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«L6 der gewiß. Nur d«S Aue ist dabei tröstlich, daß diese Reaction, der Frankreich stch abermals in die Arme wirft, um sich vor den Zerfleischungen durch die Rothen zu retten, nicht wie jene nach den Junitagen von 1848 einen europäischen Charakter annehmen wird. Damals war die Niederlage der Pariser Revolution ein Todesstreich für die Demokratie in Europa. Das, was heute in Paris nieder, geschlagen wird, hat mit der Demokratie nichts gemein. JmGe- gentheil wünscht auch die Demokratie, daß die Repression rasch und entschieden vollzogen werde, denn der Anblick dessen, was heute in der „heiligen Stadt" sich auf der Bühne bewegt, ist Abscheu erre gend und zählt nicht einmal zu denjenigen Erscheinungen in der Geschichte der Menschheit, welche als revolutionäre Symptome für den Fortschritt derselben eine Bedeutung haben. Das ist nicht Revolution, sondern absolute Verirrung; das ist nicht ein mal jene Sorte von Wahnsinn, in welcher eine Art Methode liegt. — Tagesgeschichte. Berlin, 6. April. Die „Kr.-Ztg." schreibt: Die aus England mit großer Bestimmtheit gemeldete Nachricht, daß am l. April die Zahlung der ersten halben Milliarde der -französischen Kriegskosten erfolgt sei, ist, wie wir hören, völlig grundlos. Es ist auf die Kriegskosten noch nicht eine Million, viel weniger 500 Millionen gezahlt worden. Bei allen bisherigen Abschlagszahlungen handelt eS stch nur um die für die Verpflegung unserer Truppen ausgelau fenen Summen, welche noch zum geringsten Theile von Frankreich gezahlt find. — Für sämmtliche Truppen der deutschen Armee, sowohl Lom battanten als Nichtcombattanten. wird vom Kaiser eine Denkmünze zur Erinnerung an den Feldzug von 1870/71, aus eroberten bron- cenen Kanonenröhren gefertigt, verliehen werden. Den Fürsten der Einzelstaaten soll es jedoch überlassen bleiben, ihren resp. Heeres theilen außerdem noch eine besondere Denkmünze zu verleihen. — Bei einer FriedenSfeier der Deutschen in St. Louis hielt Friedrich Hecker eine Rede, die er als seine letzte bezeichnete ; er feierte einen großen Triumph und zeigte keine Spur von Hinfällig keit bei vorgerücktem Alter. Er sei nur gekommen, sagte er, um den amerikanischen Deutschen ihre großen Pflichten gegen da« wie- dergeborene Deutschland in die Seele zu rufen. . — Mit zahlreicher Begleitung ist hier angekommen und im Hotel de Rome abgestiegen der japanesische Prinz Mitzno Mija, Onkel deS Mikado von Japan. In seiner Gesellschaft befindet sich ein diplomatischer Agent der japanefischen Regierung, Samejima, der diese- Land als Geschäftsträger in Berlin permanent vertreten soll. Der Prinz soll die Absicht haben, für mehrere Jahre seinen Wohnsitz in Preußen zu nehmen, um sich ganz dem Studium von militärischen und politischen Wissenschaften zu widmen. — Die „Brest. HauSblätter" theilen folgende Verfügung vom 25. März mit: In Folge eines Erlasses des Herrn Ministers der geistlichen rc. Angelegenheiten vom 18. d. MtS. beauftragen wir die Herren Directoren, die katholischen Religionslehrer an den be treffenden Anstalten dahin mit Weisung zu versehen, daß sie Er lasse «der Bekanntmachungen ihrer kirchlichen Oberbehörde in den Schulklassen nur nach vorgängiger Genehmigung durch die Direc toren der resp. Anstalten mittheilen dürfen. Königliches Provinzial- Schul-Collegium. Graf Stolberg. An die Herren Directoren sämmtlicher