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Pulsnitzer Mckenblatt Sonnabend, 23. Dezember 1. Beilage zu Nr. 153. 63. Jahrgang. OsrtNcbss unS SScksisckss. — (^ioiu proprio.) Der KardinalstaatSsekretär Merry del Val hat zwar auf eine Anfrage des preußi schen Gesandten beim Vatikan, erklärt, das iVlotu proprio käme für Deutschland nicht in Betracht. Schon aber macht sich die Zentrumspresse an die Arbeit, diese an sich schon sehr verklausulierte Erklärung praktisch unwirksam zu machen. So erklärt z. B. der „Bayrische Kourier", daß zwar viele behaupten, das Uioiu proprio habe für Deutschland keine Gültigkeit, daß es sich aber jedenfalls nur um eine Gewissensangelegenheit handele und „um einen Akt pflichtgemäßen Gehorsams gegen die Rechte der Kirche.- Auch die „Schles. VolkSz." (18. Dez.) betont als Ergebnis der Verhandlungen, daß „alles beim alten bleibt." Das heißt also, die Bischöfe haben ihrerseits nach wie vor aus Grund des Dekrets von 1886 durch Zensuren und Strafen die katholischen Gläubigen anzu halten, keine Klage gegen einen Geistlichen ohne Erlaub- nrs des Bischofs einzureichen. Noch immer heißt,S also auf der Hut zu sein. Und wie sehr, das illustriert ein Fall praktischer Anwendung, den dar Dekret jetzt in Bel gien, im Lande der klerikalen Herrschaft, gesunden hat. Die klerikale Presse stellt den Vorfall folgendermaßen dar: „Der Pfarrer der Ortschaft Naville bei Nivelles in der Pro vinz Brabant, Alfred Meunier, hatte in einer öffentlichen Sonn tagspredigt von der Kanzel herab einen Einwohner angegriffen und wurde deshalb von jenem verklagt. Das war vor dem päpst lichen Notu proprio. Auf Grund der Zeugenaussagen verurteilte nun der Gerichtshof von Nivelles den Pfarrer zu einer Geldstrafe von 350 Fr., gegen welche er Berufung beim Brüsseler Appell gericht etnlegte. Inzwischen war das dtotu proprio Pius X. er schienen, und der Pfärrer beeilte sich, das päpstliche Dekret am Sonntag vor der Appellverhandlung von der Kanzel herab ver lesen zu lassen und den Kommentar hinzuzufügen, daß nicht bloß der Kläger eines Geistlichen, sondern auch alle Zeugen, welche seine Verurteilung herbeiführen, der Er komm uni- kation verfallen. Infolgedessen verweigerten die meisten Zeugen, die vor dem Nivcller Gerichtshof ausgesagt hatten, die Wieder holung ihrer Aussagen vor dem Brüsseler Appellgericht, und damit war also tatsächlich das ordentliche Gerichtsverfahren gegen den Pfarrer Meunier gestört. Der Brüsseler Appellgerichtshof, der seiner erdrückenden Mehrzahl nach aus guten Katholiken besteht, erblickte darin eine gegen den Lauf der Gerechtigkeit gerichtete In trige und bestätigte das erstrichterliche Urteil, ohne jsich um die Verweigerung der Zeugenaussagen zu bekümmern." Dieses Vorgebm. des Pfarrers widerlegt schlagend »>ee »rycruprung, daß es sich beim dckotu proprio nur um eine theoretische Auseinandersetzung handle. Der Papst hat praktische Anwendung gefordert, und in Belgien, wo die Schwesterpartei des deutschen Zentrums die Regierungs gewalt in Händen hat, machte der Klerus ohne weiteres davon Gebrauch. In welcher unerhörten Weise, zeigt der geschilderte Vorfall. Danach aber wird man sehr genau aufpassen müssen, was in Deutschland geschieht, ob etwa auch dort nach den Wahlen solche Kanzelreden gehalten werden, trotz der Erklärung Merry del Vals. — (Viehzählung) Bei der am 1. Dezember d. I. stattgefundenen Viehzählung wurden im amtShaupt- mannschastlichen Bezirke Kamenz insgesamt 4117 Pferde, 24148 Rinder, 24 741 Schweine, 510 Schafe und 7675 Ziegen gezählt. Auf die einzelnen Ortschaften verteilen sich diese Zahlen folgendermaßen: 8 s r: 8 rs V er Kamenz .... 