Volltext Seite (XML)
IreVerger AHeiger und Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadttäthe zu Freiberg u. Brand. US. «erscheint t. Freiberg jed. Wochent. Ab. S U. für dm and. Tag. Jnser. «erden bi« B. 11 U. für nächste Nr. angm. Sonntag, den 26. Mai Preil vlerteljährl. 20 Ngr. Inserat« «erden die gespalten« Zeil« »der deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1872. Freiberg, 25. Mai 1872. Bei der gegenwärtigen politischen Windstille giebt eS für die deutsche Presse kein Hervortretenderes Thema, als die Jesuitensrag«, welche unausgesetzt die Spalten kleiner und großer Blätter füllt. Wir wissen recht wohl, wie ungern der Leser ein und dieselbe Kost, wenngleich mit veränderten Brühen, zu genießen pflegt und kommen deshalb auch nur widerwillig auf bereits behandelte Gegenstände zurück. Allein die Jesuitenfrage wird noch sehr lange auf der Tagesordnung bleiben und der von ihr gebotene Stoff ist so mannig fach, daß eine wiederholte Betrachtung wohl zu entschuldige» sein dürfte. Hat der Reichstag zwei Tage darüber debattirt, so werden auch zwei Besprechungen sich rechtfertigen lassen. Ehrlich gestanden, gewährten die ReichStagSverhandlungen nicht die Befriedigung, welche man sich von vornherein von ihnen ver sprach. Nicht nur, daß die dabei gehaltenen Reden wesentlich un bedeutend waren und die bedeutendsten Kämpen gar nicht in die Arena traten; daß ferner die Spannung auf eine große Erklärung des als Drachentödter angesehenen Reichskanzlers au-blieb — die Debatte selber brachte auch mehr und mehr die Empfindung zur Klarheit, daß die Modewuth gegen die Jesuiten in Wahrheit recht künstlicher Natur sei und hier da- Wort gilt: man schlägt auf den Sack und meint den Esel. Wenn man sich heute über die Jesuiten beschwert, gegen die Existenz und staatliche Duldung ihres Ordens eifert, so entspringt diese Agitation nicht wirklichen Anlässen, die neuerdings gegeben worden sind. LS ist gewiß wahr, daß, wenn man der Popularität wegen die Jesuiten als die Gefahr für den modernen Staat und die Fortentwickelung der Eultur bezeichnet, man eigentlich die von ihnen organisirte Macht der katholischen Kirche meint, welche jetzt wieder mit den anmaßlichsten Priesterlehren sich als Souveränin der Staatsgewalt hinzustellen »ersucht. Der KatholiciSmuö ist durch die Jesuiten wieder unduldsamer gemacht worden; die katholische Kirche ist nur noch der mit einem unfehlbaren Absolutismus herr schende Jesuitenorden. So rechtfertigt sich wohl der Haß gegen diesen. Aber man muß sich doch bei nüchterner Ueberlegung ein« gestehen, daß mit einem Verbot de- Orden- in einzelnen Staaten diese Gefahr durch die Herrschsucht der Hierarchie und durch die Politik de- PapstthumS nirgend« verringert werden wirb. Deshalb ist denn der Rus nach Vertreibung der Jesuiten inner halb des Reichstages auch nicht so kräftig und ingrimmig erschallt, wie die bloßen Nachbeter moderner Stichphrasen erwartet hatten. Heder einsichtige, von liberalen Grundsätzen beseelte Politiker muß sich scheuen, zu Ausnahmegesetzen auch gegen seine principiellen Feinde die Hand zu bieten; denn die Freiheit soll nicht bloS für eine Partei, sondern für Alle sein. Sucht sie Jemand im Jesuiten orden, so mag er sein Vergnügen befriedigen können. Aber der Kampf der Intelligenz gegen die Jesuiten rechtfertigt sich aus dem höheren Grunde, daß in ihnen eine organisirte Macht getroffen werden soll, die sich den Staat dienstbar macht