katholischer Gymnasien, der Pro-Gymnasien in Ohlau Md Groß-Strehlitz und der Realschulen in Neisse, Neustadt OS. Md Tarnowitz. Vonn, 3. April. Der „A. A. Z." schreibt man: Unter dem gebildeten Theile der hiesigen katholischen Bevölkerung erregt eS «n peinliches Aussehen, daß die Professoren Hilgers, Langen und Reusch infolge der wegen des Unfehlbarkeitsdogmas über sie ver hängten Suspension seit dem 31. März ihre priesterlichen Func- tionen eingestellt haben. Gleichzeitig erfährt man, daß alle jenes Dogma nicht annehmenden Laien von der Oster - Communion aus geschlossen werden sollen. Allgemein wird darum bereits unter den Altkatholiken der Wunsch geäußert, daß, falls Döllinger's Vor schlag von den Bischöfen zurückgewiescn wird, zur kirchlichen Con stitution unter einem der treugebliebenen Bischöfe geschritten wer den möge. Alsdann wird auch die Zeit gekommen sein, auf ge richtlichem Wege Kirchen und kirchliches Vermögen von den dem KesuitiSmuS verfallenen bischöflichen Behörden zurückzusordern. München, 4. April. StiftSprobst Doctor v. Döllinger ist jetzt der Gegenstand allgemeiner Anerkennung und Bewunderung geworden. Als eS gestern bekannt wurde, daß er das Hochamt in der Allerheiligen-Hofkirche celebriren werde, strömte eine solche Meng« Volkes in die Kirche, daß diese auch nur die Hälfte der selben zu fassen vermochte. Der Telegraph, die Stadtpost, jeder Bahnzug bringt eine Unzahl von Züschristen, beistimmenden Er- ÜärMgen und Glückwünschen. München, 5. April. Die weitaus größte Zahl der katholischen Professoren und Docenten der hiesigen Universität, 44 von 62, rich tete eine durch Professor Pettenkofer überreichte Adresse an StiftS probst Döllinger. Von den nicht unterzeichneten Professoren haben sich mehrere, gutem Vernehmen nach, lediglich aus formellen Be denken der Unterschrift enthalten. Die Adresse lautet: „Vor acht Monaten haben wir im Einklang mit den übrigen hohen Schulen Deutschlands gegen die Beschlüsse Widerspruch erhoben, welche der Papst im Verein mit der Mehrheit des sogenannten vatikanischen ConcilS am 18. Juli v. I. der katholischen Christenheit aufzuerlegen versuchte. Seitdem ist das in Rom begonnene Werk der Gewalt fort gesetzt worden und in derselben Zeit, in welcher die deutsche Nation auf den Schlachtfeldern sich den Ehrenplatz unter den Völkern des Erdball« erkämpft hat, haben die Bischöfe der deutsche» Nation zum großen Theil sich der unrühmlichen Aufgabe unterzogen, im Dienste unchristlicher Tyran nei die Gewissen zu bedrängen, unzähliche fromme und ehrliche Herzen in Verwirrung und Noth zu bringen, die standhaften Bekenner ihre- alten Glaubens zu verfolgen, und un- Alle, soweit an ihnen liegt, in die Fesseln eines Absolutismus zu schlagen, der sich selbst an die Stelle von Vernunft und Recht, von Tradition und Evangelium zu setzen trachtet. Wohin soll dies Beginnen führen? Was wird aus der katholischen Welt, was wird aus unserem Vaterlande werden, wenn es innerhalb der katholischen Kirche nicht mehr erlaubt sein soll, Wissenschaft und Bildung, Aufrichtigkeit des Herzens und Freimuth der Gesinnung mit Religiosität zu vereinen? — In solchen Zeiten der Gefahr, wo alle äußeren Stützen brechen, ist es die Ausgabe der Hochschulen, sich als den letzten und, will's Gott, unzerbrechlichen Hort der mißhandelten Wahrheit zu bewahren. Und vor Allem aus Sie, hochwürdiger Herr, waren die Blicke der