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mßMrAMger und Tageblatt. Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträche zu Freiberg u. Brand. ' ^-104. Erscheint i. Freiberg jed. Wochen«. Ab. 6 U. für den and. Tag. Jnser. werden bi» V. Il U. für nächste Nr. angm. Dienstag, den 7. Mai Prei» vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Naum mit 8 Pf. berechnet. 1872. . Tagesgeschichte. Berlin. Die Form der Reichscocarde ist jetzt festgestellt; sie ist von runder Form, der äußere Rand schwarz, das mittlere Feld roth und der Zwischenraum zwischen beiden wird durch einen weißen (silbernen) Reif ausgefüllt. Die unteren Beamten des Reichstages sind die ersten, welche die Cocarde tragen. Wien, 3. Mai. Sämmtlicke Abendblätter melden, die Re gierung habe den gestrigen Beschluß deS GemeinderatheS, betreffend die Verleihung deS Ehrenbürgerrechts an Hanns Kudlich, aus gesetz lichen Gründen sistirt.' Diese Reaierungsmaßreael sei damit moti- virt, daß das von der Stadt Wien verliehene Ehrenbürgerrecht auch staatsbürgerliche Rechte-in sich schließe, dem Gemeinderathe jedoch aus Grund der Gemeindeordnung nicht das Recht zustehe, staats bürgerliche Rechte an Bürger eines fremden Staates zu verleihen. — DaS Organ Gambetta's in Paris, die „Republique Franoaise", veröffentlicht folgendes Telegramm aus Prag, 1t'Mai: Wir, slawische Studenten an der Prager Universität, vrotestiren feierlich gegen die Usurpation, welche von denen begangen wurde, welche behaupten, diese utgue imtiPiissimu mutor" beute in Straßburg.zu vertreten. Der sogenannte Rektor unserer Universität repräsenMt dort nur die sehr kleine Minorität, die germanische Partei, zu welcher er gehört. DaS Herz her slawischen Nation in Böhmen gehört Frankreich ganz an, überall und für immer. — (Sonst gehörte das „Herz" der Herren Czechen den Russen an, heute einmal zur Ab wechselung den Franzosen. Letztere werden daraus für ihren Schmerz über die Vorgänge in Straßburg eine Art von Linderung finden.) Bukarest, 3. Mai. Die die „N. fr. Pr." erfährt, sollen die vom Geschwornengericht inBuzen verurtheilten Israeliten noch heute in Freiheit gesetzt werden, da Fürst Karl dieselben begnadigt habe. London, 3 Mai. AuS Bombay wird gemeldet, daß in der Nacht deS 1. Mai d. I. ein heftiger Orkan die Stadt Madras heimgesucht hat. Stadt und Vorstädte erlitten schwere Beschädigungen, l1 Schiffe kamen zum Scheitern und eine Anzahl Personen ist in den Wellen umgekommen. London, 4. Mai. Im Oberhause antwortete Lord Granville aus eine an ihn gerichtete Anfrage, der Auslieferungsvertrag mit Deutschland stehe auf dem Punkte der Unterzeichnung, der Abschluß sei nur durch einige aus der Definirung der Verbrechen entstandene Schwierigkeiten verzögert worden. — Die gestern aus New-Aork gemeldete und von allen Staaten der Union beschickte Convention in Cincinnati hat den Herausgeber der „New Uorker Tribüne", Horaca Greelei, zum Candidaten für die Präsidentschaft und den Gouverneur von Missouri, Brown, zum Candidaten für die Vice präsidentschaft aufgestellt. Ferner gelangte eine Resolution zur An nahme betreffs Ertheilung einer Generalamnestie, der Reform der Verwaltung deS Staatsdienstes und der baldigen Wiederaufnahme der Zahlung in Münze. Jede Idee einer Repudiation der Staats schuld wird gemißbilligt. Neapel. (Ausbrüche des Vesuvs.) Carl Banck schreibt dem „Dresdner Journal" auS Neapel vom Sonntag, den 28. April: „Man würde sich ein falsches Bild vom Character und dem Treiben der lebenslustigen, leichtsinnigen Neapolitaner machen, wollte man nach den in alle Welt gesandten gefahrdrohenden Depeschen, die von Angst und tiefer Erschütterung reden, sich Neapel niederge schlagen und schwermüthig vorstellen. Die Lust schwimmt gar bald wieder oben auf der frischen Welle des Lebens. Schon vor gestern am 26., also am Tage nach der betrübenden Katastrophe, der selbst die stärkste Eruption bot, ließ die Heiterkeit des Treibens wenig zu wünschen übrig. Vor unseren Altanfenstern blies ein greiser Alter gar lustig den Dudelsack und die Jungen und Mädchen