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und Tageblatt. Amtsblatt drS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^?246. Erscheint i. Freiberg jed. Wochent, Ab. 6 U. für bm and. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Sonnabend, den 2l. October Preil vterielsährl. 20 Ngr, Inserat, werden die gepalten, Zeil, oder derm Raum mit 8 Pf. berechnet. 187L. Freiberg, den 20. October. Die KrisiS in Oesterreich dauert noch fort. Es ist im Auge»' blick ganz außerordentlich schwer, irgend welchen AuSgang derselben Vorhersagen zu wollen; denn wenn der Wirrwarr solchen Höhepunkt erreicht, als jetzt im Nachbarreich, da wissen die Götter kaum, was aus dem Gebräu werden soll. Schon in einem früheren Artikel faßten wir vom möglichst unparteiischen Standpunkte aus den Aus gleich mit den Czechen inS Auge und gaben uns keinen Täuschun gen darüber hin, daß dieser Proceß mit allem Ernst an die Deutsch- Oesterreicher herantreten werde. So ist es nun allerdings gekom men. AuS den Zeitungen in Wien, aus den Debatten und Pro testen des niederösterreichischen Landtags gegen das czechische Me morandum, welches die staatliche Wiederaufrichtung des dem Kaiser von Oesterreich unterstehenden Königreichs Böhmen fordert, hallt ein Schrei der Verzweiflung und Erbitterung. Nicht ohne inniges Mitgefühl kann man die zornbebenden Reden der deutsch-österrei chischen Abgeordneten lesen, welche mit diesem Ausgleich den Zerfall des Reiches gekommen sehen und in einem Aufschrei ihres loyalen Herzens auch ihrerseits mit dem Abfall von der ReichStdee drohen, wenn die Hohenwart'sche Politik nicht vor den entscheidenden That- sachen dieses Ausgleichs mit den Czechen noch vom Kaiser gestürzt wird. Aber darnach steht es, mindestens bis heute, nicht aus. Vor läufig finden noch immer Berathungen in der Wiener Hofburg statt, die sich selbstverständlich der Oeffentlichkeit entziehen. So viel steht fest, eS ist schwer, Kaiser von Oesterreich zu sein. Um der Aufgabe gerecht zu werden, diesen tief zerrütteten Staat wie der zu fester natürlicher Ordnung zu führen, bedürfte eS eines ganz außerordentlichen Genies, und ohne Kämpfe ging eS auch dann noch nicht ab. Der Kaiser soll und muß Etwas thun; aber waS er auch thue, Allen kann er eS nicht recht machen; er ruft immer wieder die Erbitterung des einen oder anderen Stammes hervor. Nachdem bis jetzt die Slaven, vor Allem die Czechen, durch Zurückziehung in den Schmollwinkel die Gesetzgebung und die staat liche Entwickelung des Reichs hemmten, scheint diese Rolle nunmehr den Deutschen zuzusallen. Sie halten sich für verrathen, sie glau ben sich der Verwilderung durch die czechische Reaction preisgegeben und damit Oesterreich an den Abgrund seines Verderbens gerückt zu sehen. Allein unsere deutschen Brüder irren insofern, als Oesterreich längst an diesem Abgrunde liegt und seine ganz natür liche Bewegung nach rückwärts drängt, um dem drohenden Sturze zu entgehen. Drei Jahre lang waren die Deutschen berufen, das Reich zu beruhigen und zu retten. Ihre besten Kräfte ver wandten sie für diese Aufgabe und was war der Erfolg? Sie haben nur die KrisiS einer Krankheit hintanzuhalten gewußt Und das ist kein Mittel zur Genesung. Indem sie nun den Ausgleich weiter arbeiten sehen, wehren sie sich dagegen wie gegen einen Durchbruch der schützenden Deiche durch die Sturmfluth. Diese Abwehr ist wohl naturgemäß, aber sie wird die Sturmfluth nicht beschwichtigen, sondern nur die Deutschen nöthigen, sich auf andere Weise dagegen zu schützen. Sie sehen das Reich auS den Fugen gehen und rufen um Hilfe. Aber sie vergessen, daß sie bisher nur als Klammern für das Reich be nutzt wurden und daß sie ihre Kräfte für alle anderen Stämme bunter Nationalität auf Kosten ihrer eigenen Stärke hergeben mußten, so daß das Deutschthum in Oesterreich, trotz seiner jahr- hundertlangen Herrschaft, nicht nur nicht gewonnen, sondern er schreckend verloren hat. Ist eS daher ein Unglück, wenn das