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Merger Anzeiger und Tageblatt Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Prei« vinteljShrl. 20 Ngr. Jnsnatt M werden die gespaltene Zeile oder deren I I Raum mit 8 Pf. berechnet. I M. ^-43 Dienstag, den 21. Februar Erscheint jeden Wochentag Ab. 6 U. fiir den and. Tag. Inserate werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. — ? » . . Am maßgebendsten für unsere Friedenshoffnungen ist die Zu sammensetzung der National-Versammlung in Bordeaux. Wider alles Erwarten ist selbst in den südlichen Departements; wenigsten« auf dem Lande, antirepublikanisch gewählt worden. Unter den Städten werden nur Toulon, Avignon, Perpignan, Pau mit re publikanischen Mehrheiten aufgeführt; sogar in Marseille und Bor deaux ist dies nicht der Fall gewesen. Vollständigen Sieg errang die Partei, der man Lust an der Fortsetzung deS Krieges zufchreiben kann, nur in zwei südlichen Departements; in allen übrigen trug entweder die national-conservative, oder die „Union liberale" den Erfolg davon — Parteiprogramme, die zunächst auf Herstellung einer festen und gemäßigten Regierungsgewalt im Lande abzieleu und dem Frieden zugeneigt sind. Die Kriegspartei wird also einen schweren Stand haben. Zum Präsidenten der National-Bersamm- lung ist Grevh gewählt, der, obwohl Republikaner, sich seit dem 4. September 1870 in Opposition zu der Pariser Regierung wie zu ihrer Delegation in TourS und Bordeaux befand, weil er die sofortige Berufung einer constituirenden Versammlung »erlangte. Die vier Vicepräsidenten: Martel, Benoit d'Azy, Ditet und Malle« Ville gehören den monarchischen Parteien an. ThierS ist zum Chef der Executivgewalt ernannt worden; als seine Minister be zeichnet man: Dufaure, Simon, Buffet, Favre, Picard und Malle- ville. Man sieht, daß nirgends die radicalen Geister wie Victor Hugo, Louis Blanc, Rochefort, Gambetta (der übrigens krank sei« soll) und wie sie weiter heißen, durchgedrungen sind. Ja in der Sitzung vom 16. rief man sogar den Pariser Deputaten zu, daß sie vom Blute der Bürgerkriege bedeckt seien; ebenso wurde Victor Hugo, welcher Tags zuvor tumultuarische Demonstrationen vor dem SitzungSlocal veranlaßt hatte, gründlich zurechtgewiesen und daS Local selbst unter militärischen Schutz gestellt. Seine Vertheidigung unterbrach man mit dem Rufe: „Die Linke hat nicht Richtersprüche zu erlassen, sie ist nur eine Fraction!" Am 17. wurde zwar ein Protest des Deputirten Keller gegen jede etwaige Annexion von der Versammlung den Personen überwiesen, welchen die Friedens verhandlungen mit Preußen übertragen werden würden, allein wenn sich nur erst die aufgeregten Leidenschaften etwas beruhigt haben, dann wird man schon der Lage der Dinge Rechnung tragen. Und darum geben wir unS, wie gesagt, der festen Zuversicht hin, daß der Waffenstillstand in den Frieden übergehen wird. Welche Regierungsform Frankreich annehmen dürfte, darüber läßt sich heut nur so viel mit Gewißheit äußern, daß eS keine monarchisch-napoleonische sein wird. Im Monat Mai v.J. hatten die Franzosen dem Kaiser durch ein siebenmillionenfaches PlebiS- citS-Ja ihr Sehnen und Verlangen gestanden und jetzt schon kann der ci-clevant Decembermann von dieser Nation singen: „Sie hat mir Treu versprochen, gab mir ihr Ja dabei; sie hat die Treu gebrochen, die Krone sprang entzwei" — denn nur eine jämmerlich kleine Anzahl seiner Trabanten stieg aus der Wahlurne hervor, trotz Proclamation von WilhelmShöhe, womit er die Masse zu bethören hoffte. Seine Rolle wird wohl für immer auSge- spielt sein. Im nachbarlichen Oesterreich macht ein Rundschreiben de» Ministers des Innern von sich reden; es enthält eine ganze Reihe osficiöser Manifestationen, die sich auf die Stellung der neuen Regie rung zum ReichSrath beziehen. Ministerielle Organe deuten eS da hin, daß die Auflösung deS ReichSrathS nicht in den Plänen de« neuen Cabinets liege. Dagegen steht es nach anderen Blättern um die Versicherungen konstitutioneller Loyalität seitens des Ministeriums herzlich schlecht, denn eS werden große Reformen mit dem Bemerken angekündigt, daß zwar die