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und T agebla t t. Amtsblatt de« Kgl. Bezirksgericht« zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. A256. Erscheint i. Freiberg jed. Wochent, Ab. SU. finden and. Tag. Ins«, werden bi» V. 11 U. für nächste Nr. angen. Freitag, den 3. November Pat« vterteljährl.20 Ngr, Inserate nxrden die gespaltene Zeil» oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1871. 4- Freiberg, den 2. November. Eroberungskriege haben für die heutige Bildung etwas sittlich Beleidigendes. Die Auffassung deS Staates als nationale und stammeSgleiche Familie lehnt sich gegen die gewaltsame Einver leibung fremdartiger Elemente auf und die öffentliche Moral ver wirft eS, daß über das LooS von Völkertheilen durch die Macht eines Siegers entschieden werde, als seien sie in Hinsicht der An gelegenheiten ihres Vaterlandes willenlose Sclaven. Kein Deutscher von Einsicht und Nationalgcfühl wird aber in diesem Sinne Elsaß-Lothringen eine Eroberung nennen können. ES ist eben so wenig eine solche, wie die Wegnahme Schleswig- Holstein- vier Jahre zuvor. Da die Schleswig-Holsteiner Deutsche waren und sein wollten, so wurden sie nur zurückgenommen. Ob wohl die Elsaß-Lothringer größtentheilS nicht mehr als Deutsche gelten und nicht von Frankreich wieder getrennt sein wollten, so ist doch immerhin notorisch, daß sie deutschen Stammes sind, daß sie durch Gewalt ohne Recht Deutschland entrissen, ihm im Lauf der Zeit entfremdet wurden und damit die germanische Völkerfamtlie nicht des sittlichen Rechtes verlustig gehen konnte, welches sie über ein Mitglied von sich besitzt. Dieses Recht wurde vollends wieder durch den Angriffskrieg Frankreichs belebt, der denn doch in aller Form nur auf neue Eroberung und Vergewaltigung deutscher Staatsgebiete ausging. Genug, in keiner Weise ist der Rückerwerb Elsaß-Lothriugens mit einer Eroberung vergleichbar. Aber in den Augen der dortigen Bevölkerung gelten wir nun einmal und auf eine Generation hinaus als Eroberer. Wir können ihnen diesen Vorwurf verzeihen, da daS schwache Deutschland weit über ein Jahrhundert lang sich seines natürlichen Rechts auf das entrissene Land begeben hatte. Wir müssen hoffen, daß nach und nach die Stimmen der Natur bei diesem Volksstamme sich geltend machen und er sich wieder zusammengehörig mit der Nation fühlen wird, der er doch durch seinen Ursprung, seine Geschichte bis vor 260 Jahren und selbst bis heute noch durch seine Sprache und Sitten angehört hat. Dies Verhältniß legt Deutschland, den „Eroberten" gegenüber, ganz besondere Schwierigkeiten auf. Wir haben eS mit einem ver lorenen Sohn zu thun, der durch Liebe zur Pflicht zurückgebracht werden muß. ES liegt in der Natur der Sache, daß hier Ernst nicht mit Strenge verwechselt werden darf und die Nachsicht sogar das Kind verwöhnen wird. 3m Grunde ist Deutschland in der Situation, als habe eS ein insurgirteS Land zu pacificiren. Bisher kann Alles, waS seit dem Friedensschlüsse zu diesem Zwecke geschehen ist, nur in hohem Grade anerkannt werden. Elsaß- Lothringen ist keinem Staate einverleibt worden , doch gehört eS jetzt als ein selbstständiges Land dem deutschen Reiche an. Keine Steuerlasten von Alters her dtücken die Einwohner; was sie an Steuern bezahlen, wird nur in ihrem Interesse verwandt; sie find darin bevorzugter, als irgend eine andere Provinz Deutschlands. So weit es möglich, verwischt das Reich die Spuren des Krieges mit Eifer. Ein