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2020 Lotchah und Kuhn auf der einen Seite, wie Graf Hohenwart auf der andern Seite ihren Standpunkt aufgeben wollen. Die Lösung wird von der Entschließung des Kaisers abhängen, der sich die Ent scheidung Vorbehalten hatte. Inzwischen conferirt hier Graf Hohen wart mit zwei czechischen Unterhändlern und scheint Alles daran zusetzen, um seiner Politik nach dieser Episode den unverweilten Fortgang nach seinem ursprünglichen Plane zu sichern. Irren wir in der Beurtheilung der vorherrschenden Stimmung nicht, so ist die Möglichkeit, daß eS zu einem Compromiß kommt, nun aus geschlossen und streben beide Parteien nunmehr nach einer defini tiven Lösung. — 24. October. Graf Elam - Martinitz und vr. Rieger find heute hier eingetroffen, um mit dem Ministerpräsidenten Grafen Hohenwart über das kaiserliche Antwortrescript auf die Adresse des böhmischen Landtags zu unterhandeln. Es wird ver sichert, Hohenwart werde seine Demission geben, wenn der Entwurf des AntwortrescriptS auf die böhmische Landtagsadresse nicht von den Vertrauensmännern der staatsrechtlichen Opposition gebilligt wird. — Angesichts mehrerer im galizischen Landtage eingebrachten Petitionen zu Gunsten deS ungestörten Aufenthaltes polnischer Emi granten in Galizien soll dem ..Wanderer" zufolge die russische Re gierung die Weisung ertheilt haben, daß polnische Flüchtlinge, welche nickt schwer compromittirt find und die sich bei einer russischen Ge sandtschaft oder der kaiserlichen Statthalterei in Warschau deshalb melden, nach Rußland zurückkehren dürfen. Paris. In den Kellern der Bank lagern seit einigen Jahren mehrer« Millionen päpstlicher 2-, 1- und ^-Frankenstücke, welche Pius IX. in Frankreich hatte prägen lassen, als er eS für ange messen befunden, ohne dem französisch.schweizerisch.belgisch-italienischen Münzvertrage ausdrücklich beizutreten, dennoch seine Münzen auf dem so geschaffenen Fuße berzustellen, wie dies später Rumänien und Griechenland in ähnlicher Weise gethan. Nun beschränkt aber jener Mänzvertrag das Recht der Ausprägung von Silberscheide münze in den betreffenden Staaten nach dem Verhältniß der Kopf zahl. Cardinal Antonelli hatte sich daran nicht gekehrt, sondern Scheidemünze prägen lassen, die weit über die zukömmliche Zahl hinausging. Damals wurde eine Zeit lang die Circulation jener päpstlichen Frankenstücke auS diesem Grunde inhibirt und der Kirchenstaat ließ in der Folge eine ziemliche Anzahl dieser Münzen ia den Kellern der Bank von Frankreich liegen, um sie nur nach und nach erst in Verkehr zu bringen. Jetzt aber, wo die Klein- geldnoth in Paris so hoch gestiegen, schlägt man vor, diese Münze zu benutzen und sie sofort in Umlauf zu setzen. Es heißt, daß man in Brüssel, Bern und bei der italienischen Regierung anfragen läßt, ob man ausnahmsweise die Uebertretung der bezüglichen Con vention gestatten wolle. (Die Bank giebt die oben erwähnten ver pönten päpstliche» Silbermünzen auS.) — Gambetta hat als Führer der Radikalen eine Art von Manifest veröffentlickt, in welchem er den Wahlen zu den General- räthen eine große Wichtigkeit beilegt und diese Räthe auffordert, hauptsächlich sich mit Aufbesserung der inneren Zustände zu be schästigen, um zu gelegener Zeit — Rache für Sedan zu nehmen. Gambetta will Deutschland besiegen, die verlorenen Provinzen wiedererobern und dann —den europäischen Frieden sichern. Gam betta scheint schon vergessen zu haben, welches Unheil er mit seinem Schreien nach „Rache für Sadowa" angerichtet hat. — Während der Prinz Napoleon sich nach Corsika begiebt, bleibt der Herzog von Aumale auch nicht müßig. Kaum zum Generath ernannt, hat der Herzog an sämmtliche Bürgermeister seines CantonS einen Brief geschrieben, um sie zu bitten, ihn mit den Bedürfnissen ihres CantonS bekannt zu machen. Er hat dem Unterpräfecten einen Besuch gemacht und eine große Zahl von Bürgermeistern und Notabilitäten in dem Hotel, wo er abgestiegen war, um sich ver sammelt. Nach dieser kleinen politischen Reise ist er nach Chantilly zu den Herbstjagden zurückgekehrt. — Das Ereigniß des Tages, schreibt man der „N. Pr. Z.", ist ein Manifest, welches Gambetta in der Form eines Briefes an ein Departementalblatt vom Stapel gelassen hat. Er findet, daß das Resultat der Wahlen zu den Generalräthen eine Niederlage nicht bloS für die Monarchisten, sondern auch für die formalistischen Republikaner und für die „impertinente" Theorie gewesen sei, der gemäß eine Republik ohne Republikaner hergestellt werden solle. Der Assemblee giebt er den Laufpaß, die Wahlen hätten sie vor die Wahl einer Usurpation oder der Auflösung gestellt. Versailles, 23. October. Der Ministerrath beschloß, der Nationalversammlung das VerbannungSdecret der ganzen Familie Napoleon zu unterbreiten. --- Die größere Anzahl der biS jetzt be kannt gewordenen gewählten Präsidenten drp Gumäthe sind An hänger der Politik der Regierung Wie man vernimmt, ist der Finanzminister Pouyer-Quertier im Departement Seine inkörieure zum Präsidenten erwählt. Brüssel, 22. October. Von den wegen Theilnahme an dem Aufstande der Communisten in Paris verhafteten Belgiern find, wie der „Moniteur" mittheilt, 133 in Freiheit gesetzt worden. 