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-E- ' " ' - .» - 16L5 Republik gleichbedeutend geworden. Aber vom Hauptmann bis zum Obersten ist man entmuthigt und übler Laune. Es fällt die sen Offizieren überaus schwer, nicht mehr aus der Caserne oder dem Lager zu kommen, für jedes Vergehen, jede Unsauberkeit oder Ungeschicklichkeit des Soldaten persönlich und vor der Front ver antwortlich zu sein. Sie finden, daß man sie bis zum Ueberfluß und unnützer Weise anstrengt Den unentgeltlichen und obligaten Laienunterricht wollen sie aus den Regimentern in Elementarschulen verwiesen sehen. Täglich von 9 bis 10 Uhr Morgens oder von 4 bis 5 Uhr Nachmittags sind die Hauptleute bis zum Corpora! hinab damit beschäftigt, den Soldaten das Buchstabiren, das Ein maleins und die ersten Schriftzüge beizubringen. Ein Offizier, welcher 20 Jahre gebraucht hat, um Hauptmann zu werden, findet es hart und langweilig, seine Laufbahn als Schulmeister zu been digen. Allerdings ist es unter den gegebenen Verhältnissen mehr praktisch, als logisch, den obligaten Laienunterricht bei den Recru- ten, anstatt bei den Kindern anzufangen. Der Schulzwang und die allgemeine persönliche Wehrpflicht bedingen sich gegenseitig, jedoch in der Weise, daß ersterer vorausgeht. Der Kriegsminister und der Flottenminister wollen jedoch nicht die Zeit verlieren, um welche der Unterrichtsminister durch die Versailler gebracht wird. Am meisten würde aber der Schulzwang dem Generalstabe noth- thun. Das neue Gesetz über die Organisation des Heeres wird im Herbst erlassen werden; die Beförderung nach dem Bildungs grade wird mit Ungeduld ebenso sehr erwartet, als die Ausmuste rung gewisser Generäle des Kaiserthums noch mehr, als die nach Sedan zu gewinnen verstanden. Ein höheres Offizierscorps muß für die neuen Verhältnisse erst geschaffen werden, wie die Gewin nung von Unteroffizieren. - 17. August. Heute stattete Thiers Honfleur einen Besuch ab. Er wurde dort mit großer Feierlichkeit empfangen Die Pom piers versahen den militärischen Dienst. Thiers erster Gang — er hat sich den Ex-Empereur zum Vorbild genommen — galt der Kapelle von kvtrv «I<r xiuce, an derem Eingang ihn die Geistlichkeit empfing. — Die russische Dacht „Sirene", auf welcher die Bonapartistische Demonstration stattfand, hat Trouville ver lassen. Die Russen sollen nicht ausgewiesen werden. Thiers kommt heute Abend wieder nach Trouville zurück. — 18. August. Die Zinsen für die Schatz-Bons sind wie folgt modificirt und festgestellt: 3z Procent für Bons, die 3-5 Monate, 4 Procent für solche, die 6-11 Monate, und 4 z Pro cent für solche, die 1 Jahr zu laufen haben. Schatz-Bons auf 1 und 2 Monate werden nicht mehr ausgegeben. — 19. August. Das „Journal officiel" veröffentlicht das Gesetz über die Besteuerung der Rohstoffe, die Tarifbestimmungen und die dazu gehörige Ausführungsverordnung. London, 17. August. Die Unruhen dauerten in Belfast auch im Laufe des heutigen Tages in mehreren Stadtvierteln fort. In der Stadt herrscht große Aufregung. Es wurden viele Polizisten und Tumultuanten verwundet. Die Polizei war gezwungen, gegen den Pöbel von ihren Feuerwaffen Gebrauch zu machen. Truppen halten die Straßen und öffentlichen Plätze besetzt. Von allen Sei ten sind Truppenverstärkungen hier angelangt. Bern, 18. August. Der von der Direction der Gotthard- bahn mit dem Bauunternehmer Favre über den Bau des Gott- hardtunnels abgeschlossene Vertrag ist von dem Verwaltungsrathe der Gotthardbahn genehmigt worden. Belgrad, 16 August. Das „Amtsblatt" veröffentlicht das Programm der Festivitäten anläßlich der Thronbesteigung des Fürsten Milan. Am 22. d. M. Morgens erscheint die Proclamation des Fürsten, welche mit 101 Kanonenschüssen von der Citadelle aus begrüßt wird. Am 23. d. M. hält der Fürst eine große Militärrevue ab. New-Uork, 18. August. Ein hier eingegangenes Telegramm des Generals Rocha meldet, daß die Ruhe in Mexico vollständig hergestellt ist. Sämmtliche Führer der Insurgenten haben sich ent weder den Regierungsbehörden ergeben oder sind von den Regie rungstruppen gefangen worden. Sachsen. ü. Kleinwaltersdorf. Der 18. August war für die da- sige Einwohnerschaft ein rechter Freudentag. Er» erinnerte auch sie an die vor 2 Jahren stattgefundene ruhmreiche Schlacht bei St. Privat, deren große Erfolge dem Muthe, der Tapferkeit und der Ausdauer zum größten Theile den Heldensöhnen unseres Vater landes zuzuschreiben sind. Dieser Erinnerungstag konnte nicht ohne würdige üeier vorübergehen; er mußte ausgezeichnet werden, da ja der 18. August der Tag war, an welchem Sachsens Heer zum ersten Male in den blutigen Kampf geführt wurde. Recht paffend aber war es, daß dieser Tag ein Sonntag war; es konnte in Be zug auf eine kirchliche Feier die regere Theilnahme sich mehr ent wickeln, und dem patriotischen Sinne, von dem alle Ortsbewohner erfüllt sind, mehr Ausdruck gegeben werden. Dem