ans dem Volke tanzten Tarantella dazu. Der Neapolitaner ist noch immer der Policcinello unter den Italienern. Gestern am 27., also am Tage nach dem stärksten Ausbruch, setzte ich eS durch, nach dem vom Lavastrom beschädigten St. Sebastiano hinzufahren und hinaufzudringen, d. h. soweit man kommen konnte, um etwa» über die Art dieser Lava als Augenzeuge und kühler Beobachter sagen zu können. Dieser Strom war aus einem Schlund oberhalb Sebastiano, zwischen Somma und dem Vesuv, herausgekommen und hatte Morgens um 7 Uhr noch die Straße sChauffee) nach St. Sebastiano sreigelassen. Um 1 Uhr war er aber über die Straße gegangen, hatte die großen Strebepfeiler und Mauern, die den Weg schützen, allmählich eingedrückt und ein linker Arm von jene« Strome war so in einen kleinen Grund neben dem Wege nach der neapolitanischen Seite zu abgeflossen. Dieser Grund ist etwa 100 bis 150 Fuß tief und 200 Fuß breit, unten ganz bebaut. Die Lava wälzte sich darin 30 bis 40 Fuß hoch, ihn ganz in der Breite ausfüllend, vorwärts. Ich stieg hinab und stand Augen blicke lang nur einen Schritt von der Lavawand; doch die Gluth war fürchterlich. Ich wünsche nicht, daß dies verwegen und gefähr lich klingt, denn eS ist für den Besonnenen kaüm eins von beiden, wohl aber durchaus nothwendig. Wenn ein Nichtweitfichtiger sehen will, wie die fließende Lava beschaffen und construirt ist, so muß er 'eben nahe Herangehen. Und so ergab sich denn, daß man sich diese jetzige Lava keineswegs dünnflüssig denken muß. Sie besieht au- porösen und theilweise auch festen Lavastücken von der Größe eine- Kieselsteins bis zu Blöcken von 12 und mehr Cubikfuß, etwa ähn lich wie Steinkohlen, nur grauschwarz in der Grundfarbe, die in verschiedenen Größen durcheinander gestürzt find. Freilich aber find die inneren Steine, wenn sie bei der Bewegung sich lüften und dem Auge zu Tage treten, weiß und rothglühend, die inneren Schichten grauschwarz. Andere rothglühende Schlacken blicken im mer aus dem Gemenge des Stromes hervor, und auS jedem sich bildenden Luftloche schlägt die Flamme hervor. DaS drängt nun, von hinten geschoben, immer vorwärts, und ist sowohl durch die Triebkraft deS inneren Feuers, als durch die Unterlage der schiefen Ebene in steter Bewegung. Seitwärts vom Rande und vorn poltern die Steine übereinander und die glühenden Schlacken stürzen, wenn sie den Halt verlieren, in größeren Massen hervor. Man kann sich also nur auf Augenblicke nahen, wo einer ruhigen Bewegung eine Stauung erfolgt. ES ist wie eine glühende Stein muräne, wie ein Feuergletscher, der sich schneller als ein EiSgletscher Vorschiebt. Und so begräbt denn die höllische Masse O4bäume und Feigen und Weinreben, die in so malerischer Urppigkeit von Baum zu Baum sich schlingen — daS Alles versengt zischt, lodert auf und wird begraben; ich habe ganze Pinienstämme brennen und von dem steinigen Flammenbrei verschlucken sehen. Oberhalb der Straße in einem großen, immer polternden und glühenden Lava« selbe steht der Strom an einigen tiefer liegenden Stellen, die er auSfüllt, 30 bis 50 Fuß hoch. Eine Elle von einem kleinen Hause hat er Halt gemacht und ist dann vorbei über die Straße gegan« .gen. Dieses Lavafeld aber ist etwa so breit, daß man, wenn eS erkaltet, wohl 20 Minuten darauf zu gehen haben wird. Der Strom ist durch einige Straßen deS verlassenen, jetzt abgeschnittenen St. Sebastiano geflossen; ein Lavaarm drang in daS dicht dabei liegende Massa, daS theilweise zerstört ist, uud schlang sich um Sebastiano herum. ES handelt sich aber hier keineswegs lediglich um Zerstörungen der Häuser, das hätte weniger aus sich, denn wenn man auch hier euphemistisch alle größern Häuser vaia-ri nennt, sind sie doch meist werthloS und leicht wieder zu bauen. E« handelt sich aber auch nicht nur um den Verlust der diesjährigen Ernte: was. hier zum dauernden Nachtheil der Cultur zu Grund geht, ist von höherm Werthe — wir haben es mit einer völligen Vernichtung des Bodens aus ein paar Jahrhunderte hinaus zu thun, eine« Bodens, der durch doppelte Ernten bei einer so reichest Bevölke-