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8 Zweiter Hauptabschnitt: Unterrichtslehrc. Methode fehlen und sein eignes Wissen und Können am glücklichsten in andere übergehen lassen. Auf solche Beobachtungen ist die folgende allgemeine Theorie des Unterrichts gebaut. 7. Vorläufige allgemeinste Forderung an jeden, der unterrichten will. Vor allem unternehme keiner das Lehrgeschäft, bevor er fick besten, was er thut, und was er zu erreichen sich bestreben soll, und der Bedingungen, unter welchen es nur erreicht werden kann, auf das deutlichste bewußt geworden ist und sich selbst in den Besitz alles dessen, was er lehren will, bis zu dem Grade gesetzt hat, der — wenigstens für die Bildung seiner jedesmaligen Lehrlinge — hinreichend ist. Da nun seine Kenntnisse in diese übergehen, durch seine Fertigkeiten auch seine Schüler zu gewissen Fertigkeiten gebracht werden sollen: so bedarf es einer Vermittelung des Lehrens und des Borthuns durch Wort und Beispiel, damit der Schüler lerne, indem er hört und auffaßt, geschickt und tüchtig werde, indem er absieht und nachthut. Um dies zu erreichen, ist also neben dem Wissen und Können auch Mitteilungsgabe, Ge übtheit im Reden und Handeln*) eben so unerläßlich. Wie wenig wird schon dies von Unzähligen bedacht, die als Lehrer auftreten oder Lehrämter begehren! 8. Erfassung des ganzen Menschen bei Vein Unterricht. Bei allem Unterricht, — mag er betreffen, was er will, mag er sich einen noch so bestimmten und besondern Zweck vorsetzen und bald auf die eine oder die andere Seelenkraft berechnet sein — muß man dennoch stets den ganzen Menschen mit allen seinen Anlagen und Kräften im Auge behalten. So nur wird die Einseitigkeit der Bildung verhütet. Diese entsteht nicht bloß aus der Beschränkung des Unterrichts auf eine Art von Kenntnissen und Fertigkeiten auf Unkosten anderer von gleicher Wichtigkeit; sondern man kann auch bei demselben Lehrstoff oder Unterrichtsmaterial, entweder zu einseitig — bloß das Gedächtnis, oder das Gefühl, oder die Phantasie beschäftigen, oder das Denkvermögen allein in Anspruch nehmen, (wie sogar bei dem Religionsunterricht von manchen Lehrern geschieht,) oder mit Verab- säumung aller Aufklärung der Begriffe allein aus den Willen zu wirken suchen. Wird doch selbst der Körper und seine Gesundheit nicht selten dem Wissen und Gelehrtwerden aufgeopfert! Vor dem allen sichert nur *) Daß beides nicht immer mit dem Wissen und Können verbunden sei, lehrt das Beispiel so vieler sehr gelehrter Männer und Meister, denen gleichwohl nichts schlechter gelingt als das Unterrichten und Bilden anderer. Wie viele be rühmte Schnlmanner, wie viele noch berühmtere Akademiker hat bloß ihre Ge lehrsamkeit auf den Posten gestellt, dem sie als Lehrer so wenig genügen, so be deutend sie übrigens als Schriftsteller für die Wissenschaft sein mögen.