254 284 524 — 322 PulSnitz . . 130 235 153 3 58 Elstra ..... 60 199 314 — 158 Königsbrück . . . 384 61 122 5 94 Bischheim . . . 59 418 180 165 30 Bretnig .... 92 408' 307 — 193 FriederSdorf m.Thiemendorf 54 373 217 —— 108 Großnaundorf . . 64 669 464 5 182 Großröhrsdorf . . 294 788 596 12 138 HäSlich .... 20 191 281 5 198 Hauswalde . . 43 403 340 1 114 Höckendorf . . . 51 583 351 2 62 Kleindittmannsdorf 35 139 138 — 45 Laußnitz .... Lichtenberg . - - 32 328 348 4 68 106 820 400 6 124 Mittelbach . . . 26 179 110 — 27 Möhrsdorf . . . Niederlichtenau. . 20 157 160 1 82 15 156 166 4 106 Niedersteina. . . 48 353 310 — 206 Oberlichtenau . . 40 336 380 — 330 40 256 217 252 Ohorn. . . 58 456 476 481 PulSnitz M. S. 45 250 168 2 103 Reichenau . . . 29 218 188 1 75 Reichenbach . . . 36 277 291 -— 158 Vollung .... 37 35 — 35 Weißbach bei PulSnitz . . Sr 155 147 — 64 ^agesgescdicdts. Deutsches Reich. (Auf dem Gebiete der "uswärtigenPolitik) arbeitet England mit großem Erfolge Jahr und Tag mit Frankreich und Rußland zusammen, und deshalb können die anderen Mächte aus dem auswärtigen Gebiete schwerlich große Ziele erreichen, denn es ist klar, daß drei in einem Einvernehmen stehende Großmächte ihre Wünsche aus dem auswärtigen Gebiete glatt durchsetzen und die Anforderungen der an deren Mächte einfach ablehnen können, wenn man es nicht bei jeder Differenz, auf einen Krieg ankommen lassen will. Nun kann man ohne weiteres sagen: Warum tritt der Dreibund Deutschlands, Oesterreich- Ungarns und Italiens dem Vorgehen Englands, Ruß lands und Frankreichs nicht entgegen? — Dar ist nach der ganzen Lage der Dinge jetzt ganz unmöglich, da Italien fortwährend aus der Reihe tanzt und mit Frank reich und England und wegen der Zustände auf der Balkenhalbinsel sogar mit Rußland liebäugelt. Auch hat der Dreibund Deutschlands, Oesterreich-UngarnS und Italiens nur einen defensiven Charakter, während das Bündnis Englands, Frankreichs und Rußlands frisch und fröhlich aus Eroberungen in Afrika und Asten aus- geht. England und Rußland haben sich in Persien fest gesetzt und werden dieses große Reich unter sich teilen, und Frankreich hat unter Mitwirkung Englands Marokko erhalten und hat sich jetzt ebenfalls unter der Zustimmung Englands die Oase Dschanet, die zu Tripolis gehört, ge- nommen. Man steht daraus klar und deutlich, daß Eng land Hand in Hand mit Rußland und Frankreich schon immer auf dem auswärtigen Gebiete eine Art Oberherr schaft ausübt. Berlin, 22. Dezember. (Staatssekretär Sols.) Der „Reichsanzeiger" meldet: Der Kaiser hat den mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Staatssekretärs des Reichskolonialamtes bereits betrauten Kaiserlichen Gou verneur von Samos l)r. Solf unter Verleihung des Charakters als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädi- tat „Exzellenz" zum Staatssekretär des ReichSkolonial- amts ernannt. — (Kaiser Wilhelm) hat allen ehemaligen Unter- offizieren und Grenadieren der 2. Kompagnie des Ersten Garde-RegimentS zu Fuß, die in den Jahren 1880 und 1881 unter seinem Befehl gestanden haben, eine große Freude bereitet. Die noch lebenden 166 Angehörigen der Kaiser-Kompagnie erhielten zu Weihnachten ein gro ßes, lebenswahres Bild des Monarchen in der Uniform des Regiments. — Der erste bürgerliche Brigadekom- mandeur) der Garde-Jnsanterie ist der Generalmajor «chmundt, der soeben an die Spitze der 6. Garde-Jnfan- teriebrigade