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ImlimM Anzeiger und Tageblatt. «mt-blatt de« Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtSämter und der Stadträthe zu Freiberg «. Braud. ^291. Erscheint t. Freiberg jed. W och ent. Ab, 6 U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. I l U. fm nächste Nr. angen. Freitag, den 15. December Preis vterteljahrl. 20 Ngr, Inserat« werden di« gespalten« Zeil« od«i derm Raum mit 8 Pf. ber«chn«t> 1871. -t- Freiberg, den 14. December. Als im Hochsommer sich die Nationalversammlung in Ver sailles vertagte, entließ sie der Präsident der Republik mit der Auf forderung, sich im Lande umzusehen und zu erforschen, welche Re- gierungSform die Franzosen sich wünschen. Die GeneralrathS- wahlen, die dafür wohl einen Maßstab geben konnten, fielen über wiegend gemäßigt republikanisch und nichts weniger als royalistisch aus. Gleichwohl ist die Nationalversammlung am 4. December wieder zusammengetreten, sichtlich aufgelegt, mit ihrer royalistischen Mehrheit Frankreich eine eben solche Regierungsform auszudringen, oder doch mindestens Herrn ThierS vollständig ins Schlepptau zu nehmen. Sie hat die Bureaux durchweg aus ihren Männern ge bildet und das heißt, daß nur der Mehrheit genehme Anträge aus Erfolg rechnen können, wie ja schon die Abstimmung über mehrere Dringlichkeitsanträge bewiesen hat. Sie forderten ferner als erstes Zugeständniß von ThierS, daß das höhere Beamtenpersonal in ihrem Sinne gesäubert und ersetzt werde, daß die Prinzen von Orleans ihr? Deputirtenplätze einnehmen und wird als eins der ersten Ge setze die Rückerstattung der Orleans'schen Güter beschließen. So kommt also die Nationalversammlung nur wieder zusammen, um offen oder im geheimen Krieg mit der jetzigen Regierung zu spielen und nach oben durch Vollstreckung der TodeSurtyeile für politische Verbrecher glorreich besiegelter Reaction gewaltsam oder überrum pelnd eine neue Revolution auSzuführen, die den Parteikampf auf allen Seiten zu neuen Leidenschaften entflammen muß. Das ist eS, was das Franzosenthum in dieser Repräsentation nach Allem, waS Frankreich erlitten, dem Lande für heilsam hält — eine Roheit der Selbstsucht wird hier offenbart, welche nicht schnell genug gegen das eigene Fleisch und Blut wieder wllthen zu müssen glaubt. Und Herr ThierS, dieses kokette, eitle, selbstgefällige, thaten- schwache Männchen der bloßen Phrase, dem sich wegen absoluten Mangels irgend etwas Besseren diese Nation in die Arme werfen mußte — Herr ThierS empfängt seine „Herren" in Versailles mit einer Botschaft, die vier Stunden währt und nach deren Anhören Jedermann sich sagen könnte, eS lebe sich schon wieder wie Gott in Frankreich, denn die ganze schreckliche Kriegsgeschichte habe keine Spuren weiter hinterlassen, als 600 Millionen jährliche Steuern mehr, von denen aber nur noch die Kleinigkeit von 250 Millionen durch neue Steuern zu decken sei. Im virtuosen Aufputz sittlicher Weihe und WahrheitSbetheuerung gab eS nie eine größere Frivo lität als diese ThierS'sche Selbstbelobigung seiner kaum dreimonat lichen Alleinregierung. Binnen einem Vierteljahre hat dieser Wun dermann schon fast alle Wunden Frankreichs geschlossen, den schwer geschlagenen National-Wohlstand gehoben, eine prächtige Armee aus dieser total demoralisirteo gemacht, Frankreich schon wieder groß und herrlich im Auslande hinzestellt und alle Welt damit beglückt, haß eS so edel sein will, Frieden zu halten. ES ist wahrhaftig zum Lachen, wenn man steht, wie ernsthaft diese eitle, in Selbst verblendung fich gefallende Nation dies Buch des neuen Samuel anhört und wie gierig eS sich in diesen dicken Lügen berauscht. Dabei hat