Deutschthum in Oester reich'durch die gegenwärtigen Bedrängungen der unfruchtbare« StaatSverkittung überhoben und so viel als möglich auf sich selbst zurückgesührt wird? Sollten nicht vielmehr die Deutschen, wenn alle übrigen Nationalitäten nach ihrer Kräftigung streben, ehr Gleiches thun? Wenn sie der Verpflichtung überhoben werden, für Czechen und Kroaten die Tünche und den Mörtel m bilden, um so besser für sie. Ihr Oesterreich, wie sie eS sich zu denken ge wöhnt hatten, mögen sie nur immerhin aufgeben. Sie brauchen deck- wegen nicht zu verzweifeln, denn indem sie ihrer Nationalität sich mehr bewußt werden, gelangen sie von selbst zu der Kraft, die ihnen die Ueberlegenheit gegen die anderen Nationalitäten vollauf sichert. Und überdies wissen sie recht gut, wo ihre Heimstätte ist, wenn die Stande des Zerfalls im alten Kaiserreich geschlagen hat. Tagesgeschichte. Berlin, 19. October. In der heutigen Sitzung des Reichs tages wurde zum ersten Präsidenten Simson mit 205 von 212 Stimmen gewählt. Als erster Vicepräsident Fürst Hohenlohe mit 197 von 2l3 Stimmen, als zweiter Viceprästvent v. Weber mit 165 von 196 Stimmen. Abg. Richter bringt folgende von der Fortschrittspartei unterstützte Interpellation ein: Wie viele Mann schaften der Reserve stehen noch bei dem deutschen Heere unter den Fahnen? Wodurch ist die Zurückhaltung der Reservisten zu einem vierten Dienstjahre bei nicht mobilen Cavallerieregimentern gerecht fertigt? In welchem Umfange wird beabsichtigt, während der OccupationSdauer Reservisten bei den Fahnen zu behalten, beziehungs weise die daraus erwachsenden Lasten auszugleichen. — Die vom Fürsten Bismarck und Grafen Arnim einerseits und Poyer-Quertier andererseits am 12. d. geschlossenen Con ventionen über die Räumung weiterer Departements, sowie über die Zollverhältnisse in Elsaß-Lothringen, welche zufolge besonderer Abmachung von einander untrennbar sind, so daß die Wirksamkeit jeder durch die Bestätigung der anderen bedingt ist, haben folgen den Inhalt: Die erstere bestimmt die Räumung der DepartementS AiSne, Aube, Cote d'or, Haute Saüne, Doubs und Jura und die Reduction der OccupationStruppen aus 50,000 Mann binnen 15 Tagen nach erfolgter Ratification. Frankreich zahlt die vierte halbe Milliarde, so wie 150 Millionen Zinsen vom 15. Januar bis zum 1. Mai 1872 in vierzehntägigen Raten. Bei Nichtzahlung wird das geräumte Terrain wieder besetzt. Dasselbe bleibt in Militärischer Beziehung neutral. Frankreich darf daselbst nur eine zur Auf rechterhaltung der Ordnung nölhige Macht halten. Die Ratification erfolgt binnen acht Tagen. Deutschland tritt die Gemeinden Raon leS Seaux, Raon sur Plaine und Jgney ab und theilweise den Gemeindebezirk Avricourt. Der deutsch-französische Vertrag über die Fabrik- und Handelszeichen tritt wieder in Kraft. Die Rati fication erfolgt binnen Monatsfrist. AuS Elbing berichtet die „Danz. Ztg.": Von den drei, sei- tenS des hiesigen Propstes dem Magistrat präsentirten Bewerbern um die erste Stelle an der katholischen St. Nicolaischule hat der bisherige erste Lehrer an der zweiten katholischen Schule, Herr Kusch, die Erklärung abgegeben, daß er an das Dogma von der Unfehlbarkeit deS römischen Papstes nicht glaube und dasselbe daher auch in der Schule nicht lehren werde, und ist derselbe darauf vom Magistrat einstimmig als erster Lehrer an der St. Nicolaischul« gewählt worden. Mainz, 18. October. Die strikenden Arbeiter der hessischen LudwigSbahn, deren Zahl sich bis jetzt etwa auf 1000 belauft, haben eine Lohnerhöhung von 25 Proc. gefordert, wogegen die Verwaltung als äußersten Satz eine Lohnerhöhung von 15 Proc. osserirte. — Von den in den Lederfabriken von Mayer Michel und Dönninger beschäftigten Arbeitern haben etwa 500 die Arbeit eingestellt. Ge stern gegen Abend versuchten dieselben, Diejenigen, welche sich dem Strike nicht angefchlosfen hatten, mit Gewalt an der Tortsitzung der Arbeit zu hindern, infolge defsin die Polizei ÄnfchM, Die« L- ' V,