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Imöerger Anzeiger und Tageblatt. Amtsblatt de- Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Erscheint I.Fr-ib«rgjed. Wochen». Ab. 17 1 1 1 77^77^Prei, vierteljähil. -0 Ngr. Inserate DHl D 6 u. für den and. Tag. Jnser. werden Tonnnbend. dtN »V. ÄUrtl werden die gespaltene ZMe oder deren I Mtz H ^1- NV» bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Raum mit S Pf. berechnet. Freiberg, 19. April 1872. . n. Wie alle am Schlüsse des vorigen Artikels erwähnten Gesetze schon in der letzten Session aus dem Schooße des Reichstages an geregt wurden, ohne im BundeSrath die höchst wünschenswerthe Beachtung gefunden zu haben, so ist eS auch mit der Einführung einer bürgerlichen Gerichtsverfassung, eines allgemeinen deutschen Civil - Proceßverfahrens der Fall. Wir wollen zwar nicht unter schätzen, daß seit dem kurzen Bestände des deutschen Reiches schon sehr viel von der Gesetzgebung geschehen ist, um die Gemeinsamkeit der Bundesstämme zu festigen; aber leugnen wird man nicht, daß dies mit großem Eifer nur im Interesse der Rechte der Cen tralregierung durch Regelung der Armeeverhältnisse und der Einkünfte durch Steuern geschehen ist. Langsamer geht es nun, da diese Centtalregierung sich auch der Pflichten gegen die Gesammt- heit Deutschlands entledigen soll, indem sie Sorge treffe, daß die Einheit der Interessen das Bewußtsein von der Einheit des Reiches in die Geister der Nation trage. Dazu gehört eben nicht nur gleiche Münze, gleiches Papiergeld, wie auch das schon eingeführte gleiche Maaß und Gewicht, sondern auch ein gleiches, mindestens mit der Zeit gleich werdendes öffentliches Recht. Wenn die Schwierig keiten gerade solchen Gesetzes auch nicht verkannt werden dürfen, so ist eS doch der Anfang dazu, sie zu überwinden, indem man überhaupt einen Anfang mit der Behandlung der Sache macht und zwar nicht am grünen Tisch, sondern auf der Tribüne. Auch ein Preß gesetz ist in der Eröffnungsrede nicht unter den Vorlagen für den Reichstag aufgezählt worden, obgleich die Beschäftigung mit dieser für die Volksbildung so äußerst wichtigen Materie der Reichsregisrung die beste Gelegenheit geben müßte, sich einmal in ihrer wahren Natur zu zeigen. Wie eS heißt, wird nun von Seiten der Fortschrittspartei ein Entwurf vorgelegt und eS muß abgewartet werden, wie er ist und ob er zur Verhandlung ge langt. Daß Seitens der Presse selbst ein besonderes Verlangen nach solchem Gesetze vorhanden sei, darf man wohl bestreiten. Da die Erfahrung gelehrt hat, daß unter einem besonderen Preßgesetz die Regierungen wenig Anderes verstehen, als Bestimmungen über mehr oder minder große Unfreiheit der Presse, so wäre es schon am Besten, eS blieb damit im Einzelnen, wie eS ist, als daß eS im Allgemeinen wo möglich noch schlechter würde. Ehe die Einsicht und der gute Wille nicht bereit sind, ein Gesetz zum Schutze der Presse herzustellen, eher kann die Presse auch nicht dafür stimmen. Dies Gewerbe, wenn man es so bezeichnen soll, darf nicht mehr unter Ausnahmegesetzen sich betreiben lassen; ihm wie allen anderen muß keine Grenze weiter gezogen sein, als die des für alle Bürger giltigen Strafgesetzbuches. Ein Preßgesetz, in dem überhaupt noch von Caution, Stempelgebühr, Pflichtexemplaren die Rede ist, kann für uns als keine Errungenschaft, sondern nur als Rückschritt an gesehen werden, und mag ruhig im weisen Kopfe dessen bleiben, der eS ersinnen will. Aber kommt eS von der einen oder anderen Seite zur Vorlage, so wird