag stattgefundenen Kongreß der Internationalen verlautet, ist daselbst mit einer besonderen Strenge jeglicher Zutritt solcher Elemente verwehrt wortzen, die den Grundsätzen der leitenden Partei widerstreben. Dieser Umstand ist deshalb von Gewicht, als er eine Art Säuberung dieser in gewissem Sinne geheimen Gesellschaft bedeutet und damit den Zweck straf ferer Organisation verräth, der nur durch den Zusammenschluß Gleichgesinnter erreichbar M. Q'unian lait In kui-ce: die Eintracht giebt Kraft, das ist der wichtigste Grundsatz, der einer auf Agita tion ausgehenden Parteibildung vor Augen stehen muß. Die Spaltungen innerhalb der social-democratischen Partei find allbekannt; wir haben in Deutschland sogar besondere Linien, die je nach dem Namen des zeitweiligen Führers genannt werden. Eine Zwiespältigkeit in Bezug auf die Grundsätze dürste eigentlich bei einer social-democratischen Partei gar nicht vorhanden sein und dennoch sehen wir innerhalb derselben ein Fractions- und Cliquen wesen, welches sich mit rücksichtsloser Gehässigkeit angreift und ver- Wert. Es ist dies ein Zeichen von der Unreife oder Faulheit der Sache und von der persönlichen Natur, welche ihr die verschiedenen Führer verleihen. Eine Anzahl von Reformatoren treten da mit Unsihlbarkeitsansprüchen auf, von denen im Grunde Niemand den Rechtstitel solcher Führerschaft kennt. Denn selbst so viel genannte Namen, wie Carl Marx und Becker, die immer an der Spitze der geheimen Ausschüsse stehen, sind zu ihrem mythischen Ruf gekom men, man weiß nicht wie und weshalb. Wer aus dem Londoner Winkel der Emigration einmal ein paar Gedanken für Weltverbes- serung und radicale Gesellschaftsreform losgelassen hat, der hält sich für einen verdienten Propheten und findet auch, so scheint es, Gläubige, obwohl selbst diese Gläubigen nicht wißen, warum die ihnen sonst ganz unbekannten Größen zu ihren Anwälten geworden find. Man mag noch so sehr betonen, daß Carl Marx ein Den- kn ist, der Professorenmantel hindert ihn auf Schritt und Tritt, wenn er sich unter die Kinder der Welt mischt. Er kann seine Bil dung nicht los werden, und diese ist eine sehr gefährliche Mitgabe, wenn man den Kampf gegen die Cultur führt. Schildert Marx den verderblichen Einfluß des Geldes, so citirt er römische und griechische Philosophen; man braucht aber weder Römisch noch Griechisch, wenn man sagen will, daß „Alles verrungenirt werden muh." Der Ruf: „an die Laterne" ist viel verständlicher für die Weltumstürzer. Der Ruße Bakunin, sein Gegner, macht sich dies auch viel leichter. Dieser Asiate ist mit keiner Spur von Bildung belastet. Er spricht frei von der Leber weg, was er denkt und empfindet. Daß der Schnaps ein angenehmes Geschenk der Natur sei, und daß,- wo Weibergemeinschaft besteht, man sich die Kosten einer Ehescheidung erspart, sind die beiden Grundwahr heiten, die ewig leuchtend vor seiner Seele stehen. Sie sind ihm unmittelbar gewiß, wie das Licht der Sonne; um sie zu beweisen, bedarf er keiner Philosophie. Warum nun solche Männer Führer der Internationalen geworden sind, läßt sich vielleicht von Einge weihten schon sehr schwer begreifen, von uns Uneingeweihten absolut gar nicht. Wenn »S M. Lass alle für die Snial-Demvkaten wurde, so erklärt sich dies durch die Aufstellung von Parteigrund sätzen — allein auch bei ihm war es nur MaSkengewand, und di- bunten Flitter fingen an, ihn anzuwidern, als der Tod als sein Erlöser erschien. Wunder muß es wieder nehmen, wie ein Herr v. Schweitzer diese Erbschaft antreten konnte. Doch wozu solche fruchtlose Untersuchungen? Die Verdienste all' dieser Hauptmäta- dore, die jetzt in Haag beisammen waren, find eben nur auf ein sonderbares Vertrauen zurückzuführen, welches Massen mit unklaren und unselbstständigen Vorstellungen abgeschwatzt worden ist, um sich von diesen Systemmachern organisiren zu lassen. Organisiren ist auch der Hauptzweck des Groß-KophtaS und so viel verlautet, streiten sie sich nur darüber, wie sie diese dunkle Masse des Proletariats organisiren wollen, ob als eine po litische Partei, die für den Radikalismus in jeglicher Hinsicht eine disciplinirt« und streitbare Armee bilde, bereit, sich gelegent lich auch einmal für eine tolle Phrase und zu Ehren kurzer Herr lichkeit eines ihrer Brutköpfe todtschlagen zu lassen; oder als eine blos sociale Partei, die vor Allem den Zweck verfolge, da- Loo» der Arbeiter zu verbessern. Die ehrlicheren Geister werden zumeist auf dieser Seite stehen; denn es liegt ebensoviel Sittlichkeit in dem Streben, durch Er leichterung jedes Bedrückten der Cultur einen weiteren Spielraum zu geben, als wie Selbstsucht und Abenteuerei schlechtester Art in der Absicht, der Rohheit die Herrschaft verschaffen zu wollen, weil sie am meisten in der Masse vertreten ist. Die Interessen der Arbeiter sind nur insoweit gemeinsam und internationale, als sie durch die Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft den Lohn für ihre Leistungen gesichert haben wollen; sobald dies der Fall ist, können sie auch als vollberechtigte Mitglieder der Gesellschaft an deren ge setzmäßiger Reform theil nehmen. Aber Absichten, die aus bloßer radikalen Gleichmacherei einen internationalen Bund der Arbeiter — und was an Abenteuern sich Alles so nennt — bezwecken wollen, denen wird die Gesellschaft mit Fug und Recht entgegentreten müssen Vorläufig wollen wir aber noch keine sonderliche Angst vor dieser Species-Leute haben, denn selbst wo die Sozial-Demo- kratie zum Knittel griff, traf sie bisher nur immer ihren eigenen Rücken. Tagesgeschichte. Berlin, 10. September. Graf Andrassy stattete gestern spät Abends dem Fürsten v. Bismarck einen Besuch ab und hatte mit demselben eine etwa einstündige Unterhaltung. — Die „Bankztg " theilt mit, daß unmittelbar nach dem Toast des Kaisers Alexander auf die preußische Armee die Capelle den Pariser Einzugsmarsch spielte. — Das „Pr. V." schreibt: Ueber die beabsichtigte Theilnahme des Bischofs von Ermeland an der Säcularfeier zu Marienburg erfährt man jetzt aus guter Quelle folgende Einzelheiten. Der Bischof hatte den Wunsch kundgegeben, an der Spitze seiner Geist lichkeit in Marienburg zu erscheinen und dem Kaiser den AuSdrUL der Ergebenheit der katholischen Kirche des Erntelandes zu über?