in Spandau gestellt worden ist. Russland. Petersburg, 21. Dezember. (Der rus- sische Vormarsch auf Teheran.) In diplomati- schen Kreisen in bestimmter Form auftretenden Gerüchten zufolge wird in allernächster Zeit der Vormarsch des russischen Expeditionskorps nach Teheran erfolgen, da die persische Regierung mit der Erfüllung der russischen For derungen zögert und durch den Kabinettswechsel augen scheinlich Zeit gewinnen will. Ueber die Absichten der rassischen Regierung ist England verständigt. Persien. Teheran, 22. Dezember. (Z umrussisch persischen Abenteuer.) Ueber den Kampf in Täbris wird nach persischen Berichten gemeldet, die Russen wollten eine Telephonanlage errichten, wobei er zu Streitigkeiten mit Persern kam. Schüsse fielen, und es gab auf beiden Seiten Tote und Verwundete. Die Russen haben die RegierungSgebäude in Täbris besetzt. Man fürchtet, der Vorfall werde die friedliche Beilegung des Konfliktes unmöglich machen. Die Zeitung „Jraneno" richtet heftige Angriffe gegen Deutschland, da» durch seine ausgesprochene russische Politik Rußlands Vorgehen ermöglicht und die Türkei gehindert habe, nachdrücklich für Persien einzustehen. Portugal. Lissabon, 22. Dezember. (Eine mo narchistische Erhebung in Braga.) Hiesige Blätter berichten, daß in Braga eine monarchistische Er- Hebung stattgesunden habe. Anderen Meldungen zufolge soll es sich nicht um einen Putsch der Monarchisten, sondern um eine Meuteret unter den Soldaten der 19. Infanterieregiments handeln. Zwischen den Meuteren und der Fahne treugebliebenen Soldaten wurden Schüsse gewechselt. Ein Oberst soll durch einen Schuß verletzt worden sein. Wie es heißt wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen. Türkei. Konstantinopel, 22. Dezember. (Türkische Siege.) „Sabah" meldet: Der KriegSminister empfing vergangene Nacht eine Depesche Enver Beis über einen neuen türkischen Sieg bet Derna. Die Italiener hätten auf dem Kampfplatz neben vieler Munition und drei Kanonen 250 Tote und 350 Verwundete gelassen. Die Verluste der Türken betrugen 30 Tote und 50 Verwundete. Konstantinopel, 22. Dezbr. Die „Agence Ottomane" publiziert vom Kriegsschauplätze bei Ain Zara folgendes Bulletin: Am 15. Dezember gingen 2000 Italiener im Morgengrauen gegen unsere Stellung vor. Ein heftiger Kampf sand statt, der den ganzen Tag über dauerte und zu unseren Gunsten entschieden wurde. Die Italiener waren zum Rückzug gezwungen. Zwei italienische Ossi- ziere und 200 Mann fielen. Am 17. Dezember versuchte ein italienisches AusklärungSdetachement mit Gebirgs artillerie den türkischen linken Flügel anzugreifen, wurde aber zurückgeworfen. Am 19. Dezember sand eine neuer liche Attacke statt. Die Italiener ließen 400 Mann Tote auf dem Schlachtfelds und wichen demoralisiert und in voller Unordnung zurück. ttus aller XVelt. Thale a. H., 20. Dezember. (Die Weihnachts- bäume für das Kaiserhaus.) Förster Räspe auf der GeorgShöhe ist vom Hofmarschallamt beauftragt wor- den, die WeihnachtSSäume für die kaiserliche Familie zu besorgen; zwei etwa 5 Meter hohe Tannen für das Kai- ssrpaar, sieben kleinere für die 6 Prinzen und die Prin zessin Viktoria Luise und drei etwa 1^/, Meter hohe Bäum- chen für die kaiserlichen Enkel. Die Bäume sind am An- sang dieser Woche geschlagen und nunmehr von Thale aus im Sonderwagen nach Station Wildpark abgesandt worden. Buchlue (Bayern), 22. Dezember. (Groß feuer.) Bei einem furchtbaren Sturm brach aus unbekannter Ursache gestern nachmittag in Honsolgen ein verheerender Brand aus, der