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Pulsnitzer Wochenblatt Donnerstag, 19. Oktober 1911. Beilage zu Nr. 125. 63. Jahrgang. Die Hochzeit im österreichischen Raiserhause. Am 21. Oktober findet auf Schloß Schwarzau im Steinfeld, der niederösterreichischen Residenz der herzoglichen Familie von Parma, die Vermählung des Erz. Herzogs Karl Franz Josef mit Kita von Bourbon, Prinzessin von Parma, statt. Bekanntlich ist diese Hochzeit ein wichtiges Ereignis für die Völker der Habs, burger Monarchie, denn der jetzt 24jährige Bräutigam ist als der älteste. Sohn des verstorbenen Erzherzogs Otto der nächste Thron- erbe nach seinem Oheim, dem Erz herzog Franz Ferdinand, dessen Kinder ja nicht erbfolgeberechtigt sind. Die schöne Prinzessin, die bestimmt ist, an der Sette ihres künftigen Gemahls den Kaiser- thron zu besteigen, ist das drei zehnte von den neunzehn Kin dern des im Jahre 1907 verschie denen Herzogs Robert von Parma. Ihre Mutter, Herzogin Maria Antonia, ist eine geborene Jnsan tin von Portugal. Prinzessin Kita steht im 20. Lebensjahr. Sie gilt als eine der schönsten Prinzessinnen der österreichischen ^zss^z-^zz- /^ZV^-Lr^-Z' Gesellschaft und wird sicher auch in den weitesten Kreisen der Bevölkerung so populär werden, wie er ihr Bräu< tigam bereits ist. Die chinesische Revolution. Berlin, 18. Oktober. Eine amtliche Meldung des deutschen Seebefehlshabers aus Hankau besagt: Hankau ist ruhig. Dec chinesische Admiral Sah und 4000 regu läre Truppen sind eingstroffen. Gefecht bevorstehend, Nähe der deutschen Niederlassung. Deutscher Dampfer mit Nichtkombattanten ausgelaufen. Berlin, 18. Oktbr. Ueber die Tätigkeit der deutschen Schiffe vor Hankau sowie des dortigen LandungskorpS ist nunmehr eine neue Nachricht auf funkentelegraphischem Wege hier eingetroffen. Sie stammt von dem Komman danten des Kreuzers „Leipzig" und lautet, wie amtlich gemeldet wird, folgendermaßen: „Tag und Nacht sind ruhig verlaufen, die Aufständischen haben sich zurückge- zogen. Der britische Admiral ist etngetrosfen und hat als rangältester Offizier den Oberbefehl aus dem Wasser und am Lande über die vor Hankau versammelten See- strettkräfte übernommen." — Zu dieser Meldung fügt das Wölfische Telegraphenbureau noch hinzu: Da§ Fehlen weiterer Nachrichten über den Zusammenstoß der deutschen Landungskorps mit dem chinesischen Pöpel läßt darauf schließen, daß die Schutzaktion nur kurz, erfolgreich und ohne größere Bedeutung war. Petersburg, 18. Oktober. Aus Hankau wird telegra phiert, daß heute früh das Geschützfeuer längs der Bahn linie von den RegierungSiruppen eröffnet und daß noch Wutschang-Geschütze abgesandt wurden. Man ist hier allgemein der Ansicht, daß die Aufständischen den geeig- neten Zeitpunkt, um einen entscheidenden Erfolg zu er- zielen haben vorübergehen lasten. Wien, 18. Oktober. Laut telegraphischer Meldung ist das österreichische Kriegsschiff „Kaiser Franz Josef" gestern in Schanghai eingetroffen, von wo es sich heute nach Hankau begibt, um sich an der Aktion der übrigen fremden Schiffe zu beteiligen. London, 18. Oktober. Die Meldung von der Lan- düng deutscher Matrosen in Hankau verursacht hier große Erregung. Ohne das genaue Meldungen über die Ver anlassung zu der Landung vorliegen, äußert man die Befürchtung, daß sie ernste Folgen bet der Revolution haben könne, in der die Ausländer bis jetzt nicht be lästigt worden sind. ES heißt, daß bereits 4000 Mann kaiserliche Truppen in Hankau eingetroffen sind Diese bezogen in der Nähe des Rennplatzes ein Lager. Man erwartet weitere Verstärkungen, ehe die Rebellen ange- griffen werden sollen. Der Befehl, den Bahnverkehr Tientsin-Peking einzustellen, wurde wieder aufgehoben. verkehrt täglich ein Zug in jeder Richtung. Die Mandschufrauen sollen chinesische