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1SS2 In Bayreuth befindet sich, wie dem „Nürnh. An;? gemeldet wird, ein Hauptmann des 7. bayerischen Infanterie-Regiments, Schwiegersohn eines kgl. bayerischen Generalmajors, wegen seines „tapferen Verhaltens während deS Gefechts bei Niederbronn" mit dem bayerischen Verdienstkreuze und mit dem eisernen Kreuze be lohnt, zur Zeit wegen deS gemeinen Verbrechen- der fortgesetzten Feigheit wäbrend des Gefechtes bei Niederbronn, der Schlacht bei Sedan und der Belagerung von Paris in Untersuchungshaft und ftebt dcffm Verweisung zur öffentlichen Verhandlung an das Mili- tärbezirksgerickt Nürnberg demnächst in Aussicht. Aus Stuttgart kommt die Kunde von dem Selbstmord eine- württembergiscken Obersten, der daS eiserne Kreuz erster Claffe er halten hatte, iretzdem ober im Verdacht stand, am 2. Dezember bei dem Ausfall der Pariser Besatzung — Feigheit bewiesen zu haben. Er halt- sick gleich beim Beginn deS Kampfes „gedrückt" und nack Hause schaffen lassen. Als ihm kürzlich zu verstehen ge geben wurde, er möge seinen Abschied nehmen, schoß er sich eine Kugel durck den Kopf. Baden-Baden, 14. October. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin hat, in dankbarer Erinnerung an die von Amerika im letzten Kriege bewiesene Theilnabme, für die Abgebrannten von Chicago 1000 Tblr. bewilligt und hiervon dem Berliner Comite telegraphische Mittheilung macken lasten. Wien, 15. October. Die altkatbolische Messe wird heute Vor mittag in der Salvatorkavelle celebrirt werden. Eine Deputation von mehreren hiesigen neukatholischen Casinomitgliedern war, wie die „Pr." erfährt, vorgestern beim Statthalter v. Weber und suchte nockmalS die Sistirung deS bekannten GemeinderatbSbe- scklusseS zu erwirken, erhielt aber die Antwort, die politische Lage sei ohnedem schon ernst genug, die Staatsbehörde wolle daher nicht auch noch einen Conflict mit der Großcommune heraufbeschwören. Ein officiöseS Telegramm aus WitN, 15. October, lautet: „Der Kaiser hat heute die Grafen Beust und Hohenwart empfan gen. Eine Entscheidung über die schwebenden Fragen ist nicht un mittelbar zu erwarten und sind alle in dieser Beziehung circuliren- den Gerüchte zum Mindesten als verfrüht zu betrachten." — Daß die Entscheidung aufgeschoben ist. beweist vielleickt, daß man in hö heren Kreisen stutzig gew orden ist. Ein Correspondent meldet der ,.N. fr. Pr.": Der Kaiser hat beute die Grasen Hohenwart und Beust nackeinander empfangen. Zu einem der Beiden (welcher es war, wurde mir nicht mitgetheilt) sagte er folgende Worte: „Ich will Frieden unter meinen Völkern, daher vor Allem unter meinen Ministern." Wien, 15. October. Die Reichskanzler-Frage ist in ein neues Stadium getreten; Graf Beust hat seine Demission nicht nachge sucht und man vermutbet, daß eS dem Einflüsse des hier anwesen den Kronprinzen von Sachsen gelungen, einen Ausgleich oder doch wenigstens einen Aufschub der Krisis herbeizusühren. Graf Beust dinirte gestern bei Hofe. — 16. October. Die meisten Morgenblätter bringen überein stimmend die Mittheilung, daß heute ein Ministerrath unter Zu- ziehung der Reichsminister und deS Grafen Andrassh stattfinden soll. Agram, 14 October. Heute Nacht fanden hier viele Verhaf tungen wegen deS Ogeliner Ausstandes statt; auch das Parteihaupt, der Abgeordnete vr. Starvoich, wurde eingezogen. Die „TageSpresse" meldet auS Bukarest, 16. October: DaS schiedsrichterliche Urtheil in der Strousberg-Affaire lautet auf An- nuüirung der StrouSberg'schen Concession. Die ObligationSinhaber haben das Recht, sich binnen 30 Tagen als Aktiengesellschaft zu constituiren und in die Stelle der ursprünglichen Concesfionäre zu treten. Paris, 15. October. Das „Journal officiel" schreibt über daS Resultat der in Berlin gepflogenen Verhandlungen: Am 12. d. sind drei Conventionen in Berlin unterzeichnet worden: eine terri toriale wegen gewisser Grenzrectificirungen, eine finanzielle, welche die Räumung der 6 östlichen Departements zur Folge hat, und eine die temporären Zollverhältnisse von Elsaß und Lothringen be treffende Convention. Die territoriale Convention wird die Rati fication deS deutschen ReichStaaS und der französischen National- Versammlung erfordern, die finanzielle nur die Ratification deS Präsidenten der Republik, welche unverzüglich erfolgen wird. Die Räumung der 6 Departements wird sofort beginnen und in dem Zeitraum von 14 Tagen beendet sein. An Stelle der Unterschriften von Bankhäusern, die zuerst gefordert waren, hat das deutsche Gouvernement die Unterschriften deS Präsidenten der Republik und deS FinanzministerS für genügend erklärt. Es werden daver für diesen Tdeil der Kriegsentschädigung Wechsel auf da- Ausland nicht ausgestellt werden. Die früheren Arrangement- bezüglich der Zollkonvention sind beinahe aufrecht erhalten; die Dauer der exceptionellen