Verlangen un serer tapferen Soldaten kamen denn auch bereitwilligst nicht nur die Diener der Kirche, sondern auch die Vertreter der Gemeinde entgegen. Vom glühenden Patriotismus beseelt, hatten weibliche Hände für Ausschmückung der Kirche Guirlanden und Kränze ge wunden, auch die im vorigen Jahre unter reger Theilnahme aller Bewohner gepflanzte Friedenseiche, zu welcher man in diesem Jahre unter entsprechender Feierlichkeit ein einfaches Monument setzte, war reich bekränzt und mit sinnigen Festgedichten geschmückt worden. Zu einem Festzuge hatten sich nicht nur die Soldaten, die dem französischen Feldzuge beigewohnt, sondern auch die später zum Mi litärdienste ausgehobenen, wie auch die alten ausgedienten Orts soldaten mit der Gemeindevertretung an der Spitze in der Liebscher'- schen Schankwirthschaft versammelt. Geladene Ehrengäste, sowie viele Frauen und weißgekleidete Festjungfrauen mit dem trefflichen Zimmer'schen Musikchore vereinigten sich ebenfalls zum geordneten Zuge in die Kirche, der sich Mittags zl Uhr in Bewegung setzte und durch das ganze Dorf sich zog. Obgleich der Himmel sich trübte und es zu regnen anfing, so vermochte doch dieser Umstand nicht, den Festzug zu stören, der unter den Klängen eines Marsches wie zuletzt der Melodie: „Was Gott thut, das ist wohlgethan" in die geschmückte Kirche einzog. Zu beiden Seiten des Altars nah men auf besonderen Stühlen alle activen Soldaten des Dorfes ihren Sitz, und in gehobener Stimmung wurde der Gottesdienst mit dem Liede: „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut" unter den feierlichen Klängen der Orgel und Instrumentalmusik begonnen, woran sich die treffliche Predigt des allverehrten Herrn Pastor Schütz anschloß. Gestützt auf Ps. 138, V. 6—8 wurde die Feier als ein Erinnerungs- und Freudenfest in feuriger Rede hervorge hoben, zumal da keiner der Heldensöhne des Orts den Tod im Feindeslande gefunden, und also sämmtlich vereint dieser erheben den Feier beizuwohnen vermochten, die noch mehr gehoben wurde durch den Vortrag der Zöllner'schen Komposition von Seiten des Ortsgesangvereins: „Ich traue dir rc.", sowie durch ein vom Lie dermeister des Vereins componirtes Arioso: „Herr, wie groß ist deine Güte", — welches mit Orgelbegleitung durch die mächtigen Stimmmittel des Herrn Bürgerschullehrers Stein aus Freiberg vollkommen zum Ausdruck gelangte. — Am Abende hatten sich die Festgenossen im Pflugbeil'schen Gasthofe versammelt, um diesen Tag auf eine heitere Weise auch zu beschließen, was denn auch durch einen Ball, den die Soldaten des Orts veranstaltet hatten, in würdiger Haltung geschah. r. Conradsdorf. Mit vergangenem Sonntage brach für die Gemeinden Conradsdorf, Falkenberg und Halsbach ein Tag festlichster Weihe an, ein Tag, der die seit Jahrzehnten gehegten Erwartungen und Wünsche in schönster Weise verwirklichen sollte, der Tag der Einweihung des stattlichen, neuerbauten Gotteshauses zu Conradsdorf. Schon am Abend vorher ließen die Glocken ihre ehernen Summen erschallen und verkündeten der frohbewegten Gemeinde, daß mit dem scheidenden Tage ein langer Zeitraum harten Ringens und eifrigen Strebens abgeschlossen hinter ihnen liege. Wenn auch der folgende Morgen nicht gerade vom heitersten Himmel begünstigt wurde, so that dies doch der festlichen Stimmung der Kirchgemeinde keinen Eintrag. Und so bewegte sich denn, nachdem der hohe Freudentag wiederum mit Glockengeläute begrüßt worden war, ein stattlicher Festzug vom Gasthofe aus durch das Dorf. Den Zug eröffneten in Paradekleidung Äergleute aus dem Kirchspiele geführt von einem Musikchor, dann kam die Schuljugend mit ihrer Fahne, woran sich dann die herbeigekom menen Ehrengäste, Vertreter der Gemeinde und Glieder derselben anschlossen. Als Ehrengäste waren erschienen die königliche Kirchen- inspection über Conradsdorf, Hr. 8u>> Merbach und Hr. Ger.-Amt- mann Hertel, die Vertreter der Collaturbehörde, Herren Stadträthe Rößler und Lange, der k. Amtshauptmann Herr v. Oppen, Herr Bergverwalter Wengler und der Baumeister der Kirche, Herr Fritz sche aus Niederschöna. Als der Festzug vor der Kirche angelangt war, ergriff Herr Zimmermeister Fritzsche den von weißgekleideten Mädchen auf einem Kiffen getragenen Kirchenschlüffe! und übergab ihn mit schlichten, herzlichen Worten dem Herm Friedensrichter Käferstein auf Halsbach, welcher ihn wiederum nach kurzer, warmer Ansprache dem Ortsgeistlichen Herrn Pastor Werner überreichte. Letzterer öffnete nun im Namen der hochgeiobten Dreieinigkeit die Hauptthüre und nun strömte die wogende Menge in das schöne, freundliche Gotteshaus hinein. Nach kurzen Gesängen, begleitet von den Klängen der neu restaurirten Orgel, wurden die üblichen In tonationen und Vorlesungen von den beiden Ortsgeistlichen der Nach bardörfer Naundorf und Tuttendorf gehalten und dann betrat Herr Lup. Merbach den mit reichen Gaben der Liebe geschmückten