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Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. H8ö. Erscheint i. Freiberg jed. Wochen». Ab. 6 U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Dienstag, den 16. April Preis vlerteljährl. SV Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile »der deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 187L. * Freiberg, 15. April 1872. Wie früher werden wir auch diesmal unsern politischen Be- svlMmgen einen kurzen Bericht über die Verhandlungen des Reichs« W doranstellen. Die erste Woche seiner Thätigkeit bietet freilich «migDtofs, da jede parlamentarische Körperschaft bei ihrem Zu« saWUvtritt eine Menge Formalitätm zu erfüllen hat, bevor sie an die BerathungSgegenstände herantritt. Wahl der Präsidenten, Secretaire, Commissionen, u. s. w. nehmen in der Regel die ersten Sitzungen in Anspruch. Zu Präsidenten wurden vr. Simson, Fürst Hohenlohe und v. Bennigsen wieder gewählt. Außerdem fanden einzelne Wahlprüfungen und die UngiltigkeitSerklärung der Wahl im 12. Breslauer Wahlbezirk (Abg. Strecke) statt, worauf der Reichs« tag mehrere Lonsular-Conventionen mit den vereinigten Staaten Amerika-, Spaniens, Italiens und Portugals in erster und zweiter Lesung genehmigte. Die schwierigeren und complicirteren Vorlagen kommen erst im Laufe der nächsten Tage an die Reihe. Unter ihnen ist daSMtlitärstraf-Gesetz von besonderer Wichtigkeit, weshalb wir demselben einige erläuternde Bemerkungen voranschicken. Seit dem 1, Mai 1870 gilt im ganzen deutschen Reich ein einheitliches Strafrecht, nur das Militärstrafrecht ist noch ein verschiedenes, ein bunte-. ES gelten hierbei zur Zeit noch 4 verschiedene Strafgesetz bücher: das preußische von 1845, das bayrische von 1870, das sächsische von 1867 und das würtembergische von 1818. Schon diese Anomalie mußte dahin führen, daß das Reich auf die Her« steüung eine- gemeinsamen Militärstrafgesetzes Bedacht nahm. Cs lag aber noch ein tieferer Grund vor, der darauf mit zwingender innerer Nothwendigkeit hinwieö, ein gemeinsames deutsches Militär strafgesetzbuch zu schaffen, nämlich der, daß zwischen dem deutschen Livilstrasrechte und dem Militärstrafrechte Verschiedenheiten in den allgemeinen maßgebenden Grundsätzen bestehen, die ausgeglichen werden mußten, wenn das Militärstrafrecht nicht hinter den An forderungen der Wissenschaft und Dem, was man von einer guten Rechtspflege fordert, zurückbleiben soll. Dieser Erkenntniß entsprang bei der Berathung des deutschen CivilftrafgesetzbucheS im Reichstage der Antrag, wegen baldmöglichster Vorlage einer revidirten Militär« strchesetzgebuug,. welchem die Reichsregierung mit dem gegen wärtigen Entwürfe Folge gegeben hat. DaS Gesetz besteht auS 170 Paragraphen und werden wir bei den bevorstehenden Ver handlungen noch mehrfach Gelegenheit haben, auf dasselbe zurück- wkomwen. Eine ebenfalls umfängliche Vorlage (147 Paragraphen) istdaS Reichsbeamtengesetz. ES hat schon 2mal als „BundeS- beamtengesetz" dem norddeutsche» Reichstage vorgelegen, ohne daß jedoch eine eingehende Berathung im Plenum darüber stattfand. Der größere Theil desselben dürfte sich, mit Ausnahme einiger Principienfragen, wahrscheinlich schneller erledigen lassen, als eS beim ersten Einblick in die große Fülle technischer Bestimmungen für Planchen möglich erscheinen möchte. Eine fernere Vorlage betrifft die Einrichtung und Befugnisse deS Rechnungshofes des Reiches, welche sich dem preußischen Oberrechuungskammergesetze ziemlich eng anschueßt. — Beim Budget werden die Vorverhand lungen der Commissionen wieder zur Abkürzung der Debatten bei« ttagen und da der Militäretat von selbst auSscheidet, so dürfte höchsten- der Marine-Etat einige Zeit in Anspruch nehmen.