183 befinden sich noch in Haft. — 23. October. Die „Jndspendance belge" meldet auS Ver sailles, eS seien Unterhandlungen im Gange wegen gänzlicher Räu mung Frankreichs feiten der deutschen Truppen. London, 23. October. Einem vielverbreiteten Gerüchte zufolge wurde die Königin in der letzten Nacht von einem bedenklich aus tretenden rheumatischen Anfalle betroffen. — Die „Times" veröffent licht Mittheilungen über die Unterredung eines ihrer Mitarbeiter mit dem Kaiser Napoleon, denen zufolge der Kaiser erklärt habe, er glaub« nickt an eine Bonapartistische Verschwörung, weil Frankreich sich von seinem Unglück ruhig erholen müsse und das gegenwärtige Provisorium keine Regierungsform ausschließe; auch könne kein Kammerbeschluß, sondern nur ein regelrechtes PlebiScit ihm daS von der Nation übertragene Mandat nehmen. Den Offizieren, welche sich, als durch ihr Wort gebunden, an ihn gewandt hätten, habe er daS Verbleiben im Dienste ihres Landes gestattet. - Die „Times" widerspricht der von dem „Reuter'schen Büreau" gebrachten Nachricht, daß die Landung des Prinzen Napoleon ohne Störung abgelaufen sei; vielmehr seien zwischen den hingeschickten Chafseur- osfizieren und den Verabschiedeten Zwistigkeiten vorgefallen, welche die Behörden zu strengem Einschreiten veranlaßten. Rom, 23. October. Die „Opinione" meldet, daß durch königl. Decret die gegenwärtige Session der Kammern geschlossen und die neue Session am 27. November eröffnet werden soll. New-Aork, 20. October. In Winnepeg herrscht große Aus regung, da nahe beim See Shebandowau ein Goldlager entdeckt sein soll. Große Menschenmassen setzen sich dahin in Bewegung. Sachsen. Freiberg. Oeffentliche Gerichtssitzungen den 17. November Vormittags 9 Uhr zur Einspruchverhandlung in der Untersuchung wider Friedrich August Ernst Zill von Großschirma wegen Hehlerei; Vormittags r/,10 Uhr zur Einspruchverhandlung in der Unter suchung wider Friedrich Heinrich Schroth in Freiberg wegen Be leidigung; Vormittags 10 Uhr zur Einspruchverhandlung in der Untersuchung wider Johanne Christiane verehel. Schmidt in Hals brücke wegen Ehrverletzung. — Von dem Vater des in der Nacht vom 8. zum 9. d. M. in Sedan durch Mörderhand gefallenen sächs. Unteroffiziers Berger wird den „Leipz. Nachr." folgendes Schreiben deS Compagniechefs, Herrn Hauptmann von Bülow, zur Verfügung gestellt: Sedan, am 17. October 1871. Geehrtester Herr Berger! Soeben erhalte ich Ihren Brief und beeile mich, Ihnen die näheren Einzeluheiten über den unS Alle und vorzüglich die Compagnie-Kameraden be- trübenden Tod Ihres Sohnes Richard mitzutheilen. Die letzte Todesursache war allerdings der Hirnschlag, aber leider durch äußere Veranlassung, nämlich durch emen Messerstich von Mörderhand hervorgerufen. Also hören Sie den ganzen Zusammenhang: Ihr verstorbener Sohn war am 8. d. M. zum SchankhauSdienst com- mandirt und ging seiner Instruction gemäß AbendS nach 411 Uhr durch die hiesige Vorstadt Torcy, um sich zu überzeugen,' ob alle diejenigen Locale, welche nur bis Abends 10 Uhr geöffnet haben durften, geschlossen seien. Plötzlich springen hinter einer Hausecke zwei Civilisten, also zwei Franzosen, hervor, von denen der eine ihm einen Hieb auf den Kopf versetzte, und der andere, noch ehe Ihr Sohn nach dem Seitengewehre zu greifen im Stande ist, diesem den unglücklichen Messerstich in den Nacken beibrachte. Ihr lieber Sohn, der hiernach, wie er mir selbst am folgenden Morgen noch klar und deutlich sagte, besinnungslos niedersank, wurde zunächst nach einer benachbarten Wache und von dort, nachdem die Besinn ung zurückgekehrt war, in die Kaserne geschafft Am Montag Mor gen früh 9 Uyr wurde er in daS hiesige Militär-Lazareth überge führt. Nach Aussage der Aerzte war von nun an sein Zustand, wenngleich nicht ohne Bedenken, doch sehr befriedigend, so daß er am Mittwoch früh gerichtlich über den Vorfall vernommen werden sollte. Aber der allmächtige Gott hatte anders über ihn verfügt! In der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag vertiefte sich die Wunde durch den Eiter nach Innen derartig, daß eine Oeffvung in das Gehirn emstand, wodurch nun nach etwa zweistündiger Be wußtlosigkeit Donnerstag früh H7 Uhr ein sanfter Tod erfolgte. Tiefergriffen sind wir Alle durch das Unglück und wüthend aus die Meuchelmörder. SS wurden und werde» noch heute die umfassM-