Behandlung, welche für Elsaß und Lothringen be willigt war, ist aber auf da- Jahr 1872 beschränkt worden. Die deutsche Occupation wird also nur noch 6 Departements umfassen. — Der französische Consul in Genf hat der Regierung da- Gesuch des Prinzen Napoleon übermittelt, mich Corsica zurückkehren zu dürfen. Die Regierung antwortete, sie würde der Rückkehr deS Prinzen nach Frankreich Nichts entgegenstellen. Turin, 15. October. Die Eisenbahnstrecke Turin-Modena (Mont-CeniS) wird morgen definitiv dem Verkehr übergeben werden. London, 15. Oktober. , Observer" theilt mit, daß in jüngster Zeit zwischen mehreren hervorragenden conservativen PeerS und Führern der Arbeiter Verhandlungen stattgesunden hätten, glaubt jedoch nicht, daß dieselben zu einem definitiven Resultate führen dürften. Die Arbeiter seien allerdings der Ansicht, daß seitens der gegenwärtigen Regierung die Interessen der arbeitenden Klaffen nickt genügend gewahrt werden, sie würden jedoch keinesfalls ihre Principien opfern, um den Beistand der conservativen Partei zu erlangen. In der Kammer zu Kopenhagen wurde am 14. Oct. ange kündigt, daß der Minister des Aeußern bereit sei, in einigen Tagen dem Hause vertrauliche Mittheilungen über die zwischen Preußen und Dänemark schwebenden Verhandlungen bezüglich der schleS« wigscken Wehrpflichtigen zu machen. Stockholm, 15. October. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Wacktmeister wurde gestern Abend auf der Straße vom Schlage getroffen und blieb sofort todt. Ncw-Nork, >3. Oktober. Auf Bitte des Mayors von Chi cago hat General Sheridan den Oberbefehl über die Stadt über nommen. 240 Leichen wurden bereits in Chicago ausgefunden. Die Unterslützungsbeiträge in der Union betragen schon 3 Mill. Dollars. -- Präsident Grant hat eine Proclamation erlassen, worin er den Banden von Südcarolina befiehlt, innerhalb 5 Tagen auseinander zu gehen. — Kaum haben wir uns von dem Entsetzen über den Brand in Chicago erholt, als auch schon Kunde von weitern entsetzlichen Brandunglücken auS Amerika eintrifft. In Michigan ist die ganze Stadt Manistre eingeäschert worden. 200 Häuser und 6 Fabriken brannten nieder und der Schaden wird auf 1,250,000 Dollars veranschlagt. Auch in Wisconsin brannten 4 Dörfer am Flusse Green-Bay mit schrecklichem Verluste an Menschenleben nieder. Die Einwohner wurden von den Flammen umringt, Hundert« von Per sonen in den Fluß getrieben und im Ganzen sollen 500 Menschen zu Grunde gegangen sein. In einem einzigen Schober verbrann ten 150 Personen, welche sich dorthin geflüchtet hatten. Die Ur sache dieser Unglücksfälle waren Waldbrände. Aus der bayerischen Abgeordnetenkammer. Wenn wir auch gestern die Antwort des Ministers Lutz im bayerischen Abgeordnetenhaus«, welche die Stellung der Regierung zur Kirchenfrage kennzeichnet, bereits kurz mitgetheilt haben, so hal ten wir doch dieselbe sür wichtig genug, um auf diese Antwort in ausführlicherer Weise zurückzukemmen. München, 14. Octbr. In der heutigen Sitzung der Abge ordnetenkammer war die Gallerie überfüllt. Zunächst beantwortete der Minister des Innern die neuliche Interpellation de- Pfarrers Mahr. Die Regierung dulde keine polizeilichen Eingriffe in die Preßfreiheit. Die Bewilligung der Colportage sei nach dem Art. 38 des Preßgesetzes von der vorgängigen Erlaudniß der Polizei ab hängig, geaen deren Bescheidung man Beschwerde führen könne, doch sei jeder einzelne Fall eigens zu prüfen, daher müsse er auch die Frage, ob die Colportage aller Blätter freigcgeben werde, verneinen. Der Kultusminister besteigt hierauf unter allgemeiner Spannung die Rednerbühne, um Namens des GesammtministeriumS auf die be kannte Interpellation des Abg. Herz und Genossen bezüglich der Stellung der Regierung zur Lehre der päpstlichen Unfehlbarkeit zu antworten. Es werde jetzt ost die Behauptung ausgestellt, beson ders in Blättern, die die katholische Sache zu vertreten vergeben, daß durch daS Verhalten der Regierung gegenüber den Concilsbe- schlüssen die katholiche Religion gefährdet werde und die Regierung eine den Katholiken feindselige Politik verfolge. Jene Blätter rufen sogar, die Religion sei in Gefahr und die Katholiken sollen es nicht lewen, daß man sie zu PariaS herabdrücke. Dergleichen Auslassungen seien nichts als eine Entstellung der Wahrheit, ein Agitationsmittel von Partermänn-rn, um die Religion zu ihren Absichten zu benützen. (Rechts oh l Links Bravo!) Die Regierung habe daS Recht und die Pflicht, soweit eS das Interesse deS Staates erheische, sich dieses bedenklichen Gebrauches zu erwehren, der von der katholischen Re ligion nur gemacht werden soll, um der Kirche die Herrsckaft über den Staat zu sichern, freilich im Widerspruch mit dem Wort deS Herrn: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Die Sache selbst anlangend, so berufe er sich auf sein Schreiben vom 27. August an