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—. 1206 Aeußerung einer Drohung für die Nachbarn gleich zu achten. Aus beiden Gründen fällt unseres Erachtens, jede moralische Verpflichtung hinweg, in Sachen der Contribution Nachsicht zu üben." Berlin. Die sämmtlichen, auf französischem Boden noch befindlichen deutschen Truppen treten von jetzt ab in einen Truppenverband unter der Benennung „OccupationSarmee in Frankreich" und unter den einheitlichen Befehl des Generals Freiherrn v. Man teuffel. — Am 1b. Juli sollen, wie Berliner Blätter berichten, die größeren Militärtransporte aus Frankreich beendet sein. Bon da ab hören daher die Beschränkungen des Eisenbahnverkehres in Be zug auf den gewöhnlichen Personen- und den WaarentranSport, die der preußische Handelsminister in Folge der außerordentlichen Ver hältnisse unter dem 27. Januar angeordnet hat, wieder auf, sowie denn auch in Bezug auf die Annahme von Frachtgut die gewöhn lichen Verhältnisse wieder in Geltung treten. — Gleich den Ministern haben auch sämmtliche Oberprästden- ten das Eiserne Kreuz erhalten. — Die Subscripttonen auf neue Actien-Unternehmungen find in vielen, ja den meisten Fällen von großem Erfolg begleitet ge wesen, das gesammte benöthigte Capital ist an den veröffentlichten Zeichnungsterminen aufgebracht worden. In anderen Fällen haben die Gründer und Unternehmer nur einen Theil des Actiencapitals durch die Zeichnungen des Publikums erhalten und sind daher ge zwungen gewesen, diesen nicht placirten Rest selbst zu zeichnen und, um das Zustandekommen ihres ProjectS zu sichern, auch die Ein zahlungen auf die Actien zu leisten, um dann diese selbst übernom menen Actien allmählig an den Mann zu bringen. Bei einer An zahl anderer Projecte ist indeß das zum Beginn der geschäftlichen Wirksamkeit statutengemäß festgestellte Actiencapital überhaupt nicht vollständig gezeichnet worden, und die Gründer haben diesen Ueber- rest ebenfalls nicht auf eigenes Risico übernehmen mögen. Trotz dem mithin das Project ein vollständiges Fiasco gemacht hat, säumen sie in der Rückerstattung der auf die subscribirten Beträge geleisteten Anzahlungen und Cauttonen, indem sie noch immer Versuche machen, die nicht begebenen Actien unter der Hand nach ttäglich zu veräußern. Diese Operation nimmt ost Wochen und selbst Monate in Anspruch. Es fragt sich aber, ob die Actien- zeichner sich ein solches Verfahren der betreffenden Gründungs- ComiteS gefallen lassen müssen. Wir verneinen dies entschieden. Ist das Actiencapital an den einmal festgestellten Zeichnungstermi nen nicht vollständig gezeichnet worden, so steht es weder in dem Belieben des ComiteS, die Zeichnungstermine hinauszuschieben, »och diejenigen Personen, welche innerhalb der Fristen zeichneten, aufs Unbestimmte zu binden und ihnen die geleisteten Einzahlungen zurückzuhalteu, sie zu zwingen, daß sie den nachträglichen, meist ohnehin erfolglosen Versuch, den nicht gezeichneten Theil des Actien- betrages noch im Wege des HausirhandelS aufzutreiben, abwarten müßten. Ist das Gründungs-Comite weder Willens noch im Stande, diesen Rest auf eigene Gefahr zu übernehmen, so ist eS für ihn eine Pflicht der Loyalität, sofort den Zeichnern ohne Abzug die angezahlten Summen zurückzugeben. Jeder Actienzeichner hat einen Rechtsanspruch hierauf und braucht sich über den publicirten Endtermin hinaus in keiner Weise binden zu lassen, ist vielmehr befugt, seine Zeichnungen und Einlagen zurückzufordern. (B. Börs.-Ztg.) — Infolge der günstigen Lage der preußischen Finanzen und im Zusammenhänge mit dem Ausschwunge, den die Reichsfinanzen genommen haben, ist eine Aufbesserung der Beamtengehälter in der preußischen Monarchie in umfassendem Maße und für die Beamten sammtlicher Ressorts in allen Stufen in Anssicht genommen worden, und wnd der Landtag bereits in seiner nächsten Session bei der Berathung des Etats sich mit dieser Angelegenheit beschäftigen. — Das Polizeipräsidium in Berlin macht wiederholt aus die Zunahme der Pocken-Epidemie und die Nothwendigkeit der Rev.ic- cination aufmerksam. Vom 20. bis 26. d. M. wurden über 900 Personen von der Epidemie befallen. Die Gesammtzahl aller in diesem Jahre au den Pocken Erkrankten beläuft sich bereits auf mehr als 6000, die der Gestorbenen auf 1464. — Wie wir hören, hat die Direction der Anhaltischen Bahn zur Pflege der bei Zschortau Verwundeten 800 Thlr. nach Leipzig gesendet. (B. V.