Volltext Seite (XML)
Imöerger AMger und Tageblatt. - ——— j - Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträche zu Freiberg u. Brand. ^?S6. Erscheint i. Freiberg jed. Wochmt. Ab. 6 U. für dm and. Tag. Jnser. werdm bis V. 11 U. für nächste Nr. angen. Sonnabend, den 27. April Preis vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf., berechnet. 1872. 4- Freiberg, 26. April 1872. Die wichtigste unter den Vorlagen des Reichstags ist jedenfalls der Entwurf des neuen deutschen Militär-Strafgesetzbuches und gleich bei Einbringung desselben hat sich herausgestellt, daß über diese Materie die schwersten Debatten und heftigsten Kämpfe zu erwar ten find. Der Grund dafür ist ein zweifacher. Einmal handelt es sich bei dieser Gesetzesvorlage wie bei dem deutschen Civil-Strafgesetz um eine vollständige juristische Hauptleistung; sodann hat die Angelegen heit auch ihre politische und sociale Seite. Sogenannte „Straff-Gesetzbücher bieten den großen Maßstab für die Höhe der Kultur, für die Sitten und den sittlichen Werth eines Volkes dar. Je höher dieser Standpunkt einer Nation ist, desto humaner wird solch ein Gesetzbuch sein und namentlich darf dann der Begriff „Strafe" nicht mehr als gleichbedeutend mit persönlicher Menschenschändung und körperlicher Mißhandlung des zu Berurtheilenden verstanden werden. Nur daö Barbarenthum, welches in dem anderen Menschen noch nicht daS eigene Menschen thum zu ehren versteht, faßt die „Strafe" als eine Rache auf, welche an einem für schuldig Bezeichneten zu üben gestattet sei und waS ihn deshalb als rechtlos gewordenen Sklaven körperlich zu mißhandeln sucht, als ersolge dadurch die Sühne des von ihm gethanen Un recht«. Selbstverständlich giebt die höhere Bildung eines Volkes seinen Gesetzen eine andere Wirkung. Statt der rohen Rache als Strafe tritt eine Sühne des verletzten Rechtsgefühls ein, die im Schuldigen keineswegs den Menschen zu entwürdigen sucht. Richtiger und bester sollte ein solches Volk denn auch seine Strafgesetze als Sühnegesetze bezeichnen. Dieser Kampf um den sittlichen Gehalt dcS neuen Gesetzbuches wird also um so heftiger entbrennen, als nicht allein auch bei uns von mancher Seite eine fühlbare Strafe des Schuldigen ver langt wird, sondern man auch den Soldat als ein der eisernen Dtsciplin unterworfenes Wesen, ja noch vielfach als eine Art von Sklave ansieht. Diese Anschauung, so verwerflich und ungerecht sie unserem Heere gegenüber ist, glaubt ohne barbarische Strafen, welche Furcht einflößen, keine DiSciplin unter den Soldaten erhalten zu können. Deshalb ist auch der Entwurf der ReichSrcgierung, ob wohl er Manches mildert, nicht von der Quälerei des finsteren Arrestes, verschärft-durch Hunger oder dürftige Nahrung auf Wochen, abgegangen. ES liegt aber auf der Hand, daß, wenn man mit Recht gegen Civiliften solche körperliche Mißhandlungen bei der höheren Bildung unserer Zeit für unwürdig hält, sie auch gegen die deutschen Soldaten ebenso verwerflich bleiben, ja noch mehr. Denn der deutsche Soldat ist der Bürger, welcher aus Pflicht- und Ehrgesühl die Waffen für das Vaterland trägt und der deswegen in keinem Falle das Recht und das Ansehen eines Bürgers in den Augen seiner militärischen Vorgesetzten verlieren darf. Damit greift das neue Gesetz aber auf das politisch-sociale Gebiet über und ruft die ernste Erwägung des Umstandes auf, ob unter dem Begriff „DiSciplin" die bisherige Macht der Vorgesetzten über die Soldaten fortbestehen darf. Der