sorgsam ausgewählter Beamten- und Richterstand hat die neue Organisation de» Lande- in die Hand genommen; die Gemeinden haben ihre selbstgewählten Vertretungen und Vorsteher erhalten und uichtS als daS Gesetz, ein mildes, versöhnliches, wohl- thuendeS Gesetz herrscht im Lande. Die große Industrie der Fabriken, von jeher auf Frankreich verwiesen, ist durch die Zoll convention mit diesem Lande behaglich in den Stand gesetzt wor den, alle Bortheile früherer Verbindung noch bis 1873 auszunutzen und sich bis dahin nach den neuen Verhältnissen zu Deutschland einzurichten. Dies Alles würde freilich Unrecht nicht im Recht, die Eroberung nicht in populäre Zugehörigkeit wandeln können, wenn nicht „Un recht" wie „Eroberung" dem neuen Reichslande gegenüber völlig hinfällige Begriffe wären. Waö die Elsaß-Lothringer heut noch nicht wahr haben wollen, wird ihnen aber vielleicht früher geläufig werden, als sie glauben, nämlich: daß sie wieder Deutsche find und als solche sich fühlen. LageLgeschichte. Berlin, 1. November. Die „Prov.-Corr." sagt: Roch im' Laufe dieser Woche wird dem Reichstage voraussichtlich die Vor lage bezüglich der Münzreform zugeben. Man darf annehmen, daß die Session des Reichstags nicht über die dritte Woche deS Mo nats November dauert und noch im Laufe dieses MonatS der preu ßische Landtag einberufen werden kann, um den Staatshaushalt für 1872 möglichst vor Ablauf des JahreS festzustellen. — Prinz Adalbert, Admiral und Generalinspecteur der kaiser lichen Marine, beging am 29. Oktober d. I. sein fünfzigjährige- Militärdienstjubiläum. Der Kaiser und König begaben sich um 12 Uhr in das Palais Sr. königl. Hoheit zur Beglückwünschung, wo zu gleichem Zwecke sich die sämmtlichen hier anwesenden Mit glieder der königlichen Familie eingefunden hatten. Der Kaiser hat dem Jubilar zu dem hohen militärischen Festtage einen goldenen Marinesäbel verehrt mit echt goldenem Griff und Scheidebeschlägen. Derselbe trägt auf der einen Sette der DamaScenerklinge die Wid- mungSinschrift: „Wilhelm I. dem Prinzen Adalbert zum fünfzig jährigen Dienstjubiläum", auf der andern die Namen der Schlach ten und Gefechte, welchen derselbe beigewohnt. — Außer der stärkeren Bewehrung und Befestigung der Waffenplätze Metz, Straßburg und Mainz soll an die Vollendung und Anlage der zur Vertheidigung und zur Offensive nothwendigen Eisenbahnen gegangen werden. — Nachdem die bayrische Postverwaltung die Einführung der Postmandate in Bayern verfügt hat, finden die Postmandate vom 1. November ab in ganz Deutschland unter gleichmäßigen Be dingungen Anwendung. Köln. 31. October. Die „K. Ztg." berichtet von einem neuen Strike. Heute Vormittag haben auch die in der Wagenwerkstätte der Köln-Mindner Eisenbahngefellschaft im Deutzerfeld beschäftigten Arbeiter ihre Thätigkeit eingestellt. Aus Mecklenburg wird gemeldet, daß die Auswanderung noch immer im großen Maßstabe fortdauert. München, 30. October. Der Erzbischof von München hat zwei Pfarrer excommunicirt. Vorgestern erschien derselbe in Tun tenhausen persönlich und excommunicirte den Pfarrer Hosemann, weil derselbe sich den Beschlüssen des vaticanischen ConcilS nicht unterworfen. Gestern Vormittag wurde die Excommunication über Pfarrer Anton Bernard von Kiefersfelden vom Erzbischof in der Ottokapelle vollzogen. Ein darauf folgender öffentlicher Protest des Pfarrers wurde von den Versammelten mit großem Beifall ausgenommen. Der Erzbischof entfernte sich, nachdem er die —