man wenigstens einen Maßstab für die Anschauungen erhalten, die im BundeSrath über diesen Gegenstand leben. Und das ist cm sich schon Gewinn aenua. Denn mehr und mehr treten wir jetzt aus dem Nebel, d« uns seit den großen Ereignissen vor Augen lag und geradezu au- fähig machte, ein Ziel für den Weg zu erkennen. Wir mußten uns führen lassen und ließen eS im Vertrauen auf die leitende Hand gern geschehen. Aber dies Blindekuhspielen ist doch eine? freieren Volksvertretung nicht würdig und macht deshalb von selbst einem Streben mit offenen Augen Platz. Mit der Erkenntniß, daß der BundeSrath wohl nicht gerade Flügel für unsere innere Ent wickelung, sondern eher ein Bleigewicht für dieselbe zu werden ver spricht, wird der Reichstag auch in sich selber den Schwerpunkt suchen müssen. Erst dann dürste auch die Arbeit desselben eine wirkliche geistige Leistung und eine Läuterung des deutschen Volke« bedeuten — eine Aussicht, die wir unter allen Umstände» ersprieß lich nennen müssen. Tagesgefchichte. Berlin. Nach officiöfen Correspondenzen wird demnächst der CultuSminister einen Bescheid auf da» Schreiben der Fuldaer BischofSconferenz geben, das in dem „Pastorale an den Klerus" angekündigt ist und sich auf die Stellung der katholischen Geist lichkeit zum Schulaufsichtsgesetz bezieht. Die Verwahrung der Bischöfe soll erst gleichzeitig mit der Erwiderung des Kultusminister« veröffentlicht werden. München, ^7. April. In der heutigen Sitzung der Abge ordnetenkammer wurde der Gesetzentwurf, betreffend einige unwesent liche Abänderungen an dem bayerischen Militärstrafgesetz, die infolge der Einführung des ReichS-StrafgesetzbucheS nothwendtg find, an genommen. Für den vom Ausschüsse gestellten Anttag nach Erlaß des zu erwartenden ReichS-Militär-StrafgesetzbucheS die Regierung unter Vorbehalt der späteren Zustimmung des Landtages zur vor läufigen Einführung in Bayern im Verordnungswege zu ermächtigen, sprachen sich nur 83, gegen denselben aber 44 Stimmen auS. Der Antrag ist also, weil er die erforderliche Zweidrittel-Majorität nicht erreichte, abgelehnt. Paris. Wie die Pariser „Agence HavaS" versichert, habe Frankreich keineswegs bei der deutschen Regierung einen Aufschub für die Ausführung des PostverttageS nachgesucht. Goulard und Rampont hätten vielmehr Alles vorbereitet, um die Arbeit der Commission zu beschleunigen, und sei eS demnach wahrscheinlich, daß die Nationalversammlung noch vor dem 1. Mai über de« Vertrag abstimmen wird. London, 16. April. Die von der Regierung der neuesten diesseitigen Prozeßschrift in der Alabamafrage beigegebene Note ist nunmehr veröffentlicht. Dieselbe ist auS Genf datirt und benach- , richtigt die Schiedsrichter, daß hinsichtlich der indirecten Schade»«- ansprüche sich einige unglückliche Mißverständnisse erhoben hätten, welche England dem Schiedsgericht nicht haben unterbreiten können. England habe deshalb die Einreichung einer weiteren Prozeßschrift beschlossen, welche hinsichtlich der Beschränkung der directen Gcha- denansprüche bestimmte Forderungen ausstelle. Die englische Re gierung gebe sich dabei der Erwartung hin, daß die beklazenSwerthm Mißverständnisse noch vor dem 15. Juni beseitigt sein werden; fie wünsche aber gleichzeitig noch besonder« anzudeuten und^theile die« den Schiedsrichtern ausdrücklich und förmlich mit, daß sie die Prozeßschrift eingereicht habe ohne irgend welches Präjudiz in Be treff der von England bisher eingenommenen Stellung und mit dem förmlichen Vorbehalte aller seiner Rechte. — (Nach den