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Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSämter und der Stadträche zu Freiberg u. Brand. und Tagetlatt. 1 . . - - ' IMger Preis vierteljShrl. SO Ngr. Jnser«te «erden die gespaltene Zeile »der deren I Raum mit S Pf. terechnet. Sonntag, den 3. März Erscheint!. Freiberg jed. Wochent. Ab. S U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« B. 11 U. für nächste Nr. angm. * Freiberg, 2. März 1872. Die freundlichen Beziehungen des deutschen Reiche« zur russischen Regierung find bekannt. Man erinnert sich wohl noch der unerschütterlichen Ruhe, die Kaiser Alexander II. allem Drängen. Thier« entgegen setzte, als dieser auf der bekannten Bettelreise die Höfe Europas um Rettung des bedrängten Frankreichs im Herbste 1870 anflehte. Auch hat der jüngste Empfang der preußischen Gäste in Peters burg und Moskau gewiß sehr abkühlend auf die französischen Hoff nungen eines baldigen ConflictS zwischen Rußland und Deutschland gewirkt. Aber ebenso wenig läßt sich leugnen, daß eS eine russische Partei giebt, die mit fanatischem Eifer nicht nur die Ausrottung des PolenthumS, sondern auch die Unterdrückung sämmtlicher deutscher Elemente im heiligen Rußland erstrebt. Ob diese alt- «oSkowitische Partei, zu der auch der Thronfolger zählen soll, wirklich mit ihren Plänen durchdringen, wird, ist abzuwarte«. Mög lich, daß dieser wüthige MoSkowitiSmu« sich abnützt und mit der Zeit eine andere Richtung wieder in den Vordergrund tritt. Die Verfolgungen, welche da» Deutschthum in den Ostsee- Provinzen schon seit Jahren ausgesetzt ist, find zum öfteren in deutschen Zeitungen geschildert worden. Aber auch auS Südruß' land kommen jetzt zuweilen Nachrichten, daß dort Versuche zur Rusfificirung der Deutschen gemacht werden. Vielleicht fragt mancher unserer Leser: giebtS denn dort so viel Deutsche, daß sich das RusfificirungSwerk lohnt? Wir antworten, daß in den Gouvernements Bessarabien, Cherson und Krim nicht weniger als 100,000 deutsche Colontsten leben, welche sich als echte deutsche Bauern mit Landbau beschäftigen und zum Theil recht wohlhabend geworden find. Schon Katharina II. hatte vor hundert Jahren auswandernden deutschen Mennonite« dort Wohnsitze eingeräumt und fie mit reichen Privilegien auSgestattet. Diese Colonisation wurde auf die Einladungen Alexanders I. in noch größerem Maße ausgeführt. Südrußland ist mit Ausnahme der gebirgigen Halbinsel Krim ein Hügelland. Der Boden bildet eine Kruste von 1'/, Ellen fetter, schwarzer Dammerde auf Lehm und Sanduntergrunde, daher ist er so fruchtbar, daß er gar keines Düngers bedarf, ja dieser ihn sogar als zu fett nachtheilig wird. So kommt es vor, daß die Körner, welche bei der Ernte ausgefallen find, einfach eingeeggt werden und dann eine« neuen reichen Ertrag gewähren. Darum find auch die Ernten äußerst ergiebig, wenn fie gerathen, denn man muß leider nur immer auf eine gute Ernte in fünf Jahre« rechnen. Große Sonnenhitze und Dürre, so daß der Boden tiefe Risse bekommt, Heuschrecke», Hagel, Käfer vernichten nur zu oft die Feld früchte. Line wirklich gute Ernte ersetzt aber auch den Schaden für mehrere Jahre wieder. Gebaut wird Weizen, Mais, Roggen, Hafer, Gerste, Hirse und Kartoffeln. Auch ist der Weinbau lohnend; da gegen will der Obstbau nicht recht gelingen, da Bäume dort selten über 15 Jahre alt werden. Deshalb