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möMr AiUM und Tageblatt. Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. ^-214. Erscheint t. Freiberg jed. Wochent. Ab. 6 U. für den mb. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Donnerstag, den 14. September Pret« vierteljährl. 2V Naz, Inserate werden di« gespalten« ZM« od«r deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1871. Freiberg, den 13. September. Künftigen Sonntag, am 17. d. M., wird man am Fuße des Mont LeniS ein Fest begehen, welches unter allen ähnlichen in der neueren Lulturgeschichte doch wohl als das großartigste dasteht. ES ist ein Triumphfest der menschlichen Intelligenz, der menschlichen Ar beit, wie eS sich seit dem letzten Jahrzehnt durch die electrische Verbindung der beiden Erdhälften, durch den Bau der Pacific-Bahn, durch die Durchstechung des Suez-Kanals — mancher anderen Riesenschöpfungen nicht zu gedenken — immer glanzvoller wieder holt hat. Wer empfände Angesichts solcher Schöpfungen, die alle anderen seit frühesten Zeiten an Kühnheit und Großartigkeit über treffen, nicht den Stolz mit, einem Zeitalter anzugehören, in welchem so viele Beweise von der Kraft der Menschen zu den all gemeinsten segensreichen Zwecken gegeben werden? Sie bieten uns Trost für die vielen Unvollkommenheiten der Menschheit, für die unvertilgbar scheinende Anwendung der menschlichen Kraft zu Zwecken eigener Vernichtung und Selbstzerfleischung; sie lassen den Glauben nicht abschwächen, daß diese Entfaltung unserer Cultur die Mensch heit auch auf allen anderen Gebieten zum Besseren empor heben werde. Machen wir unS in Kürze die riesigen Verhältnisse klar, welche für den Bau oder vielmehr die Bohrung dieses Tunnels durch einen der FelSgiganten der Alpenkette in Savoyen überwältigt wer den mußten. Die Gesammtlänge des Tunnels beträgt 12,800 Meter, also mehr als 1z deutsche Meilen. Etwa vier Stunden von dem bisherigen Uebergange, in einer Höhe von 3873 Fuß über dem Meeresspiegel, ist der Mont Cenis durchbohrt worden, um in einem wunderbaren Baue Madane und Bardonneche, Italien und Frankreich, durch die Schienenstränge zu verbinden. Die Kosten des Riesenunternehmens, welche man auf etwa 65 Millionen Francs veranschlagt, waren vertragsmäßig von der italienischen Regierung zu tragen. Jedoch gehen davon zunächst 20 Millionen ab, welche die Victor LmanuelS-Bahn nach Voll endung der Arbeiten zu zahlen verpflichtet ist. Sodann aber ist Frankreich durch den betreffenden Vertrag gehalten, eine Summe von 19 Millionen zu entrichten, falls das Werk, vom 1. Januar 1862 ab gerechnet, im Verlaufe von 25 Jahren fertig gestellt würde, und überdies eine Prämie von einer halben Million für jedes Jahr, um welches diese Frist abgekürzt wird. Nun begann man mit den ersten Arbeiten im Jahre 1857 und mit der Durchbohrung des Tunnels selbst vermittelst der von Somviller erfundenen Maschine drei Jahre später. Schon nach zehn Jahren, gerade zu Weihnachten 1870 — während die KriegS- furie noch die zwei großen Völker der Deutschen und Franzosen gegen einander führte — wurde dies FriedenS-PreiSwerk vollendet, indem die letzte Scheidewand zwischen den von beiden Seiten kom menden Arbeitern vom Bohrer durchstoßen ward. Italien hat der Culturgeschichte unserer Zeit dies Denkmal menschlicher Energie und Kraft in Ehren überliefert. Die französische Regierung wird außer den 19 Millionen Beitrag noch etwa 8 Millionen für Prämien zu zahlen haben, so daß Italien selbst der Bau nicht mehr wie 18 Millionen kosten dürfte. Nicht gleichgültig soll der Mensch die Nachricht von solchen