Volltext Seite (XML)
währende Hinaufschrauben de- Militär-Budget-, daß die Delegation sich schwerlich abermals zur Nachgiebigkeit wird entschließen können. Im Uebrigen hat eS gegenwärtig den Anschein, al- ob sich wieder ein festeres Gefüge der österreichisch-ungarischen Monarchie Herstellen wolle, denn Czechen, Polen und Sloveneu sind kleinlaut; bei der geistlichen und weltlichen Aristokratie gewinnt die Ueberzeugung Bo den, daß eine einheitliche Verfassung für den ciSleithanischen ReichS- theil unumgänglich nothwendig ist. Durch die ungarischen ReichS- tagSwahlen ist der Deal-Partei, welche für den Ausgleichsvertrag mit Oesterreich einsteht, die Regierung des Königreichs auf vier weitere Jahre gesichert, was um so schwerer ins Gewicht fällt, weil Reformen von großer Bedeutung während dieser Periode getroffen werden müssen. Endlich haben sich auch die croatischen Parteien im Hinblick auf die ungarischen Wahlresultate verglichen und bieten den Ungarn die Hand zur Vereinbarung über die Ansprüche der croatischen Na tionalität. Das Ministerium Auersperg wird sich mit der Einbe rufung deS ciSleithanischen Reichsraths nicht beeilen; bleibt es ja doch während der Vertagung mit Interpellationen über das bischöf liche Memorandum, über ProtestkatholicismuS, über Schulgesetze, über seine Stellung zum Papste, zur nächsten Papstwahl und der gleichen verschont. Wir dürfen voraus setzen, daß eS in Ueberein stimmung mit dem Reichskanzler Andrasih handelt und diesem ge wiegten Magyaren ist nicht zuzutrauen, daß er sich in eine unzei tige Combinatioo wegen der Papstwahl verstricken läßt. » Nie hat ein Land eine kläglichere Rolle gespielt, als im gegen wärtigen Augenblicke Frankreich. Gleich Schulbuben kanrelt der Präsident der Republik die Volksvertreter ab. Unwillkürlich taucht, wenn man die Verhandlungen der National-Versammlung liest, vor der Phantasie das Bild eines alten pedantischen Land schulmonarchen auf, der die ungezogenen Landrangen in die Winkel stellt oder gar auf Erbsen knieen läßt. Mit despotischem Ueber« muthe, wie er in moderner Zeit niemals von einem absoluten Fürsten so kraß zur Schau getragen ist, drängt ThierS dem Lande und seiner Vertretung seine überlebten Theorien auf. Die Parteien der Reckten knirscken ohnmächtig mit den Zähnen, aber Angesichts der Lage des Landes und deS Feindes in den Marken müssen sie ihren Nacken beugen. Die Parteien der Linken und des linken CentrumS opfern der Aufrechterhaltung der Republik zu Liebe ihre freihändlerischen Principien nnd gehen ebenfalls unter das caudinische Joch des Schutzzolles. ES steht traurig um Land und Leute! Auf den König von Spanien verübten fünf Mordgesellen in der Nacht vom Donnerstag zum Freitage ein Attentat, waS glücklicher Weise ohne Erfolg blieb. Bei einer Fahrt durch die Straßen von Madrid wurden auf den königlichen Wagen fünf Schüsse abgefeuert, doch trafen die Kugeln weder den König noch die Königin. Einige der Mordgesellen nahm man fest und wird die Untersuchung hoffentlich ein besseres Resultat erzielen, als bei dem Morde Prim'S. Wenn ein Jesuitenblatt meint, das Attentat sei nur in Scene ge setzt, um den König populär zu machen, so ist wohl viel eher anzu- nebmen, daß die Mordgesellen den Ablaß für das an dem Sohne deS Kirchenräubers und an dem Kirchenräuber selbst begangene Attentat bereit- in der Beichte zuvor erhalten hatten. Tagesgeschichte. Berlin, 21. Juli. Gestern ist das Gesetz betreffs der Um zugskosten für Civilbeamte in Elsaß-Lothringen vom 8. Juli d. I. publicirt worden. Dasfelbe findet auch Anwendung auf die aus andern Ländern nach Elsaß-Lothringen versetzten Beamten, dagegen nicht auf die an die Straßburger Universität berufenen Professoren. Auch das Gesetz über die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und WirthschaftS-Genossenschaften vom 4. Juli 1868 tritt mit dem 1. October 1872 für Elsaß-Lothringen in Kraft. — Zur Erinnerung an den Sieg von Sedan soll bekanntlich der 2. September zu einem Nationalfesttage bestimmt werden. Wäh rend man hier in Berlin diesem Gedanken noch nickt näher getre- ten zu sein scheint, ist in dem benachbarten Charlottenburg bereits ein Festcomit^ in der Bildung begriffen, welches die nöthigen Vor bereitungen in die Hand nehmen wird. — Bei den Befestigungs-Arbeiten von Kiel wird, nach der „Kieler Atg.", in diesem Jahre das Fort Brauneberg beendet wer den, wogegen der Umbau der Feste FriedrichSort voraussichtlich erst mit dem nächsten Jahre seinen Abschluß finden wird. ES treten dazu später noch aus dem anderen östlichen Ufer ein starkes Fort korugen und eine offene Seebatterie bei Ober-Jägersberg, welche jetzt noch durch provisorische Werke und die älteren Batterien bei Unter-Jagersberg und Möltenort ersetzt sind. Wie bedeutend diese Werke sein werden, erhellt daraus, daß für die Feste FriedrichSort allem eMe Geschütz-Armirung von 50 Geschützen des schwersten Ca- Mr- vorgesehen