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ImMger AitMer und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^-273. Trschetin i. Freiberg jed. Wvchenl. Äb. 6 U. für den and. Tag. Jnser. werden bi» V. ll U. für nächste Nr. angen. Donnerstag, den 23. November Pret« vlerleljährl. 20 Ngr. 3n>«ratt werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechne«. 1871. Freiberg, den 22. November. Seitdem der Papst sich die Unfehlbarkeit zusprechen ließ, liegt ihm und seinem vaticanischen Cabinet auch natürlich die Sorge am Herzen, die neue Macht der Kirche zu erproben. Gelähmt und wesentlich doch nur auf bloße Kirchenangelegenheiten beschränkt, wird überall der Versuch ausgenommen, diese Macht wieder zum herrschende» Einfluß in den Staaten zu bringen. Wie eine auf Herrschaft speculirende Gattin sich gern deS Mittels bedient, als gekränkte und in ihren Rechten verletzte Frau sich für unglücklich auSzugeben, so ist jetzt die Parole von Rom an die gehorsamen Bischöfe ergangen, die Staatsgewalten mit Klagen über Bedrohung oder Verletzung der Rechte der katholischen Kirche fort und fort zu behelligen, um damit, wenn nicht sogleich etwas zu erreichen, doch die von ihr abhängigen Gemüther durch solche Klagen irre zu führen. Diese Kirche, die sich bei keiner Grenze des Rechtes An derer aufhält, sondern mit der Betheuerung göttlichen Rechtes sich, wenn eS ihr gefällt, über alle Schranken der Gesetze hinwegsetzt — sie spielt die Unglückliche und schreit um Hilse! So ist sie nun auch an den Kaiser Wilhelm gekommen. Die preußischen Bischöfe und der elsässisch-lothringische CleruS haben sich beide in Adressen an ihn gewandt, in denen sie ihre Noth klagen. Die Elsässer bitten um die Jesuiten; die preußischen Bi schöfe um nicht viel Anderes. Denn da das Unfehlbarkeits-Dogma bekanntlich eine Wirkung der Jesuitenpolitik in Rom ist, so heißt die verlangte Lehre desselben in den Schulen nichts Anderes, als diese den Ansichten der Jesuiten überliefern. Die preußischen Bischöfe begehren nun, daß sie die katholische Religion im Sinne der päpstlichen Neuerung und der Jesuiten- Dogmen ungehindert lehren können, während die preußische Regie rung sehr richtig von der Ansicht auSgeht, daß, wenn die katho lische Religion immer eine so unantastbare, göttliche Wahrheit ge wesen, sie durch die Neuerung nicht hätte so eigenthümlich ver ändert werden müssen. Sie hat deshalb nicht zugelaffen, daß der katholische Religionsunterricht in den preußischen Schulen nach dieser Neuerung gelehrt werde und die alte Glaubensweise als gotteslästerlich oder doch ungläubig gelte. Dies Letztere erklären aber die Bischöfe für einen „offenen Eingriff in das Gebiet deS Glaubens und der Kirche", für eine» offenen Gewissenszwang. Deshalb legen sie feierlichst Protest dagegen ein und erwarten vom Kaiser Wilhelm Abhilfe, d. h. auf solchem Wege Anerkennung der neuen UnsehlbarkeitSlehre. Darauf kommt es ihnen vor Allem an, und indem sie die Freiheit der Kirche als ihr Recht hiustellen, welches bedroht sei, wollen sie das staatliche Recht und die Frei heit des Unterrichts geopfert wissen. Die Antwort des Kaisers hat ihnen bewiesen, daß sie mit diesen gewohnten Künsten diesmal nicht glücklich gefahren sind. Mit einer Würde und mit einem Ernst der Sprache werden fie abgewiesen, die sich wohl deS ungetheiltesten Beifalls aller nicht von Rom Fanatifirten erfreuen muß. Der Kaiser weist darauf hin, daß