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2180 Gesetz zur Verwendung der disponibel gewordenen 30 Millionen Thaler deS Staatsschatzes für Eisenbahnzwecke handelt. — Die Officiösen schreiben: Mit Rücksicht aus die günstige Lage der Finanzen hat die Regierung eS für angemessen erachtet, schon gegenwärtig, also unabhängig von der Revision der allgemeinen Stempelgesetzgebung, die Frage weaen Aushebung der Zeitungs steuer und Kalendersteuer in Erwägung zu nehmen. — Angeblich hat, nach einer Pariser Mittheilung, Benedetti eine Antwort auf die Enthüllungen deS deutschen ReichSanzeigerS vorbereitet, will dieselbe jedock nur mit Genehmigung LouiS Napo leons veröffentlichen. Hoffentlich bleibt letzt»re nicht^aus. damit Fürst BiSmarck gezwungen wird, wieder Einiges auS dem geheimen Archiv ves Hrn. Rauher zum Besten zu geben. AuS Kassel schreibt man der „AugSb. Allg. Ztg": In gewissen Kreisen wird jetzt viel von einer Angelegenheit gesprochen, welche demnächst zu einem Prozesse führen und dadurch Gegenstand von allgemeinem Interesse werden wird. Das Haus Hessen-Kassel be sitzt seit mehreren Jahrhunderten ein großes Privatvermögen, welches nach hessischen Hausgesetzen unter dem Namen HauS- Fideicommiß-Vermögen unveräußerlich dem jedesmaligen regierenden Herrn zum Zweck der Nufrechthaltunq der hochfürstlichen Würde zur ausschließlichen Nutznießung überlassen war. Dieses Vermögen hat die preußische Regierung zur „Uebcrwachung und Abwehr der gegen Preußen gerichteten Unternehmungen deS Kurfürsten und seiner Agenten" durch ein förmliches Gesetz vom 15. Februar 1869 mit Beschlag belegt und unter eiaene Verwaltung genommen, nach dem sich der am 17. Septbr. 1866 mit dem Kurfürsten zu Stettin abgeschlossene Vertrag über theilweise Abtretung und Belassung jener Nutzungsrechte als ungenügend erwiesen hatte. Dieses Ver mögen. Vesten jährlicher Revenüen-Ertrag im geringsten Anschlag 350 000 Thlr. ausgemacht, gehört jedoch nickt dem Kurfürsten, sondern dem gejammten Hause Hessen-Kassel mit seinen Nebenlinien und allen seinen Agnaten, und weder der Kurfürst selbst noch einer dieser Agnaten konnte einseitig darüber verfügen. Kurfürst Fried rick Wilhelm batte nur als Regent von Hessen die Nutznießung jene« Vermögens; er wurde im Juni 1866 depossedirt, und konnte mithin als Privatmann zur Zeit des im September 1866 abge schlossenen Stettiner Vertrages über jenes Vermögen nickt weiter recktSgiltig disponiren, als die ihm bei der Vermögenstheilung zufallende Quote ausgemacht haben würde. In gleicher Folge konnte aber auch jenes Gesetz vom 15. Februar 1869 einen weiteren Umfang nickt in sich fassen, ohne das Privateigentbum unbe- theiligter Dritter zu verletzen, denn das Gesetz fand seine Recht fertigung nur in dem selbstgewählten Ausdruck: „zur Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen gerichteten Unternehmungen des Kurfürsten und seiner Agenten", und nicht etwa seiner Agnaten, denn diese waren ja ohnehin bei der ganzen Action von 1866 voll ständig untbätig, und haben niemals etwas gegen Preußen unter nommen. Da, dem Vernehmen nach, die Forderungen der hessischen Agnaten auf Herausgabe der nicht dem depossedirten Kurfürsten ge hörigen Antbeile jenes PrivathauSvermögenS von der preußischen Regierung bisher nickt beachtet oder nicht gehörig gewürdigt wor den sind, so werden diese Agnaten jetzt den Rechtsweg betreten. Karlsruhe, 15. November. Der badensche Landtag ist auf den 20. d. einberufen. Robert v. Mohl ist wieder zum Präsidenten der ersten Kammer ernannt worden. Wien. 16. Nov. Graf Beust empfing heute das Präsidium der Handelskammer, er erwiderte auf dessen Ansprache, man dürfe bezüglich der auswärtigen Politik aus die Erhaltung des Friedens vertrauen. DaS Reich sei vor äußeren Ueberraschungen gesichert. Bezüglich der inner« Politik betonte Beust, die dem österreichischen Volke innewohnende Elasticität und Frische seien eine zuverlässige Gewähr, daß es die inneren Schwierigkeiten glücklich überstehen werde. — In Wien ist eine Versammlung sämmtlicher ReichSraths- mitglieder Galiziens bevorstehend. Prag, 14. Novbr. Der czechiscke CleruS wird öffentlich auf gefordert, in dieser ernsten Zeit nach dem NackmittagsgotteSdienst zum heiligen Wenzel zu beten und nach dem Sezen das Wenzels lied zu singen. — 16. November. Dem Vernehmen nack ist die Aus schreibung directer NeickSrathSwahlen durch ein roch vom Minister v. Holzgethan contrasignirteS kaiserliches Patent angeordnet. Prsth, 16. November. UnterhauSsitzung. Die Antrittsrede LonhahS bezeichnet die Ausgleichsgesetze als den Boden, woraus das Ministerium siebt und heilsame Reformen weiter entwickeln werde; er bittet deshalb um da- Vertrauen einer starken und einigen Majorität deS Hauses. Paris, 13. November. Die Eonopartisten lassen