-Ztg.) — Zurückgekehrte „Rompilger" entwerfen ein Jammerbild über ihre Rückreise und den Empfang, der ihnen überall von Be amten und Einwohnern der durchzogenen Länderstriche geworden. Vielfach zeigten sich, besonders auf der österreichischen Bahn, Be amte im hohem Grade unfreundlich und wurden Jene, welche aus Rom kamen, zu den Wagen nicht zugelassen, so daß mehrere der frommen Pilger 9 Wegstunden nach Innsbruck zu Fuß zurücklegen mußten. Alle, welche bis jetzt zurückgekehrt find, beklagen sich über die Haltung der römischen Bevölkerung, sowie über das zahllose Gesindel, welches auf den Straßen Roms herumlungert und von welchem zumal die Deutschen verhöhnt und verspottet wurden. Herr Subregens Schmid aus München, auf welchen Steine aus den Häusern geworfen wurden, wandte sich deshalb an die deutsche Gesandtschaft. Breslau, 28. Juni. Nachdem schon im Laufe der vorigen Woche das Gerücht verbreitet war, daß eine allgemeine Arbeits einstellung feiten der aus etwa 3000 Mann bestehenden Belegschaft der fiScalischen Königsgrube beabsichtigt werde, ist jetzt der Aus bruch des StrikeS seit dem 26. d. M. eine vollendete Thatsache. Bezüglich der Beweggründe, welche die Grubenarbeiter zur Arbeits einstellung veranlaßt haben, wird übereinstimmend gemeldet, daß vor Allem zwei Verfügungen der Bergbehörde und der Gruben verwaltung als die Veranlassung des StrikeS zu betrachten sind. Nach der einen Verfügung dürfen die Bergleute, wie der „BreSl. Ztg." gemeldet wird, seit Beginn dieser Woche die Grube, auf der sie angelegt sind, nicht, wie früher, nach vollbrachter Gedingezahl verlassen; sie sollen vielmehr die volle Schichtzeit von 6, resp. 8 Stunden in der Grube verbleiben. Die zweite Verfügung bestimmt, daß die Arbeitszeit durch Ausgabe von Marken genauer controlirt werden soll. Hierdurch wird der alte UsuS des Aufschreibens in den Zechenhäusern beseitigt, und der Bergmann darf nicht mehr auf dem, seinen Grubenweg vielleicht wesentlich abkürzenden und der zu befahrenden Strecke am nächsten liegenden Schachte an fahren. Leider haben sich die strikenden Bergarbeiter zu Excessen Hinreißen lassen. - 29. Juli. Die „Bresl. Ztg." meldet zu den Arbeiter unruhen aus KönigShütte vom 28. Juni Strike und Tumulte in erhöhter Ausdehnung. Nach Demolirung der Berginspecrion ver wüsteten die Horden das Stadtgefängniß, requirirten hier Schnaps und Cigarren in der nächsten Restauration. Einzelne Rotten ver suchten Requisitionen in den Vorstädten, begannen Plünderung, namentlich bei den Juden. AbendS trafen 60 Ulanen aus Gleiwitz ein und säuberten bis 10 Uhr den Platz, wobei es 7 Todte und 20 Verwundete gab. Heute traf ein Bataillon des 10. Regiments hier ein. Etwa 60 Personen, darunter die Rädelsführer, wurden verhaftet. In der KönigShütte wurde wegen Kohlenmangel der Walzbetrieb eingestellt. Der Oberpräsident der Provinz ist einge troffen. Heute Nachmittag wurde der Belagerungszustand pro- clamirt. Paris, 26. Juni. Gestern war in St. Gratien bei der auf diesen Landsitz vor Kurzem zurückgekehrten Prinzessin Mathilde großes Diner. Rouher, Prinz Murat, Clement DuvernoiS, der jetzt die Chef-Redaction des „Avenir Liberal" übernommen hat und als Pariser Candidat auftritt, und andere wohnten demselben an. Man war dort ganz guter Laune und unterhielt sich viel über die Vergangenheit. Rouher war besonders geschwätzig, sprach viel von der Vergangenheit und erzählte u. A., daß, als General Fleury in Petersburg die Gefangennehmung des Kaisers und die Prokla mation der Rebublik erfahren, er ausgerufen habe: ,,6'est exal; N0U8 NMI8 80MMS8 bieu UMN8S8." (Das ist gleichgiltig, wir haben uns gut unterhalten.) Die Bonapartisten sind übrigens voll Hoffnung und glauben, daß sie bei den nächsten Wahlen viele ihrer Leute durchbringen werden. In den republikanischen Kreisen er regen die Jntriguen der Bonapartisten übrigens auch Besorgnisse. Man befürchtet, daß, wie eS auch 1848 (bei der Präsidentenwahl) geschah, die Radikalen für die Bonapartisten stimmen werden, um sich an den Conservativen und gemäßigten Republikanern zu rächen. — Wie verlautet, soll die bewaffnete Macht in Paris in Zukunft aus 70,000 Mann Linien und 15,000 Polizeidienern und Gendarmen, im Ganzen also aus 85,OM Mann bestehen. Man glaubt, damit Paris vollständig im Zaum halten zu können. Un geachtet dessen wird aber die Regierung vorläufig in Versailles bleiben, da eS so ziemlich sicher ist, daß der Antrag, welcher alle Ministerien von Paris nach der alten KönigSstadt verlegt haben will, von der National-Bersammlung angenommen werden wird. Was die Prinzen von Orleans anbelangt, so scheinen dieselben Paris nicht so abhold zu sein, und, wie es heißt, sollen mehrere derselben ihren Aufenthalt in der Exhauptstadt Frankreichs nehmen wollen. Dieselben scheinen übrigens die Absicht zu haben, sich dem Publikum gegenüber so zu zeigen, wie sie, als LouiS Philippe noch König der Franzosen war, zu thun die Gewohnheit hatten. So ist der Herzog von Chartres, der Bruder des Grafen von Paris, Mitglied des Jockey-Klubs und zeigte sich dort bereits mehrere Male. Der Prinz Peter Bonaparte ist jetzt auch hier. ES ist derjenige, welcher Victor Noir ermordete. Er ist ganz grau ge worden und scheint um 10 Jahre gealtert zu sein. Zwei der hier weilenden Bonapartisten, Vicomte de la Gueronnivre und Emil Ollivier, haben dem Kaiserreich den Rücken gekehrt. Gueroniere