Kleidung angelegt haben. Die Rebellen setzten für die Gefangennahme des früheren Vizekönigs Dschutt-Tschang einen Preis auS. London, 18. Oktober. Wie dem „Daily Telegraph" aus Peking gemeldet wird, herrscht dort eine optimistische Austastung. Während der letzten sechs Tage blieb die Situation in Wutschang absolut unverändert. Das Land sei vollkommen ruhig. Die Insurgenten zählen höchstens 6000 Mann reguläre Truppen nebst ein paar tausend ^egulären.. ES wird versichert, daß ihr Erfolg in Wutschang ein reiner Handstreich gewesen sei. — Am Sonntag wird in Peking der Senat eröffnet, und steht man stürmerischen Sitzungen entgegen. Der Aufstand dürfte die Agitation für sofortige Einberufung eines nationalen Parlaments und die radikalen Verwaltungsreformen ver stärken. — Wie die „Times" aus Peking berichten, ver lautet noch nichts von der Abreise ManschikaiS, doch wird gesagt, daß er seine Vorbereitungen beschleunige. — Man trifft Anstalten, auf der Tientsin-Pukau-Bahn 10 000 Mann nach Taku zu befördern. Eine ebenso starke Ab- teilung soll von Schangschun aus aus dem Uangse transportiert werden. Ncwyork, 18. Oktober. Der Nationalverband der Chinesen in den Vereinigten Staaten richtete an den Prä- sidenten Taft die Bitte, dahin zu wirken, daß die Mächte während des chinesischen Aufstandes strikte Neutralität wahren, um dem neuen China Zeit zu lasten, eine Re gierung einzusetzen. Newyork, 18. Oktober. Die in den Vereinigten Staa ten ansässigen chinesischen Anhänger der Revolution ver anstalteten eine Kundgebung, in der sie die Fortschritte der Revolution feierten. Der Führer der Revolutionäre, Sun Daffen, erklärte, daß die neue chinesische Republik ein moderner Staat sein werde, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Itimmlingsbilder nus dem Reichstage. Sitzung vom 17. Oktober. Mancher Abgeordneter mag heute etwas nachdenklich das Vestibül des Reichstages betreten haben, in dem Gedanken, daß es vielleicht das letzte Mal ist, daß er die geweihten Hallen zum Beginne einer Tagung betritt. Aber drinnen im Sitzungssaal herrscht Wiedersehensfreude, nach der monatelangen Pause begrüßt man sich um so herzlicher, und auch manche Gegner, die nicht selten im Rededuell die Klinge miteinander kreuzen, schütteln sich freundschaftlich die Hände. Ziemlich viele Mitglieder hatten sich zur ersten Sitzung eingefunden, was wohl weniger den auf der Tagesordnung stehenden Punkten galt, sondern "vielmehr seinen Grund darin hatte, daß wichtige Fraktionsberatungen für heute angesagt waren. Man beschäftigte sich heute mit einer ganzen Reihe von Petitionen, mit denen man im großen und ganzen kur zen Prozeß machte, und die Beschlüsse der Kommission annahm, ohne sich in allzulangen Debatten einzulassen. Dem Kommissions beschlusse folgte man indessen in der Schriftstage, die in den letzten Monaten vor der Vertagung ziemlich viel Staub aufgewirbelt hatte, nicht. Aus wissenschaftlichen Kreisen war die Bevorzugung der latarmschen Schrift im Unterricht gefordert worden und die Kommission hatte die Petition befürwortet. Infolge energischer Agitation der Gegner trat aber ein Umschwung in der Stimmung ein und die Petition wanderte m den Papierkorb Bon bemer- kenswerteren Petitionen seien erwähnt die Forderung, den Mittel stand gegen die Boykottbewegung zu schützen. Ferner erörterte man die Errichtung paritätischer Arbeitsnachweise und eine Eingabe betreffs Schaffung eines Hüttenarbeiter-Schutzgesetzes. Das Wort hierbei führten christliche und sozialistische Arbeitersekretäre. Sehr zeitig machte man heute Schluß, nicht viel über 2 Stunden hatte die Sitzung gedauert. Morgen dürfte es etwas später werden, man hat sämtliche vorliegenden Interpellationen auf die Tages- Ordnung gesetzt, auch die über Marokko, obwohl man