ist. — Die japanestsche Regierung beabsichtigt die Errichtung stäw diger Gesandtschaften zu Berlin, London, Petersburg, Pari- und Washington. Zum Gesandten in Berlin ist der Viceminister Dama- jathst designirt, der sich bereits als Mitglied einer außerordentlichen Gesandtschaft in amtlicher Mission auf dem Wege nach Europa be findet. — Wie die „BreSl. Morgenztg." mittheilt, hat die Cholera bereits die galizische Grenze überschritten. München, 17. Juli. Der deutsche Kronprinz ist heute in früher Morgenstunde in einer Equipage deS Gasthofs zu den „vier, Jahreszeiten" in Begleitung seines Adjutanten in Civilkleidern «ach dem Kugclsang auf Oberwiesenfeld hinaus gefahren Einzelne N< tbeilungen des 1. Infanterieregiments exercirten soeben, und der Kronprinz unterhielt sich aufs freundlichste mit den commandirni- den Oificieren und sah mit sichtlichem Wohlgefallen den Marsch übungen und Schwenkungen zu. Ueber 1H Stunden hielt sich der Kronprinz auf dem großen Exercierplatze, den er beinahe in seiner ganzen Ausdehnung langsam umging, auf und fuhr erst gegen 9 Uhr wieder in den Gasthof zurück, um mit seiner Gemahlin die Befich. tigung der hiesigen Sehenswürdigkeiten sortzusetzen, wobei da- ein fach bürgerliche, liebenswürdige Auftreten deS hohen Paare- allent halben den besten Eindruck machte. Nachmittags wohnte dasselbe wieder der Hoftasel bei der Königin-Mutter bei, die sich in. Lause deS morgigen Vormittags nach Hohenschwangau begiebt, während daS kronprinzliche Paar die Reise nach Bergtesgaden fortsetzt Ma die Jnspicirung der bayerischen Armee durch den Kronprinzen be trifft, so heißt eS jetzt, dieselbe werde erst im nächsten Jabre statt finden. — Schon seit vierzehn Tagen hat man in der ehemalige» Festung Landau in der Rhcinpfalz damit begonnen, die einzelnen Bastionen auf dem Walle abzudccken und sonstige kleinere Gebäu lichkeiten, die zur Festung gehörten, einzureißen; allenthalben ist man mit Durckbrechen der Wälle beschäftigt. Paris. 20. Juli Der Regierung des deutschen Reich- wird am 1. August die Anzeige von dem Bereitsein der französisch!« Regierung zur Abzahlung der ersten nächsten Rate der Kriegsent schädigung von 500 Millionen Francs gemacht werden. Die Räu mung der beiden Departements Marne und Haute Marne durch die deutschen Oecupationstruppen würde somit am 1. September beginnen. Die Wahrscheinlichkeit von der Vertagung der National versammlung noch vor der Auflegung der neuen Anleihe gewinnt an Bestand. Die Subscription derselben ist jetzt osficiell auf de» 28. und 29. Juli und der EmissionScourS auf 84,25 festgesetzt. Versailles, 19. Juli. In der Nationalversammlung wurde beute die Stcuerdebatte fortgesetzt: Thiers spricht sich nochmals für die Besteuerung der Rohstoffe aus, versichert, die Regierung denke nicht an ein Schutzzollsystem und erklärt, er werde compromißweise auf die 93 Millionen (anstatt 113 Millionen) eingehen, welche die Tarifcommission aus der Besteuerung der Rohstoffe hcrauSge- rechnet habe. Die Gewerbesteuer treffe mehr den reichen, als den armen Mann, werde auch begüterte Industrielle nicht ruinire«, da diese Steuer von obiger Summe nur etwa 25 Millionen auszu- bringen habe. Die Ausfuhr der Industrie werde nicht verringert, da die Erzeugnisse der letzteren nicht wegen ihrer Billigkeit, sondern wegen ihrer vorzüglichen Beschaffenheit gesucht seien. Thiers erwähnt sodann die landwirthschaftlichen Verhältnisse und berechnet daraus die diesjährige Ausfuhr auf 300 bis 400 Millionen. Schließlich bittet ThierS wiederholt um Annahme der Rohstoffsteuer, weil die selbe die gerechteste, die wirksamste und am wenigsten lästige sei. Die Rede ThierS wurde von der Versammlung beifällig aufgellom- men und die Berathung auf morgen vertagt. Brüssel, 19. Juli. Nachrichten auS MonS zufolge hat sich die Lage im Borinage günstiger gestaltet. Die Strikenden verhalten sich ruhig. Etwa ein Tausend derselben hat die Arbeit wieder ausgenommen und ein noch größerer Theil hat erklärt, daß er wieder arbeiten wolle. Bern, 20. Juli. Der BundeSrath beschloß heute entsprechend dem vom Ständeratbe gestern Abend gefaßten Beschlusse, in Zu kunft den BundeSräthen ein Jahrgehalt von 12,000 Franken zu gewähren, dem Bundespräsidenten eine Zulage von 1500 Franken und dem Kanzler neben freier Wohnung ein Gehalt von 9006 Franken zu bewilligen. Darauf erklärte der Präsident Friedrich ohne weitere Ansprache die Session für geschlossen. Genf, 19. Juli. Heute hat eine Sitzung deS Schiedsgericht stattgefunden, welche das Prinzip der Verantwortlichkeit England- diScutirte. Der Sachverwalter Englands, Lord Tenterden, wider sprach derselben. Die nächste Sitzung wird Montag stattfindev. Madrid, 19. Juli. Die königlichen Majestäten haben heute einem Tedeum in der KönigSkapelle beigewohnt. Wo der Köuig sich in den Straßen zeigte, war Se. Majestät Gegenstand begeister ter Zurufe. Alle Classen der Gesellschaft bezeugen Anhänglichkeit