— lieber die Anträge, welche während der gegenwärtigen Session aus der Initiative deS Reichstags hervorgehen werden, schweben zur Zeit noch die Verhandlungen in den Fraktionen, doch hört man, daß der Abg. Schulze-Delitzsch daS Gesetz über die privatrecht liche Stellung von Vereinen einbringen will. AlleSin Allem dürste der Reichstag bis Pfingsten die ihm obliegenden Arbeiten erledigt haben. ..... Das geflügelte Wort eines früheren preußischen Finanz- mmisters von dm» „heidenmäßig vielen Geldes ist bi- in die neueste Zeit hinein als schlechter Witz betrachtet worden, aber wenn man heut sieht, wie Aktiengesellschaften gleich Pilzen auS der Erde wachsen und wie massenhaft ihnen Geld von allen Seiten zuströmt, muß man diesem geflügelten Worte doch eine gewisse Berechtigung einräumen. ES liegt uns sehr fern, dem heutigen GrüadungSfieber das Wort zu reden, aber eben so falsch ist e-, wenn die Franzosen die Gründe deS Aufschwungs in Deutschland ihren Millionen zu schreiben, die sie von der Kriegsentschädigung bereits an unS ge zahlt. Die Quellen deS neuen ReichthumS, hebt sehr richtig eia Berliner Correspondent der „Times" hervor, sind andere mch mannigfaltige. Der goldne Strom, welcher Deutschland befruchtet, entspringt in Wahrheit dem durch den siegreichen Krieg genährten Vertrauen. Man beginnt zu hoffen, daß Deutschland im Handel nicht minder als in der Politik künftig auf eigenen Füßen stehen wird. In einem blutigen Krieg hat daS Volk gelernt, sich auf sich selbst zu verlaffen; eS hat einen gewissen Grad pvlittscher Sicher heit errungen; es wendet sich mit um so größerem Eifer den Be schäftigungen deS Friedens zu. Es ist eine Thatsache, daß Tausende und Abertausende kleiner Kapitalisten, die nie daran dachten, ihr Geld anders, als etwa ihrem Nachbar zu leihen, der zwar einen geringen Zins zahlte, aber dafür stet« unter ihren Augen war, jetzt in dieser Zeit unbeschränkten Vertrauens mit ihrer Habe herauskommen und die Kassen der verschiedenen Aktiengesellschaften anschwellen. Nicht minder haben die größeren Kapitalisten Deutsch lands sich eines großen Theils ihrer ausländischen Papiere ent ledigt, um die neuen heimischen Aktien anzukaufen. So ist eö eine Mannigfaltigkeit von Ursachen, welche dem überraschenden Ergebnisse zu Grunde liegen. Nicht der finanzielle, sondern der politische Er folg deS Krieges hat dem Handel und Gewerbe einen unerhörten Anstoß gegeben. Aber die Münze hat auch ihre Kehrseite. Wenn ein Krieg.auSbräche, ehe die neuen Unternehmungen Stärke genug erlangt haben, um dem Stoße zu widerstehen, so würden die Folgen schrecklich sein- Ja, es brauche nur eine Zeit politischer Beängstigung zu kommen und ein Zusammenstoß für wahrscheinlich gelten. Einst weilen scheint der Geldmarkt der Beredsamkeit des Herrn Thier wenig Bedeutung beizulegeu. Auch ist ja die deutsche Regierung auf ihrer Hut und hat soeben beschlossen, ihre reitende Artillerie um 52 Batterien oder 312 Geschütze zu vermehren. AuS Oesterreich-Ungarn wird berichtet, daß die Natio nalitätsbewegung, welche in CiSleithanien dem Ministerium schon s, viel zu schaffen macht, nun auch jenseits der Leitha einen ernsteren Charakter annimmt, nachdem eS in den letzten Monaten stiller davon gewesen. Als hätte das Cabinet in Pest nicht genug mit der Be wegung in Kroatien zu schaffen, macht der so oft gemaßregelte Miletics wieder alle Anstrengungen, um die Serben in Ungarn auS ihrer Ruhe aufzurütteln und gegen die ungarische Regierung zu Hetzen. Der Held plant nichts Anderes, als die Bildung einer festgegliederten Nationalitäten-Partei zu bewerkstelligen, welche mit den Slaven Oesterreichs in Verbindung treten soll, um vereint mit diesen die Selbstständigkeit eines serbisch-kroatischen Königreich« anzustreben. Ein wenig mehr Aufmerksamkeit aus die Vorgänge in den unteren Gegenden dürfte sicherlich nicht schaden. — Die Beziehungen der Höse von Wien und Berlin sind setzt recht freundliche. Ein Glückwunsch-Telegramm de« Kaiser« Wilhelm zu der Verlobung der Erzherzogin Gisela hat sehr angenehm in Wien berührt und ebenso führte die Uebernahme de« Protektorat« der deutschen Betheiligüng an der Wiener Weltausstellung seilen des deutschen Kronprinzen zu einem freundlichen Briefwechsel zwischen dem Erzherzog Karl Ludwig und dem Kronprinzen Friedrich Wil helm. Wenn dagegen ein Theil der österreichischen Presse die vor stehend erwähnte Verlobung zum Gegenstaad ihrer Lonjectural- Politik macht, so ist darauf absolut nicht« zu geben. Die Geschichte lehrt ja hinlänglich, wie unaemein selten Rlutav-icw-rnvek^ke -»»»-