weiß, daß deren Erörterung bis zum Abschluß der Verhandlungen vertagt wird. Als erste dürfte daher die sozialistische Anfrage wegen der Lebensmittelieuerung herankommen. Sitzung vom 18. Oktober. „Wie der Sternechor um die Sonne sich stellt" auf der Bun desratsempore die leitenden Staatsmänner, an erster Stelle der Reichskanzler in eigener Person, die lange schlanke Figur m den dunkelgrauen Gerock gehüllt, neben ihm der wohlbeleibte Leiter des Auswärtigen Amtes, die Staatssekretäre Delbrück, Wermuth usw. Es sah fast so aus, als ob es ein großer Tag werden sollte, zumal auch das Haus leidlich gefüllt war. Auf der Tagesordnung stand ja die Interpellation über die Marokkofrage und hie und da be stand noch immer die Hoffnung, daß es trotz des Briefes des Reichs- kanzlcrs zu einer großen Debatte kommen würde. Aber hieraus wurde nichts. Der Reichskanzler beschränkte sich im wesentlichen auf Wiedergabe seines Erfolgs im Seniorenkonvent und unterstrich den Passus, daß es unbedingt zu einer Aussprache über die Vor gänge auf dem Gebiete der Weltpolitik kommen werde. Schließlich sagte er noch die Beantwortung der Teuerungsinterpellation für Montag zu. Sprachs, klappte seine Mappe zu und ging von dan nen. Im Hause unterhielt man sich dann auf Grund einer sozi aldemokratischen Interpellation über die Handhabung des Vereins rechtes. Genosse Albrecht begründete diese ausführlich, indem er auf die Maßnahme einer zweiten Reihe von Unterbehöroe einging und namentlich die Polizei in Sachsen und Mecklenburg verknüpfte. Staatssekretär Delbrück erklärte in seiner Erwiderung, daß die Reichsregierung in der Angelegenheit kaum etwas anderes tun könne, als sich mit den Behörden der einzelnen Staaten über die Grundzüge ins Einvernehmen zu setzen. Dies sei geschehen und damit habe er seine Pflicht erfüllt. Auf die zahlreichen vom Vor redner angeführten Einzelfälle einzugehen unterließ der Staatssek retär. Er erörterte nur einige Grundsätze, namtlich die Ueberwach- ung von Versammlungen. Das Reichsgericht habe entschieden, daß die Polizei befugt sei, jede öffentliche Versammlung zu überwachen dagegen geschlossene nicht; freilich gehe es nicht an, die Versamm lung eines Vereins für eine geschlossene zu erachten, wenn man jeden zulasse. Geklärt sei auch nicht die Frage der Polizeistunde. Zumz Schluß sagte der Staatssekretär erneut eine genaue Hand habung des Vereinsgesetzes zu. Man trat alsdann in die Debatte in der Herr Gröber vom Zentrum die Unklarheit verschiedener Be stimmungen hervorhob und der Nationalliberale Junck betonte, daß das Vereinsgesetz sich im allgemeinen bewährt habe, daß man aber gegen eine mißbräuchliche Auffassung Stellung nehmen müsse. Nachdem noch der Konservative Herr von Putlitz die Behörden in Schutz genommen, Pan Korfantiy die üblichen polnischen Be- fchwerden vorgebracht, kam Herr Dellbrück noch einmal, wobei er indessen wenig neues sagte und seine ersten Darlegungen ein we nig ergänzte. Nach kurzen Darlegungen des elsässischen Reichspar teilers Hoeffel, der die Bewährung des Gesetzes auch hinsichtlich des Sprachenparapraphen anerkannt hatte, wurde die Weiterbe- ratung auf Donnerstag vertagt. Evtl- soll dann noch das Pen sionsversicherungsgesetz begonnen werdens Woher kommt die Straußenfeder? Wenn unsere Damen sich mit den wallenden, wunderbar schönen Federn des Straußes schmücken, denkt wohl selten eine daran, welche Arbeit geleistet werden muß, ehe die Straußenfedern in dieser edlen Form, in ihrem blendenden Weiß oder brillanten Schwarz auf den Hut kommen kann. Am liebsten denkt sie sich wohl einen Araber, vielleicht einen dunkeläugigen, schönen Scheck, wie er auf edlem Roß, mit wehendem Mantel hinter dem Strauße Herjagd, um ihm die Federn zu nehmen. In Wirklichkeit wird der Strauß heute