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- - - - Weqer Mtzeiger und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^?1« 1871. Freitag, den 20. Januar Preis vieNrljährl. 20 Ngr. Inserat« werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechnet. Erscheint jeden Wochentag Ab. 6 U. für dm and. Tag. Inserate werdm bi« V. II U. für nächste Nr. angen. -I- Freiberg, 18. Januar. In seiner neuesten Note an die fremden Cabtnete hat Graf Bismarck hervorgehoben, daß die jetzige Gewaltregierung Gam- betta'S über die Stimmung des französischen Volkes ganz andere Dinge zu hören bekommen würde, wenn die Presse eine wirkliche Freiheit der Meinungsäußerung besäße. ES ist ja notorisch, daß die RegierungSpolizei oder der Terrorismus des Pöbels diejenigen Journale bedroht, welche in den allgemeinen Wahnwitz der Gam« betta'schen Metzgerarbeit nicht mit emstimmen wollen. Vergessen ist es nicht, daß jener Journalist in Lyon für sein Leben sürchten mußte, nur weil er in seiner Zeitung vorsichtig die Nachricht von der Capitulation von Metz gebracht. Indessen eS giebt doch auch Einzelne, die sich unabhängig ge nug fühlen, um vor dem Ausspruch ihrer Besonnenheit nicht zurück zuschrecken. Ähr Beispiel hebt den Muih Anderer und bald — so ist zu erwarten — wird eine Anzahl von freien Männern daS Wort für Frankreich und gegen Gambetta erheben und in der öffentlichen Meinung auch mehr und mehr Rückhalt finden. So hat jüngst der Geschichtsschreiber Lanfrey, der den Napoleoniden in seinem Werk so bitter die Wahrheit gesagt, auf das Schärfste den Dictator Gambetta gegeißelt. „Die Situation", äußert er ungefähr, „wird immer schlimmer, Niemand wagt mehr die began genen Fehler in Abrede zu stellen. Man darf nicht warten, bis Alles verloren ist, um zur Erkenntniß des Fehlgriffs zu gelangen, daß man einem Advocaten die Oberleitung des Krieges anver traut. Nie hat man dem Lande die Wahrheit über seine eigene Lage gesagt ; erst auS den auswärtigen Blättern erfuhr man spät die wichtigsten Ereignisse. Als Europa schon drei Tage lang die traurige Capitulation von Metz kannte, hielt man die Franzosen noch mit den BülletinS über die „glorreichen" Ausfälle Bazaine'S hin. Man hat sich eine Popularität aus erfundenen Siegen ge macht und Frankreich mit Lügen abgespeist. ES ist Zeit, der Will kürherrschaft, der Unerfahrenheit, der Heuchelei und der Ohnmacht ein Ende zu machen; es ist Zeit, daß die Nation durch fähige Leute vertreten werde, denn Frankreich hat viele Dictaturen über sich ergehen lassen, aber nur Eine nie ertragen, und das ist die Dictatur der Unfähigkeit. „So äußert sich Lanfrey", eia Mann, der an politischem Verstand Gambetta unstreitig überragt. Eine andere, in dieser Art beachtenswerthe Brochüre ist vor Kurzem unter dem Titel: „Die Krisis" sogar in TourS erschienen — freilich mit den Lücken, welche aus Furcht vor Maßregelung unter der freien Gambetta'schen Aera der Buchdrucker bewirkte und die sich wohl oder übel der Verfasser, Roger de la Lande, gefallen lassen mußte. In dieser Brochüre wird LouiS Napoleon und der bethörten französischen Nation ungeschminkt die volle Schuld an diesem un glücklichen Kriege zugewiesen, aber Gambetta und seinen Collegen nicht minder zum Vorwurf gemacht, nach Sedan den Krieg fortge setzt, ihn dem niedergeworfenen, überraschten Frankreich aufgezwun gen zu haben. Hätten diese Männer, die sich die Regierung de» Lande- ebenfalls