Hauptmann hat heute da- Recht, harte Arreststrasen mit Lichtentziehung und unzureichender Ernährung über feine Mannschaften verhängen zu können und zwar ganz nach seinem eigenen Ermessen. Nun giebt eS aber Beispiele genug, wie viel auf Rechnung dieses Ermessens von den Compagnie- sührern gesündigt wird, ohne daß der Soldat sich deshalb nur be schweren darf; es sei denn, daß er dadurch sich abermals eines Ver stoße« gegen die Disciplin schuldig mache. Bei der Berathung deS neuen Gesetzbuches wird man schwerlich solche traditionelle Rechte fortbestehen lassen, mag auch der eingefleischte Soldat noch so sehr deren Nützlichkeit und Nothwendigkeit betheuern. Es ist genug, wenn im Interesse der Disciplin der Vorgesetzte etwa die Rechte eines Polizeirichters besitzt und es schadet dieser Disciplin gewiß nicht, hebt aber Rechts- und Ehrgesühl in der Armee, wenn auch die Ver gehen der Soldaten der Beurtheilung durch Gerichte unterliegen. ES ist daher die möglichste Gleichheit des Civil- mit dem Militär« strafgesetzbuch zu erstreben. Ein anderer Mißstand, der -gleichfalls aus dem jetzigen Entwurf noch entfernt werden muß, ist die geringe Verantwortlichkeit, die den Vorgesetzten trifft, sobald er seine Macht gemißbraucht hat. Bei dem Einexerciren der Rekruten werden ja doch immer noch Mißhandlungen gegen die Mannschaften verübt, von denen nur zu viele als notorisch erwiesen sind. ES ist dies, obgleich verboten/ nur möglich, weil die sich derartig vergessenden Vorgesetzten „im Interesse der Disciplin" zu wenig Grund habem- die Folgen ihrer Handlungen zu fürchten. Was für die ManuMften mit Fug und Recht an Bestimmungen und Strafen gemildert werden kann, muß für die Vorgesetzten verschärft werden; denn mit der Macht ihres Amtes wächst auch die Verantwortlichkeit, die sie für daS Wohl der ihnen übergebenen Mannschaften haben. Gelegentlich der Debatte über daS Gesetz wird es Zeit sein, hierauf zurückzukommen. Tagesgeschichte. Berlin. Die Berathungen im Reichskanzleramt wegen Ermäßi gung des Porto'S für Correspondenzkarten, Packete und Gelder haben zu dem Resultate geführt, daß bezüglich der Eorrefpondenz- karten eine Ermäßigung des Porto'S aus die Hälfte — einen halben Groschen — stattfinden soll. Dem Formular der Karte» soll künftig gleich die Freimarke beim Druck eingeprägt werden; auch soll letztere eine bessere Form erhalten. Bezüglich des Geld« und Packetporto'S soll der sogenannte „AuSlandStaris" künftig i» Anwendung kommen, der zur Berechnung der deutschen Portobe träge für Packete rc. nach dem AuSlande diente. Dieser Taris be- ruht auf der sogenannten Zonen-Eintheilung des deutschen Postge bietes , ähnlich wie bei den telegraphischen Depeschen, und eS wird das Porto hiernach nach einem Durchschnittssatze von 15 zu 15 Meilen gerechnet. — 25. April. In der heutigen Sitzung de- Reichstage- sand die Fortsetzung der zweiten Lesung de- Reichsbeamtengesetzes statt. Paragraph 13 ward nach der Fassung des Amendements Bernuth, welches die Beamten sür die Gesetzmäßigkeit ihrer Amtshandlungen verantwortlich erklärt und auf die Vorgesetzten von den Beamten die Verantwortlichkeit nur dann abwälzt, wenn die Vorgesetzten innerhalb ihrer amtlichen Competenz Anordnungen getroffen hatten und letztere in gesetzlicher Form erlassen waren, trotz des Wider spruchs des BundeScommiffarS und obschon Delbrück den zweite« Theil des Amendements sür unannehmbar erklärte, mit großer Majorität angenommen. Die Paragraphen 14 bis 1S wurde«