Volltext Seite (XML)
Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. 188. «Erscheint t. Freiberg jed. Wochen«. Ab. 6 N. für den and. Tag. Ins«, werden bi« B. 11 U. für nächste Nr. angm. Donnerstag, den IL. Juli Preil vierteljährl. SV Ngr. Inserat« werden di« -«spalten« Zeil« »d«r d«r«n Raum mit I Ngr. berechnet. ML. Freiberg, 10. Juli 1872. Herr ThierS ist gewiß nicht der Mann, welcher der großen Auf gabe der Regeneration Frankreichs gewachsen ist; aber er bleibt trotzdem ein in diplomatischen Geschäften und Kniffen erfahrener Geist, ehrgeizig und immer in Arbeit. Seine größte Sorge besteht darin, die Nationaleitelkeit der Franzosen wieder herzustellen, ihnen Alles aus dem Auge und auS dem Sinn zu bringen, was sie schmerzlich an ihre Niederlage und den Verlust ihres „Prestige" erinnern kann. Gelingt ihm dies, so ist er für die Franzosen der große Mann und er selbst bildet sich wohl ein, das Höchste für sein Vaterland geleistet zu haben. Er ist ein echter Franzose, dem wehr am Schein, als an dem Kern der Sache liegt. Hat er eS ermög licht, an Deutschland die Milliarden zu bezahlen und ist die letzte preußische Pickelhaube vom französischen Territorium verschwunden, so wird er Frankreich wieder für glorreich und als den ersten Staat der Welt erklären. Insofern, als er diese unseligen Eitelkeiten der Franzosen trotz der furchtbaren Lectionen, die ihnen geworden, syste matisch wieder hegt und Pflegt, ist er als ein Unglück für sein Land anzusehen. ES ist klägliches Flickwerk, waS er leistet, um nur so schnell als möglich Frankreich wieder in prahlerische Attitüde zu bringen. Die neue Convention mit Deutschland ist m der Hauptsache nichts als solche Befriedigung der Eitelkeit des Herrn Thiers und er will den Franzosen damit glauben machen, daß er ein ganz be sonders genialer Regent sei, der dem Sieger Zugeständnisse abzu handeln verstehe. Denn in Wahrheit ist die Convention nur eine Umschreibung des alten Vertrages, die für Herrn ThierS mehr be deutet, als sie werth ist. Er kann sich eben damit brüsten, eine diplomatische Handlung bewirkt zu haben und dies genügt zunächst seiner Selbstliebe. Die Vortheile der Convention gelten ihm außer dem aber so viel, weil sie indirect eine Befestigung seiner Stellung bedeuten und er der Nationalversammlung gegenüber sich dadurch gesicherter fühlt. Denn durch ihn hat Frankreich bei der deutschen Regierung wie bei den Börsen Credit ; wenn man ihn stürzen wollte, würde Alles fraglich werden. Er ist — und dies beweiset er den Parteien — der Mann der Nothwendigkeit. Die Convention gewährt Frankreich zwei Vortheile. Einmal ist der Zahlungstermin für die letzte Milliarde um ein Jahr — bi- 1875 — verlängert worden; sodann räumt Deutschland schon früher und im Verhältniß der ersten neuen Zahlungen mehrere französische Departements von den Occupationötruppen. Dieser letztere Umstand ist für Herrn ThierS der wichtigste. Einige Stunden von Parts noch deutsche Truppen stehen und das Land beherrschen wissen, ist selbstverständlich eine schwere Demüthigung für die Fran zosen. Werden sie derselben enthoben, so sind sie natürlich Herr« Thiers sehr dankbar und mit dieser Dankbarkeit kann sich ThierS auch sür unersetzlich halten. - Für Deutschland bringt daS neue Abkommen ebenfalls mehr Vortheile als Nachtheile. Die Bürgschaft ist nicht auS der Hand gegeben; denn eS bleiben nicht nur die Grenzdepartements bis zur letzten Zahlung besetzt und mit ihnen die drei bedeutenderen Festun- im Osten Frankreichs, sondem in dm geräumten Departement- .,7 ' ' ' 'M 2 Nk, s'.' / : . " li