doch nur durch einen Staatsstreich am 4. Sept, angemaßt, als ehrliche Patrioten und wirkliche Männer handeln wollen; so würden sie sich nie die Kühnheit gestattet haben, auf eigene Verantwortung den Volkskrieg zu organisiren und mit alle« Mittel i, ja trotz dem Ruin des Landes und den Niederlagen ihrer Soldaten ihn fortzusetzen. „Wer möchte nach alledem, meint der erwähnte Verfasser, sagen, ob dieser verzweifelte Widerstand in den Händen dieser Männer etwas Anderes ist, als daS Mittel zur Be gründung deS Regime«, dem sie ihre Erhöhung verdanken?" Mit Recht fordert deshalb der Verfasser, wie jeder Vernünftige und den Grundsätzen wahrer Freiheit Huldigende, daß eine ord nungsmäßige und legitime Regierung eingesetzt werde. Ob repu blikanische, ob kaiserliche Usurpatoren — Usurpatoren, Gewalthaber auS ihrem eigenen Willen und ohne Sanction der Nation bleibe« der Freiheit, wie der Wohlfahrt eine» Volke» gleich gefährlich. Rettete doch ein Napoleon selbst den Schein seiner Usurpatio« durch den Schwindel des PlebiScit», während Gambetta sogar die letzten Spuren einer au» Volkswahl hervorgegangenen, die General- und Departementalräthe al« Hindernisse seiner Willkür-Herrschaft noch ausgehoben hat. Treffend macht deshalb Roger de la Lande in seiner Brochüre folgende, mit unseren früheren Artikeln zusam« menstimmende Betrachtung: „Veranstalten wir Gemeindewahlen, rufen wir eine Constituante zusammen! Wenn Frankreich durch das Organ seiner Mandataren der Meinung ist, daß der Krieg fortzusetzen sei. so würde eS, glaube ich, zwar einen falschen Weg einschlagen, ater man müßte sich beugen, denn sein Wille ist souve rän. Wenn es im Gegentheile, practischer Inspiration folgend, diesem Kriege ein Ende macht, dann kann eS mit der ganzen Au torität seines nationalen Willens kühn den Weg einschlagen, de« wir oben anzudeuten versuchten. Hat es die Energie nicht, die Anarchie und Dictatur von sich zu weisen, dann werden wir sicher den Feind auf dem einen Theile, den Bürgerkrieg aus der anderen Seite unseres Vaterlandes haben, und dann w rd uns Preuße« nach seinen Siegen auch noch den Schimpf anthun, auf dem von ihm occupirten Theile unseres Lande- mit einer Regierung seiner Wahl zu unterhandeln. Wir werden dann da- Kaiserreich im Norden, eine republikanische Anarchie im Süden und vielleicht auch noch eine Monarchie in der Bretagne sehen!" Damit schließt die Schrift, deren Autor — e» dürfte nicht überflüssig sein, da- zu wiederholen — ein Franzose ist. Tagesgeschichte. Berlin, 18. Januar. Dem Abgeordnetenhaus und dem Her- renhauje geht durch den Grafen Jtzenplitz, al- ältesten Minister, eine Proclamation deS Königs auS Versailles zu, welche, an va- deutsche Volk gerichtet, oljo lautet: „Wir Wilhelm von Gotte- Gnaden König von Preußen verkünden hiermit: Nachdem die deut schen Fürsten und freien Städte den einmüthigen Rus an unS ge richtet haben, mit Herstellung deS deutschen Reiche- die seit mehr denn sechzig Jahren ruhende Kaiserwürde zu erneuern und zu über nehmen, und nachdem in der Verfassung deS deutschen Bundes die entsprechenden Bestimmungen vorhergesehen sind, bekunden wir hier mit, daß wir e» al« eine Pflicht gegen da- gesammte Vaterland betrachten, diesem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten und Freien Städte Folge zu leisten und die deutsche Kaiserw-rde auz«- nehmen, demgemäß werden wir und unsere Nachfolger k der Hcyyg