dieser Mann an der Spitze des tiefzerrütteten Reichs picht-, absolut gar nicht- ReformatorischeS.gethan, Er webt mit schönen Worten eine bunte Decke über da- verdorbene Frankreich und zeigt eS seinen Franzen, die fich kindisch darüber freuen, daß sie ThierS mit dieser Täuschung die „große Nation" bleiben läßt. Welch ein patriotischer Gaukler! Welch eine armselige Nation, immer noch bereit, für ihre Einbildungen gelegentlich Hekatomben deS eigenen Volke- hinzuopfern! LageSgeschichte. Berlin, 13. December. Der Reichskanzler hat sämmtlichen deutschen Missionen in Europa ein Circular zugesandt, dessen An fang also lautet: „Nachdem die französische Regierung die im Jahre 1866 getroffene Uebereinkunft wegen wechselseitiger Ab schaffung der Visagebühren durch die am 15. April cr. erfolgte allgemeine Wiedereinführung dieser Gebühren beseitigt und die seit her bestandene Unentgeltlichkeit der PaßvisaS zwischen Frankreich und Preußen resp. Deutschland, aufgehoben hat, ist auch diesseits die Wiedereinführung einer Bisagebühr für die Pässe französischer Staatsangehörigen beschlossen worden. Deshalb sind die EhesS der Missionen ersucht worden, von den Pässen, welche ihnen Seiten französischer Staatsangehörigen - zur Viflrung vorgelegt werden, „bis auf Weiteres eine Gebühr von 10 FrcS. zu erheben", wobei der Reichskanzler bemerkt, daß nach H. 2 deS Gesetzes vom 12. Oct. 1867 über das Paßwesen eine Verpflichtung für Franzosen, zum Eintritt in die Staaten des deutschen Reiches eia deutsches Visa ciozuholen, nicht besteht. Die Consulate sollen, dem Vorstehenden gemäß, gleichfalls mit Anweisung versehen werden. Gleichzeitig hat der Reichskanzler den Bundesregierungen eine entsprechende Mittheilung zugehen kaffen, auch den preußischen Minister» de» Innern und der Finanzen besondere Abschrift jenes Circular« ertheilt. — AuS Nancy, dem Hauptquartier der deutschen Occupatio»«- Armee in Frankreich, wurde bekanntlich jüngst gemeldet, daß im ganzen Umkreise des OccupationSrayonS in Frankreich der Belage rungszustand proclamirt sei und Verbrechen gegen deutsche Soldaten durch deutsche Militärgerichte abgeurtheilt werden. AuS zuverläs siger Quelle kann jetzt die „N. Pr. Z." hierzu mittheilen, daß der Belagerungszustand allerdings proclamirt ist und Verbrechen gegen deutsche Soldaten durch deutsche Militärgerichte abgeurtheilt werden, aber nicht etwa seit den ersten Tagen diese- Monats. Die occu« pirten Departements von Frankreich befinden sich vielmehr seit dem Kriege ununterbrochen im Belagerungszustände und alle Verbrechen gegen deutsche Soldaten find im ganzen OccupationSrayon seit Jahr und Tag durch die deutschen Militärgerichte abgeurtheilt worden, vorausgesetzt natürlich, daß e- gelang, die Thäter innerhalb dc» OccupationsgebieteS zu ergreifen. LS reducirt sich sonach die obige Mittheilung auf die Wiederveröffentlichung eine- SicherungS- zustandeS, der, wie allgemein bekannt ist, in occupirten Gebiete« au« selbstverständlichen NothwendigkeitSgründeu stets herrscht und herrschen muß. — Fürst BiSmarck hat, wie mehreren Blättern auS Pari gemeldet wird, durch den Gesandten in Versailles ThierS wegen der friedlichen Sprache der Botschaft beglückwünscht und seine per sönliche Befriedigung über die Stelle betreffs deS Morde- de« deutschen Soldaten aussprechen lasten. — Zwei Unteroffiziere deS zu Gotha in Garnison stehenden Bataillons wurden dieser Tage nach erfolgter Degradation zur Verbüßung einer vierteljährigen FestungSstrase nach Erfurt abge« führt. Dieselben hatten vor einigen Wochen ihre ihnen unterge ordnete Mannschaft mitten in der Nacht — während die „Herren Vorgesetzten" mit der Pfeift im Mache im Vette ^«n — M