t. -»,.1 .Ulst', dürfen die Franzosen auch keine fortificatorischen Arbeiten vornehmen und keine Truppenmassen concentriren. Die Rolle eines ExecutorS im feindlichen Lande ist überdies so wenig angenehm, daß eS nur erfreulich sein kann, wenn sie sobald als möglich auf daS geringste Maaß zurückgeführt wird. Und gewiß ist es auch eine der Dauer des Friedens günstige Bedingung, die Frankreich nun bis 1875 tributpflichtig an Deutsch- > land erhält. Ein Jahr mehr ist unter bewandten Umständen von großer Wichtigkeit, denn die Zeit beruhigt am besten die Leiden schaften, abgesehen davon, daß solche die Sache selbst nicht gefähr denden Zugeständnisse an Frankreich auch dort eine gewisse Ver söhnlichkeit erzeugen müssen. WaS 1874 die Franzosen vielleicht - noch nicht eingesehen haben würden, sehen sie möglicherweise 1875 bester ei« — nämlich, daß sie ihre Niederlage ihrer eigenen Schuld ver danken und sie mit einem Rachekriege schwerlich, jedenfalls nicht auf die Dauer, etwas gewinnen können. > Tagesgeschichte. Berlin, 9. Juli. Ueber die bevorstehende« Kaiserreise« im Spätsommer erfährt der „Pesther Lloyd" von officiöser Hand fol gende Details: Fürst BiSmarck oebst den Herre» vom Militär- und Civilcäbinet stad beordert, sich am 2. August in Salzburg dem Gefolge deS deutschen Kaisers, welcher daselbst an diesem Tage auf der Reise nach Gastein auS EmS eintrifft, anzuschließen. Am 4. September trifft Kaiser Wilhelm wieder in Berlin ein, um wenige Tage darnach seinen Gast, den Kaiser von Oesterreich, zu empfan gen. In diesem Augenblicke weilt der deutsche Kaiser bekanntlich noch in EmS. Gleichzeitig schreibt die „Deutsche Ztg": Wie vo« verläßlicher Seite mitgetheilt wird, ist von Berlin eine Einladung an de» Kaiser von Rußland ergangen, den Herbst-Mannövern des Garde-CorpS am 8. und 12. September beizuwohnen. Da q« die sen Tagen der österreichische Kaiser in Berlin weilen wird, so würde die vielbesprochene Zusammenkunft der drei Kaiser zur Wahrheit werden. An der großen politischen Bedeutung dieses Ereignisses wäre nicht zu zweifeln. Bis jetzt ist übrigens die Antwort deS Czaren noch nicht in Berlin eingetroffen. — In Bezug auf die Frage deS Servis für die Staatsbe amten wird ofstciöS mitgetheilt, daß Seitens aller Behörden stati stisches Material zur Aufstellung einer Nachweisung gesammelt wird, auS welcher ersichtlich werden.soll, wie die Gesammtzahl der Staats beamten sich auf die verschiedene«,' in bestimmte Klaffen etnge« theilten Orte im Lande vertheilt. Der Classtficirung soll die für die Armee geltende Eintheilung der Ortschaften, wie sie dem Reichs gesetz, betreffend die Quartierleistung sür die bewaffnete Macht, vom 25. Juni 1868 beigefügt ist, zu Grunde gelegt werden. — Der französischen Nationalversammlung ist der Gesetzent wurf wegen Aufnahme der Dreimilliarden-Anleihe zugegange«. —- Einem Artikel der „K. Ztg." über die Zahlung der Milliarden ent nehme» wir: Frankreich ist durch seine Lage, durch fein Klima, vor Allem aber durch seine Zolleinigung und Gesetzgebung feit dem Jahre 1789 eines der reichsten Länder der Welt, eS kann Unend liche Schulden machen, und behält doch — eine beständige Drohung für friedliche Nachbarn — immer einen fast unbegrenzten Credit. Napoleon III., welcher daS franzöfifche Volk mit feinen Stärke« undj Schwächen so genau gekannt hat, wie kaum Liner, kannte ebe» so genau die gewaltigen Hilfsquellen deSLandes-, er brachte spielend Milliarden auf. Er steigerte fein Ausgabebudget von 1513 Mill. FreS. im Jahre 1852 allmählich bi- auf 2137 Mill, im Jahre ...Mi ' "i. - - '