gegenwärtig folgende Petition in Paris eireuliren: Herr Präsident! Herren De- putirte! Die unterzeichneten Bürger, Wähler von Paris, Fabri kanten und Kaufleute, welche verschiedenen politischen Meinungen angehören, die aber alle in der Achtung vor der nationalen Sou« veränetät vereint sind; in Erwägung, daß nach den unerhörten Un« glückslällen, welche Frankreich erduldet hat, dasselbe das dringendste Bedürsniß fühlt die Rube auf der Straße, die Sicherheit in den Geschäften zu haben; daß es durch den Handel, die Industrie, die Arbeit unter allen Formen allein dahin gelangen kann, seine Ruine« wieder gut zu macken und seinen Credit wieder herzustellen; in Er wägung, daß die Unbeständigkeit in den Institutionen, daS Provi sorium in der Regierung ein unübersteiglickeS Hinderniß für Vie Wiederaufnahme der Geschäfte, für alle finanziellen, industrielle« und commerciellen Operationen bilden — bitten acktungSvoll die Nationalversammlung, so schnell als möglich auf unangreifbaren Grundvesten eine Regierung zu gründen, das französische Volk zu berufen, um sich durch ein Plebiscit über die Frage auszusprechen, ob es annehmen will: die Republik oder die Monarchie. Die Stimmzettel werden den Namen deS zum Präsidenten gewählten Bürgers oder den des gewählten Souveräns tragen. Die Unter zeichneten wagen zu hoffen, daß der Patriotismus der Volksvertre ter sie veranlassen wird, ihre achtungsvollen Bemerkungen in Er wägung zu ziehen. — Im PalaiS Elhsöe, wo LouiS Napoleon bekanntlich als Präsident der Republik wohnte, werden gegenwärtig größere Ar beiten vorgenommen, da Tbiers dort wohnen will, wenn die Regie rung nach Paris zurückverlegt wird. — Die Zahl der Blumen sträuße, welche bei Gelegenheit deS Namenstages der Exkaiserin nach Madrid, wo sich sich dieselbe befindet, und nach Chiselhurst, wo der Exkaiser residirt, abgegangen sind, ist sehr bedeutend. Nach Chiselhurst hat sich eine Deputation von 20 Personen, darunter 3 Frauen, begeben, um dem Exkaiser ein Album zu überreichen, das 23 500 Unterschriften enthält, welche man unter der kleinen Bour geoisie und in den Werkstätten gesammelt hat. Das Album ent hält folgende Worte: Madame! Geruhen Sie, Ihren ergebenen Dienern und sehr getreuen Unterthanen zu gestatten, bei Gelegen heit des Festes von St. Eugens, der Schutzheiligen ihrer huldvollen Souveränin, zu kommen und zu den Füßen Ew. Maj. die achtungs volle Huldigung einer unveränderlichen Treue und Ergebenheit darzubringen. Einfache Blumen, sprecht für unS; Boten der Hoff nung, tragt in das Erst zu Derjenigen, welche wir beweinen, unser ganzes Herz für Vie Gegenwart und unseren ganzen Glauben an die Zukunft. Es lebe die Kaiserin! ES lebe der Kaiser! Es lebe der kaiserliche Prinz! — Außer diesem gemeinschaftlichen Album uud den Blumen, die mit ihm abqesandt wurden (sie sollen einen Werth von 200,000 Francs haben), hat noch eine gewisse Anzahl von Beamten, Militärs, Kaufleuten und Künstlern Blumen nach Madrid und Chiselhurst abgesandt. Nach Madrid gingen auch Deputationen ab. In mehreren hiesigen Kirchen finden Morgen Messen zu Ehren der Exkaiserin statt. Wie man hört, soll die Regierung nicht einschreiten und die Leute ruhig gewähren lassen wollen. Rom, 15. November. Prinzessin Margarethe wird beute, Prinz Humbert, der sich zum Könige nach Florenz begeben hatte, Sonnabend hier erwartet. Graf Harcourt empfängt heute den Be such der am päpstlichen Hofe beglaubigten Gesandten. Der Papst hat, wie die „Italic" berichtet, daS für heute bestimmte Conststorium auf den 25. November vertagt, weil noch nicht alle zu präconi- sirenden Bischöfe aus die päpstlichen Anerbietungen geantwortet haben. Dachsen. — Nus einer im „Dr. I." enthaltenen Tabelle geht hervor, daß sich bei den jüngsten Landtagswahlen im Durchschnitt nicht volle 25H (gegenüber 38H im Jahre 1869) der Wahlberechtigten bethei- ligt haben. — In der industriellen Welt begegnet man noch sehr häufig der Ansicht, mit dem Hastpflichtgesetze und dessen Wirkungen sei eS durchaus nicht so gefährlich, und die gefürchtete Verschärfung der Haftpflicht werde sich als sehr harmlos erweisen. Dem gegenüber dürste aber aufs Dringendste hervorzuheben sein, daß alle Juristen entgegengesetzter Ansicht sind, das Gesetz, so sagen sie, ist zu dem Zwecke gegeben, den Arbeitern einen größeren Schutz zu gewähren, und muß also auch in diesem Sinne ausgelegt werden. Ein dieser Tage erschienenes Schriskchen des ReichStagS-MitgliedeS l)r. Ende mann. Professors und Ober-AppellationSgcrichtS-Raths zu Jena, über „die Haftpflicht der Eisenbahnen, Bergwerke rc.," dessen Lectüre allen Interessenten anzuempfehlen wäre, stellt sich ganz auf den gleichen Standpunkt; eS beweist nach Wortlaut und Motiven, daß die Bestimmungen des Gesetze- in Wirklichkeit weit schärfere und