Regierung hierbei die verfassungsmäßige Mitwirkung in Anspruch nehmen wolle, daß sie jedoch auch den Fall in» Auge gefaßt habe, vou ihrem „Verordnung-rechte' ÄÄrauch zu machen, wenn der ReichSrath nicht M, M dtz dWerm-, -i- Freiberg, 20. Februar. Wird unS diese Woche den Frieden bringen? Wir glauben zuversichtlich, daß der nächsten Freitag ablaufende Waffenstillstand in den Frieden übergeht. Frankreich fühlt sich ohnmächtig, eS beugt sich dem Sieger und wird sich offenbar nicht lange damit beschäf tigen, von dessen Bedingungen abzumarkten. In dem zu Paris vor etlichen Tagen noch abgehaltenen KriegSrath war die durchschlagende Ansicht, daß Frankreich zu einer Fortsetzung des Kriege« nicht im Stande sei. General Chanzy, Oberbefehlshaber der Westarmee, bekräftigte eS persönlich; General Faidherbe, Oberbefehlshaber der Nordarmee, äußerte sich brieflich in demselben Sinne. Die Wasser beginnen auch schon zu verlaufen. Garibaldi, mehrfach gewählt, begab sich nach Bordeaux, nur um nach der kränkenden Aufnahme in der Nationalversammlung, wo man dem Fremdling die Thüre wieS, sich schnell nach seinem Caprera wieder einzuschiffen. „Wer den Frieden will, rüste sich für den Krieg" — denkt aber die deutsche Heeresleitung, und sie vollzog demgemäß Truppen- DiSlocationen, die den Franzosen wohl da« Verständniß ihrer Lage vollends erschließen müssen. Alle im Felde stehenden deutschen Ar meen wurden durch frische CorpS von Paris aus verstärkt und die Pariser Armee selbst durch fortdauernde Nachschübe von Ersatzmann schaften au« Deutschland auf die ursprüngliche Kriegsstärke gebracht. Von der im Westen gegen Chanzy stehenden Armee deS Prinzen Friedrich Karl befindet sich das 9. CorpS am rechten Flügel der Aufstellung zwischen Rouen und Brionne; dasselbe stellt hier die Verbindung mit der Nordarmee des Generals Göben her, von wel cher sich daS 1. Armeecorps zwischen Rouen und Dieppe und das 8. ArmeecorpS, sowie die Division Prinz Albrecht Sohn zwischen AmienS und Peronne befinden. Weiter links stehen von der Armee deS Prinzen Friedrich Karl daS 3. Corps in Alenyon und le ManS, sowie das 10. Corps in Chateau-du «Loire und in TourS. Zur Verstärkung dieser Armee ist das 4. Armeecorps von Paris nach LhatreS abgerückt und dürfte dasselbe nach Le ManS vorgeschoben werden, während das 3. ArmeecorpS ganz in der Umgegend von Alenyon concentrirt wird. Oestlich vom 10. Corps, in Blois, ist die 25. (hessische) Division und in Orleans daS 5. ArmeecorpS, von diesem wieder östlich, im Donne-Departement, daS 6. Armee corpS placirt. Diese letzten Streitkräfte, 2^/, ArmeecorpS, dürf ten zur Formation einer neuen deutschen Loire-Armee bestimmt sein. Im äußersten Osten endlich, zwischen Dijon, LouS-le-Saulnier und Pontarlier, steht die Armee Manteuffel'S, welche bekanntlich au« dem 2., 7. und 14. CorpS und der Reserve-Division Schmerling zusammengesetzt ist. Die Franzosen können sich demnach der Thatsache nicht ver schließen, daß vier beinahe gleich starke deutsche Armeen bereit stehen, den Krieg bis an die Grenzen Frankreichs zu tragen, falls die Feind seligkeiten auf'S Neue begonnen werden sollen. Um Paris verblei ben daS Garde-, daS 11. preußische, das 12. (sächsische) ArmeecorpS, die beiden bayrischen ArmeecorpS und die würltembergische, sowie die preußische Garde-Landwehr-Division, zusammen 6 ArmeecorpS al« Reserve-Armee. In Paris selbst tritt, trotz seiner radicalen Wahlen, die Ernüchterung bis zur Abspannung immer mehr ein, je mehr den Parisern die Augen über die ungebrochene Macht der Deutschen und über ihre eigene, bis zur Hilflosigkeit gesunkene Lage aufgehen. Eine Proclamation der Regierung hat ihnen über diese Erschöpfung aller Mittel klaren Wein eingeschcnkt; ein Decret be nachrichtigte sie, daß die 200 Millionen KriegScontribution durch eine Anleihe gegen Verpfändung gezahlt werden sollen. Selbst auf den Triumphmarsch der Sieger durch Paris find sie bereits gefaßt und fast scheint eS, als erwarteten sie diesen Vorgang mit dem In teresse an einem lang entbehrten öffentlichen Schauspiele. Was darüber verlautet, wollen wir vorläufig noch dahin gestellt sein Mm.