auf Straußenfarmen in Herden von Hunderten und tausenden gezüchtet. Mit 4 Jahren ist der männliche Strauß völlig ausgewachsen, der weibliche bereits mit 3 Jahren. Das Weibchen kann in einem Monat 12—16 Eier legen. Jedes Ei ist 1,40 Kilogramm schwer und kann 3 hungrige Personen vollauf sättigen. Die ersten Federn — die, nebenbei be merkt, nicht ausgerisfen, sondern abgeschnitten werden, was für den Strauß völlig schmerzlos ist, — die ersten Federn liefert der Strauß mit 6V- Monaten, dann werden die Schwanz- und Flügelfedern alle 8 Monate geschnitten. — Die rohe Straußfeder wird nun gründlich gewaschen, dabei geht sie durch sinnreich konstruierte Ap parate, bis „kein Fleckchen mehr" an ihr ist. Dann wird sie ge bleicht und gefärbt. Weiße Straußfedern sind immer etwas seltener und darum etwas teuerer. — Schon die Frauen des Altertums wußten die edle Straußfeder zu schätzen, so die schöne Kleopatra. Als den „Maler der Straußfedern" könnte man mit Recht Gains borough bezeichnen, der all die pikanten Frauenköpfe, die er malte, mit dem breiten, nach ihm benannten Gainsborough-Hut schmückte, von dem stets eine wallende Straußfeder in entzückender Anmur herabfällt. — Und in der Tat! Ein schönerer Schmuck für Frauen jeden Alters ist nicht zu finden, als die Straußfeder, die selbst ern sten, Frauenzügen etwas Weiches und Mildes gibt. — Dabei ist die Straußfeder heute nicht einmal mehr Luxusartikel, denn das Welthaus in Straußfedern Hermann Hesse, Dresden, Scheffelstr., bringt aus seinem Riesenlager echte Straußfedern schon von 1 M bis 200 M zum Versand, und der Umstand, daß selbst Fürstlich keiten bei diesem renommierten Spezialhaus kaufen und über die Schönheit und Preiswürdigkeit der Hesse'schen Federn lobende An erkennungsschreiben sandten, dürste Ihnen ein Fingerzeig sein, wo Sie die echten Federn vorteilhaft kaufen. Auf keinen Fall aber versäumen Sie zum Jahrmarkt den Besuch dieses Welthauses. --- Literatur. — Freudige Anerkennung und lebhafte Zustimmung zu ihrem zeitgemäßen Programm Hst die seit 1. Oktober dss. IS. erscheinende Halbmonatsschrift „Die Jugend- welt" (Verlag Paul Welzel, Lockwitz-Dresden), die unter neuen Gesichtspunkten geleitet wird, gefunden. Auch die erwachsene Jugend, die zwischen dem 14. und 20. Lebens jahre stehende, soll ihre Zeitung, muß sie haben; denn die segensreiche Bewegung unserer Tage, die mehr als bisher für und mit der Jugend arbeiten will, wird ge rade die Presse, die Mithilfe der Druckerschwärze nicht ent- behren können. Die Alten und die Jungen sollen küns- tig mehr zueinanderhalten, sollen sich die Hände reichen und zu Nutz und Frommen beider Teile gute Freund schaft 'chließen. Damit nun die selbstlosen, aufrichtigen Jugendfreunde ein vermittelndes Band umschlinge und gleichzeitig der Jugend eine regelmäßige gute Lektüre mit modernem Geiste und alten, unvergänglichen Idealen ge boten werde, erscheint „Dir Jugendwelt". Aus dem rei- chen, illustrierten Inhalte d-r ersten beiden Nummern (je 16 Quartseiten mit besonderem Umschlag) sei hervorge hoben: Zum Geleit. — WaS ist das Vaterland? (von Max Bewer.) — Vom Weltgeschehen. — Ist es eine Lust, jetzt jung zu sein? — Große Ueberlieferungen. — Ueber Spielkurse. — Wir Frauen und Mädchen. — Theaterspie- len. — Musenhalle. — Sportleben. — Wissen bringt Eyre. — Hammerschmieds Käthe, Roman von E. Petzold. — Gesundheitliches. — Thomas Alwa Edison. — Ueber den Mangel an Zeit zum „Spazierengehen". — Ein Ge- ländespiel. — Wie man sein Gedächtnis stärkt. — Häus liche Werkstatt. — Stellenvermittelung, — Briese aus dem Leserkreise. — Rätsel. — „Die Jugendwelt" ist zum Preise von nur 60 Pfg. vierteljährlich durch die Post oder durch jede" Buchhandlung zu beziehen. Probenum mern versendet der Verlag gern gratis und portofrei.