sich die katholische Kirche Preußens in einer so günstigen Stellung befinde, wie kaum in einem andern Lande, um so mehr aber müsse es ihm „unerwartet" gewesen fein, „in einer Hingabe preußischer Bischöfe Anklänge an die Spräche zu finden, durch welche auf publicistischem und parlamentarischem Wege versucht worden ist, daS berechtigte Vertrauen zu erschüttern", mit welchem bisher die katholischen Staatsbürger Preußens auf die preußische Regierung geblickt hätten. I» der That wissen die Bischöfe sich für ihre Behauptung auf kein factischeS Recht weiter zu berufen, als auf den Artikel in der Verfassung, der auch der katholischen Kirche die selbstständige Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten verbürgt. Lia Gesetz aber, wie sich diese Kirchenfreiheit mit dem vom Staat beaufsich tigten Schulunterricht ohne Schaden deS letzteren wie auch der ersteren vereinigen läßt, existirt noch nicht. Der Kaiser konnte des halb in seiner Antwort den Bischöfen die Anbahnung gesetzlicher Maßregeln in Aussicht stellen, doch bis die» aus verfassungsmäßigem Wege erfolgt sein wird, liegt denn der Regierung nicht» Andere» ob, als jeden ihrer Bürger in seinem Rechte nach Maßgabe der bestehenden Gesetze zu schützen. Was also der Papst seinen Bischöfen und Gläubigen von Rom aus vorschreibt, darnach braucht man sich zum Glück in unsern deutschen Staaten ebenso wenig zu richten, wie die kaiserliche Re gierung selbst. Und ahmen erst alle Monarchen Europas da» vom Kaiser Wilhelm gegebene Beispiel nach, dann wird der Unfehlbar keits-Hochmuth deS vaticanischen ConcilS nichts weiter gewesen sein, als ein Schlag ins große, weite Meer, dessen Wogen ruhig weiter rauschen. LageSgeschichte. Berlin, 21. November. Der Reichstag genehmigte in zweiter Berathung den Etat der Marineverwaltung. Die Ausgaben, be treffend die Besoldungsverbesscrnngen der Reichsbeamten um 16g Prozent, wurden ebenfalls genehmigt. — Der CultuSminister v. Mühler ist, wie die „Trib." mit- theilt, an den Pocken erkrankt. — In letzter Zeit lief durch verschiedene Blätter die Nachricht, daß die vormalige Königin von Hannover zur römisch-katholischen Kirche übcrgetreten sei, wurde aber von dem „Hannoverschen Tageblatt" und der „Hannoverschen LandeSzeitung", zwei Welsen« blättern, dementirt. Jetzt meldet indessen auch die „Voce della verita", ein in Rom erscheinendes Jefuitenblatt, daß der Ueber- tritt der Königin zur katholischen Kirche wirklich erfolgt ist. Koblenz, 19. Novbr. Infolge der Explosion beim Entladen von Sprenggeschossen an der Nauendorfer Fläche sind bis zum Sonntag früh gestorben zehn Mann. Schweroerwundet stad neun und einige nur leicht. Karlsruhe, 21. November. Die bei der Eröffnung deS Land tages gehaltene Thronrede gedenkt der großen Ereignisse der letzten Jahre, sie bezeichnet eS als unumgängliche Pflicht des Groß herzogs, auf wesentliche Kronrechte zu Gunsten des deutschen Vater landes zu verzichten und dadurch zur Hebung der Kraft und des AnsehenS deö Reiches beizutragen, sie kündigt Gesetzesvorlagen über die Einführung des deutschen Strafgesetzbuches, der Ausgleichung der Kriegslasten und der Schäden, sowie eines Gesetzes über Ge haltsaufbesserung an. Der Staatshaushalt sei trotz de» letzte« Krieges in guter Ordnung. Wegen der verzögerten Aufstellung des Reich-hauShaltSetatS fei ein sicherer Voranschlag der Einnahme^ und Ausgaben augenblicklich unthuulich. Hit Vorlage de- VudgrH