bis zum Abend elf Häuser in Asche legte. Infolge der großen Schnelligkeit, mit der sich das Feuer auSdshnte, konnten die zahlreichen, aus der ganzen Ge gend herbeigeeilten Ortsfeuerwehren wenig auSrichten. Der Kirchturm, der zweimal anfing zu brennen, konnte gerettet werden. Der Schaden ist sehr groß. Die durch den Brand geschädigten Leute find zum Teil nur unge nügend versichert. Berlin, 22. Dezember. (Marinenachrichten.) (Schiffsliste.) Angekommen: S. M. S. „Vineta" am 21. Dezember in Havanna. S. M. S. „Luise" am ein- undzwanzigsten Dezember in Port of Spain (Trinidad). S. M.S. „Geier" am 21. Dezember in Piräus. S. M.^S. „Berlin" am 19. Dezember in Danzig. S. M. S. „Wit- telSbach" am 20. Dezember in Wilhelmshaven. Das Tor pedoboot „G. 8" ist am 21. Dezember vom Stapel ge- laufen. Berlin, 22. Dezember. (Marinenachrichten.) Postregelungen für den AblösungStranSport für das Schutz, gebiet Kiautschau aus Dampfer „Patricia" für den 5. Januar 1912 Wilhelmshaven, dann durch das Kaiser- liche Marinepostbureau in Berlin. Privotpackete an die Besatzung von S. M. S. „Eber" und „Hansa" können zu den bekannten VerscndungSbedingungen kostenfrei ver schickt werden wenn sie mit dem Pnst- Porto- und Be stellgeld frei für S. M. S. „Eber" bis spätestens 3. Ja nuar 1912 und für S. M. S. „Hansa" bis spätestens 13. Januar bei der Speditionsfirma Matthias Rohde L Cie. in Hamburg eintreffen- Für die Verpackung und Lade- gebühr sind 30 Pfg, bei der annehmenden Postanstalt zu entrichten. Eventuelle Lagergebühren in den Verschiff- ungrhäsen sind von den Empfängern zu tragen. Madrid, 22. Dezember. (Gin amerikanisches Panzerschiff in die Luft geflogen.) „Jmpar- cial" verzeichnet das Gerücht, daß das amerikanische Pan zerschiff „Alabama" infolge einer Explosion in die Luft geflogen ist. Diese Meldung ist durch Funkenspruch hier eingetroffen. Doch fehlen bis jetzt jede weiteren Einzel heiten. Weihnachten 19 l1. Weihnachtsfest, du Fest der Liebe, Das die Welt so hold verschönt! Endlich, endlich bist du kommen, Froh erhofft und lang ersehnt. Jung und alt jauchzt dir entgegen In der Lieder frommem Sang, Und durchs Land zu Gottes Ehre Hallt der Glocken Feierklang. „Friede euch! Er ist erschienen!" Den euch Gott zum Heil erkor, Jauchzte einst vor Davids Toren, Hirten zu der Engel Chor. Friede euch! Christ ist geboren, Klingt's auch heute durch die Welt, Die des Christbaums Märchenzauber Ach so wunderbar erhellt. Ja, im Schein der Weihnachtskerzen Leuchtet uns der Liebe Blick, Und aus Millionen Augen Lacht ihr Zauberglanz zurück; Wenn, wie hell der Kerzen Schimmer Strahlend ineinander fließt, Unterm Christbaum Herz dem Herzen Liebe spendend sich erschließt. O, welch wonniges Empfinden Strömt da wohl durch jede Brust, Selig geben und enpfangen Ist der Liebe höchste Lust; Tritt doch auch ins kleinste Hüttchen Heut der Weihnachtsengel ein. Möcht' er allen doch auch Herold Des ersehnten Friedens sein! Denn das heißt nicht Christenliebe, Die die Erde himmlisch weiht, Wenn, auf ihr Verderben sinnend, Völker Haß und Neid entzweit Weihnachtsengel, Segenspender, Knüpfe du mit milder Hand Um die Völker aller Lande Der Versöhnung goldnes Band. Qrosseuksio. Knorr. ttus Ser Sescdättswslt. (Auszeichnung.) Die Firma Fr. Kaiser, Waiblingen, welche die bekannten Kaisers Bru st karamellen fabriziert, erhielt auf der Internationalen Hygieneausstellung Dresden 1911, welche am 31. Oktober aeschlossen wurde, in der Abteilung Nahr- ungs- und Geuutzmittel als besondere Anerkennung die Silberne Medaille.