und sich doch andererseits seinen Gesetzen nicht fügen will, wenn sie ihr nicht in den Kram paffen. E- erzieht sich von selbst, daß einzelve Maßregel« hier so gut wie Nicht- nützen würden. Der Staat kann freilich mit Recht fordern, daß Orden, die sich außerhalb de- bei ihm geltenden Ver« eiu-gesktze- bewegen, unterdrückt werden. Doch um der Gefahr ernstlich zu Leibe zu gehen, muß er die Quelle dieser Macht, die gegen ihn arbeitet, zu verstopfen suchen. Und diese Quelle ist neben ungenügender Volksbildung, auf die wir bereit- im früheren Artikel verwiesen, die Gemeinschaftlichkeit zwischen Staat und Kirche, wie sie nach alten Anschauungen für nöthig befunden wurde und die e« von selbst bewirkt, daß die Kirche, wenn sie einmal mit dem Staat« im Namen Gotte- umspringen will, sehr böse wird, fall- er sich in seinem Interesse die- nicht gefallen lasse» will und kann. Al« die Kirche auch über die Geister die größte Macht übte, unterwarf sie sich den Staat ; heute, wo die Staatsmacht die Intelligenz ver tritt, darf sie eine Oberherrschaft der Kirche nicht mehr dulden. ver richtige Ausweg bleibt daher nur, daß die Trennung de« StaateS von der Kirche erfolgt und der erstere nicht mehr in religiösen Angelegenheiten den Diener und Executor der Kirche spiele. Mag die Kirche lehren und erbauen» wie sie will — der Staat soll sich darum nicht kümmern. Aus der allerdings uner schütterlichen Grundlage de- LhristenthumS soll er auch von der Religionsgesellschaft innerhalb seiner Grenzen die Beobachtung der Gesetze fordern, dem sich deshalb geistliche Orden, wie geistliche Amtshandlungen zu unterwerfen haben. Mag der Papst der oberste Bischof der katholischen Kirche sein und bleiben, aber seine Anord nungen dürfen nicht mit dem Gesetzbuch deS Staate- in Zwiespalt gerathen. Der unterste katholische Geistliche muß wissen, daß sein oberster religiöser Vorgesetzter den Laade-gesetzen ebenso Gehorsam schuldet, al- er selbst. Wird der Sturm gegen die Jesuiten den Anfang zu dieser Reform bilden, so mag er u»S willkommen sein. Tagesgeschichte. Berlin, 24. Mai. Der Kronprinz von Italien wird mit seiner Gemahlin am 2. Juni hier eintreffen. — Die französische Kriegsentschädigung, welche sich rund auf die Summe von 1,441,487,961 Thlr. beläuft, soll nach Abzug der gemeinschaftlichen und der vorweg zu erstattenden Kosten nach zwei Maßstäben vertheilt werden, nach der militärischen Leistung und der Bevölkerung. Der erste, der militärische Maßstab, soll für drei Viertheile, der letzte für ein Viertheil Anwendung finden. Nach dem Maßstab der militärischen Leistungen ergeben sich: für den nor malen norddeutschen Bund 107,679,125 Theile, für daS Königreich Bayern 14,538,825 Theile, für das Königreich Württemberg 4,345,450 Theile, für das Großherzogth. Baden 3,768,450 Theile und für Südhessen 1,869,975 Theile. Diese al- Ausdruck der militärischen Leistung gewählten Zahlen find ziffermätzig zu begMu- den. Sie beruhen einerseits auf dem au- den halbmonatlichen Rapporten für die Zeit vom 16. Juli 1870 bi« 1. IM 1871. er mittelten Effectivstande au mobilen und an nicht mobil« Mann schaften und Pferden, andererseit- auf der au« den vorliegend« Erfahrungen hergeletteten Annahme, daß, wenn der mobile Manu -- 1 gefetzt wird, der nicht mobile mit da« mobile Pferd mit ^/' Und da« nicht mobile Pferd mit '/. in Rechnung zu stell« ist- Die Bevollmächtigten der genannt« Staat« haben da« Ler- hältmß acceptirt. ' (v. A-)