Nation gerichtet, Sie haben der Erwartung ent sprochen und durch Ihre Erklärung vom 28. März das Recht der freien, wissenschaftlichen Forschung gewahrt und in die Annalen der Münchener Universität ein Blatt von höchster historischer Weihe eingefügt. Auf den Scheideweg gestellt zwischen einer sogenannten demüthigen Unterwerfung, die ohne Rücksicht auf Recht und Wahrheit von Ihnen gefordert wird, und zwischen einer schweren, aber unerläßlichen Pflichterfüllung haben Sie männlich die richtige Bahn erwählt! Harren Sie au- im Kampfe, hochwürdiger Herr, bewehret mit dem festen und leuchtenden Schilde der Wissenschaft und möge derselbe ein Medusenschild werden für alle Ver derber der Christenheit! — In diesem Wendepunkte christlicher Geschick« gedenken wir der Frage des muthigen Gratcy: „Bedarf Gott Eurer Lüge?" und wir und mit uns Tausende treuer Herzen antworten gleich Ihnen, bochwürdiger Herr, mit einem klaren und entschlossenen „Nein!" - Wie das „Südd. Corresp.-Bureau" vernimmt, ist auf eine telegraphische Anfrage des Münchner Erzbischofs in Rom: welche Haltung gegenüber der Erklärung Döllinger's zu beobachten sei, die Antwort erfolgt, daß solches dem Ermessen deS Erzbischofs anheim gegeben werde. Der Letztere hat den Studirenden der Theologie den Besuch der Vorlesungen Döllinger's verboten. (Joh. Jos. Ig naz Döllinger, ein Sohn des 1841 zu München gestorbenen be rühmten Physiologen und Anatomen Döllinger, wurde am 28. Fe bruar 1799 zu Bamberg geboren. Nachdem er seine Universitäts studien gemacht, ward er 1822 Caplan, 1823 Lehrer am Lyceum zu Aschaffenburg und 1826 Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechtes an der Universität München, später auch StiftSprobst zu St. Cajetan, erzbischöflicher geistlicher Rath und Oberbibliothe kar; 1845 als Vertreter der Universität Mitglied der bayerschen Ständeversammlung, 1847 in Ruhestand versetzt, 1848 nach Frank furt zur deutschen Nationalversammlung gewählt und im December 1849 als Professor der Kirchengeschichte an der Universität wieder in Thätigkcit gesetzt. Nachdem er 1851 aus der Ständekammer ausgeschieden war, trat er später in die Kammer der Reichsräthe. Sein erstes Wert (1826) war „Die Lehre von der Eucharistie in den ersten drei Jahrhunderten." Dann schrieb er (1830) die Texte zu Cornelius' „Umrissen zu Dante'S Paradies." ES folgten die Lehrbücher der Kirchengeschichte (1833—1838), die aber unvollendet geblieben sind, eine quellenmäßige Geschichte der Reformation (1846 bis 1848) und verschiedene apologetische Schriften, z. B. über die Kniebeugung, über gemischte Ehen rc. Döllinger beherrscht mit seinem Wissen das ganze Gebiet der Kirchengeschichte, und schwerlich kommt ihm irgend ein anderer Gelehrter gleich in der umfassenden und gründlichen Kenntniß der inneren und äußeren Entwickelung der christlichen Dogmen.) Kehl, 29 März. Gestern und heute bot der Rückmarsch der badischen Division über den Rhein bei Kehl einen begeisternden An blick. Es war am 28. März die erste Brigade, geführt von dem Prinzen Wilhelm von Baden, und am 29. März die zweite Bri gade, Generallieutenant von Glünow an der Spitze, die nach den ruhmreichen Kämpfen und Anstrengungen den heimathlichen Boden wieder betraten. Bataillon um Bataillon, Schwadron um Schwadron, Zug um Zug, wo sie Deutschlands Strom wieder erblickten und so bald sie auf den guten alten Boden des engeren Heimathlandeg