Schöpfungen aufnehmen, welche unsern Eltern noch für tolle Ueber- schätzung der menschlichen Fähigkeit erschienen wäre. Jene phanta stische Zauberkraft, welche die Meere überbrücken und die Gebirge durchschneiden kann, sie ist wirklich da, und sie muß oothwendig die Werthschätzung der menschlichen Kraft in Aller Augen erhöhen. E- verfällt damit die Anmaßung deS Einzelnen ins Lächerliche, de« Geist der Menschheit Stillstand gebieten zu wollen; eS hebt sich damit die Natur der Menschheit, welche den höchsten Zielen zu geeilt ist, mehr und mehr aus dem Kleinlichen und Gemeinen. Wir sehen den Fortschritt, wir erkennen die wahre Segens-Mission des Menschen durch die Arbeit. Diese Lehre — muß sie uu- nicht dahin führen, an eine Vervollkommnung auch des menschlichen Gei- , steS nach allen anderen Richtungen hin zu glauben? Tagesgeschichte. Berlin. Aus Anlaß der Mittheilung über die Zahlung der dritten halben Milliarde der französischen Kriegscontributton an die deutsche ReichScasse hat ein Korrespondent der „Wests. Ztg." sich der Mühe unterzogen, die Daten zusammenzustelleu, welche bisher über die Verwendung dieser Summe bekannt geworden find. Zunächst ist zu beachten, daß von den 1500 Millionen Franken 325 Millionen als Kaufpreis für die elsaß-lothringischen Eisen bahnen in Abrechnung gekommen sind. Der Rest betrat also 1175 Millionen Franken, gleich 313 Millionen Thaler. Von der letzten Summe reservirt das Reichskanzleramt zunächst nach Maß gabe der verschiedenen bereits erlassenen Entschädigungsgesetze für Dotationen der Generale 4 Millionen, desgleichen der Landwehr männer und Reservisten 4 Millionen, für die aus Frankreich ver triebenen Deutschen 2 Millionen, für die deutsche Rhederei min destens 7 Millionen, für die zerstörten Städte in Elsaß-Lothringen und die dort erhobenen Kriegsleistungen mindesten- 20 Millionen, für die Ausrüstung der elsaß lothringischen Bahnen mit Betriebs mitteln 5 Millionen, zusammen 42 Millionen Thaler. Demnach blieben noch verfügbar 271 Millionen Thaler. Nach den vom BundeSrath am 23. Juni gefaßten Beschlüssen wäre da- Reich-- kanzleramt ermächtigt, hiervon allein 240 Millionen Thaler zur Versorgung der Invaliden und 40 Millionen Thaler zur Bildung eines Reichskriegsschatzes vorläufig unter Vorbehalt der Zustim mung des Reichstages zu reserviren. Darnach würden die nord deutschen und süddeutschen Staaten überhaupt von der französischen Kriegsentschädigung noch Nichts zu sehen bekommen. Indessen hat man von der Dotation jener Fonds aus den ersten beiden Milliarden gutem Vernehmen nach in der Hauptsache Abstand ge nommen. Wir dürfen annehmeu, daß von den 271 Millionen uur etwa 31 Millionen für allgemeine Reichszwecke (Jnvalideaver- sorgung, Ausbau elsaß-lothringischer Festungen, Betriebsfonds) reservirt werden. Demnach kämen also noch 240 Millionen Thlr. innerhalb diese- Jahres zur Vertheilung an die norddeutschen Staaten einerseits und die einzelnen süddeutschen Staaten anderer seits. Einzelne Posten davon sind in München, Karlsruhe und Stuttgart ja auch bereits angekommen. Die Vertheilung erfolgt nach dem Verhältnis der militärischen Leistungen jedes Theil-, wie eS sich aus dem Effectivbestand der von ihm gestellten Mannschaften und Pferde ergiebt. Danach erhalten Bayern, Württemberg, Baden und Südhessen für rund 3 Armeecorp- zusammen ein Sechstel oder 40 Millionen Thaler, Norddeutschland für über 15 Armeecorps fünf Sechstel oder 200 Millionen Thaler. Da- süd deutsche Sechstel von 40 Millionen Thaler würde stch etwa wie folgt vertheilen -. Bayern 24 M., Württemberg 7 M., Baden tz