findet man auch keine Wälder in diesen Steppengegenden. Als Heizung,mittel verwendet man KW und Dünger, VHMW kM MN nicht, sondern hinter jedem Bauerhofe ist eine hartgeschlagene Tenne, auf de» da- Ge treide 3 bi« 4 Fuß hoch aufgeschüttet and von Pferden, die im Kreise darauf herumgejagt werden, ausgetreten wird. So leben dort viele tausend Deutsche, meist der lutherischen Confesfion zugethan. Den Hauptstamm bilden Württemberger, doch auch aus Bayern, Hessen, dem Elsaß und Ostpreußen stammen nicht wenige dieser Kolonisten. Zu bedauern ist, daß diese 100,000 Deutsche wirklich ein verlorener Bruderstamm. zu sein scheinen. Zwar spreche» fie alle noch deutsch und hängen mit außerordent licher Zähigkeit an althergebrachter Sitte und Lebensweise, aber alles Jnttreffe für ihr Stammland ist ihnex abhanden gekommen. Sie freuen sich ihrer Privilegien, namentlich der Freiheit vom Militärdienste, und sprechen von Rußland, als ob fie gar nicht zu diesem Reiche gehörten. Aber ebenso Wlt sie uschzs <m sia- deutsche Vaterland, kein geistige- Jnttreffe haben ffe M Hm, ge mein, wie die- bei den Deutschen in den russische» Ostseeprovinzen doch der Fall ist.- r - " - Indessen bleiben ja große weltgeschichtliche Ereignisse niemal« ohue Folgen und so ist eS wohl möglich, daß der mächtig« Auf schwung, den das neue deutsche Reich durch die Großthaten der letzten Jahre genommen, auch auf die Stammesbrüder in Süd rußland seinen Einfluß auSübt. Wie sich dann die altrusstsche Partei hierzu stellen wird, muß die Zukunft lehren! Tagesgeschichte. Berlin, SS. Februar. Der „Staatsauzeiger" enthält einen Erlaß des Cultusministers vom 29. Februar, worin e- heißt: Da- Gebiet des höheren UnterrichtSwesenS hat von den kirchlichen Be wegungen der Gegenwart nicht unberührt bleiben können, die ver schiedenen, für die Schulverwaltung dadurch angeregten Fragen werden ihre definitive Erledigung erst durch da- beabsichtigte Unter» richtSgesetz finden. Hinsichtlich des Religionsunterricht» ist jedoch zur Vermeidung der drückenden Uebelstände schonjetzt «ine Aende- rung der bestehenden Vorschriften geboten. Der Minister bestimmt demgemäß: an den öffentlichen höheren Lehranstalten ist Hinfort die Dispensation vom Religionsunterricht zuläsfig, sofern ein genügen der Ersatz dafür nachgewiese« wird. Die betreffenden Gesuch« find an da« Provinzial-Schulcollegium oder an die Regierung zu richten, diese Behörden befinden darüber, ob der nachgewiese»« Ersatz ge nügend ist. An der Zugehörigkeit der religiösen Unterweisung zur gejammten Aufgabe der höheren Lehranstalten sowie an dem Lehr ziel de» Religionsunterrichtes derselben wird durch vorstehende Be stimmungen nichts geändert. — In der letzten Bunde-rath-sitzung theilte Präsident Del brück mit, in der nächsten Reich«tag--Sessi»n sollen hauptsächlich vorgelegt werden Gesetzentwürfe in Betreff der Bransteuer, der Retchsbeamten und de- PreßgesetzeS. Die ReichSlosten für Be theiligung der deutschen Industrie an der Wiener Weltausstellung betrage« 500,000 Thlr. — Der König von Würtemberg wird am 7. März seine Reise nach Petersburg antreten, am 8. hier eintreffen und am hiesige« Hose drei Tage bleiben. — Wie die „D.-R.-K." hört, dürfte die Einverleibung de- Herzogthum- Lauenburg in die preußische Monar chie schon in kurzer Zett erfolgen. Wlle, 1. März. Gestern wurhe unter Theilnahme der Ssüheuttnschast ' " "" '