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und Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. 226. Erscheint i. Friberg jkd. Wvchmt. Ab. 6 U. für den and. Tag. Ins«, werden bl« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Donnerstag, den 28. September Prel« »terteljährl. 20 Ngr, Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 8 Pf. berechne«. 1871. 4- Freiberg, den 27. September. Wahrhaft wunderbar muß es erscheinen, daß gegen die päpst liche Unfehlbarkeitspolitik die Auflehnung der zunächst davon be troffenen Geister eine so schwächliche und schnell verschwindende ge wesen ist. Während jeder ähnliche politische Vorgang in einem der größeren europäischen Staaten bis zur Revolution führen würde, läßt es die katholische Welt zu, daß der Papst gleichsam durch einen Staatsstreich a I<r Napoleon sich zum absolutesten, weil unfehlbaren Herrn derselben macht. Die Bischöfe, welche damit von der freien, altkirchlichen Stellung zu gewöhnlichen päpstlichen Präfecten degra- dirt werden, fügten sich allesammt in ihre neue Unterordnung unter die Jesuitenherrschaft in Rom ; der gesammte Clerus gab kaum einen Widerspruch gegen solche offene Umwälzung der katholischen Kirchen verfassung kund; die katholischen Gemeinden zeigten sich mit weni gen Ausnahmen willenlos. Italien, Frankreich, Oesterreich — daS Katholikenthum in Mittel- und Südamerika: nirgends regte sich gegen diese römischen, bisher noch nie in solcher Art erhobenen Ansprüche eines seines Rechtes und seines Glaubens wirklich be wußter Geist. Willenlos nahmen KleruS und Masse hin, was der Papst zu Rom inmitten deS Zusammenbruchs seiner weltlichen Macht zur Aufrichtung eines überschwenglichen Absolutismus sich zudecretiren ließ. Ist die Bedeutung dieser Kirchenfrage für die Geister zu gering, als daß dieselbe sie zum Kampfe aufreizte? Oder bedarf eS einer Pause, ehe sich die Wirkung dieser Bewegung im Gegen stoß äußert? Der deutsche Norden ist eS jedenfalls wieder, welcher mit einem Geist ernster Energie allein den Kampf gegen das neu construirte, absolute und unfehlbare Papstthum beginnt. Wie er vor viertehalb Jahrhunderten durch die Reformation der damaligen Verdorbenheit des KirchenthumS durch die Päpste eine so schwere Niederlage zusügte, so erhebt jetzt in Deutschland allein ein gleicher Geist sich mit sittlicher Kraft gegen die neuen Gelüste Roms nach weiterer Entchristlichung der Kirche. Der Widerstand Döllingers und Friedrichs in München, sich dem Unfehlbarkeitsdogma zu unterwerfen, hat die gleich gesinnten Geister in Deutschland zum Handeln ermuthigt und den jüngst stattgefundenen Longreß der Altkatholiken zu Stande gebracht, mit dessen Beschlüssen eine neue Reformation, so wollen wir wenigstens hoffen, ihren Anfang ge nommen hat. Altkatholiken nennt sich diese Partei, weil sie in der neuen Lehre des unfehlbaren Papstthums einen Abfall von der alten Kirchenverfassung erblickt, der sie treu bleiben will. Und einmal in diesen Kampf gegen das die Kirche auszehrende Papstthum ge trieben, greift die Partei der Altkatholiken zu einer Reform der Kirche auf der Grundlage des ursprünglichen CultuS. Sie will im Papst nur den ersten der Bischöfe erkennen, waS er nach dem alten Kirchenrecht auch nur war; denn papa ward ein besonderer Titel deS römischen Bischofs, ohne daß er aber eine Machtsülle verlieh, wie sie sich die späteren Päpste zugelegt haben. Die Alt katholiken wollen ferner die Freiheit der Gemeinde gegenüber dem KleruS in althergebrachter Weise wieder errichtet wissen, und wenn sie in diesem Punkt, welcher die wichtigste und wahrhaft reinigende Reform betrifft, noch nicht so energisch vorgehen, daß sie geradezu die Wahl des Priesters und der Bischöfe durch die Gemeinde er streben, so wird die Fortsetzung der Bewegung diesem Ziele sich naturgemäß am meisten zuwenden. Indem sich diese Bewegung wesentlich gegen die durch daS Papstthum bewirkten Mißbräuche und Ausartungen im Schooße der Kirche richtet, fordert sie auch die unbedingte Aushebung deS Jesuitenordens, der erwiesenen Ursache aller falschen und corrumpiren« den Moral. Ebenso will sie eine Wiedervereinigung mit der griechischen und russischen Kirche, sowie eine „auf dem Wege der Wissenschaft und fortschreitenden Cultur" zu bewirkende Ver ständigung mit dem Protestantismus erzielen. Denn wie sie selbst, so gingen ja auch diese Kirchenreformen nur auS dem Ab wehren der päpstlichen Anmaßungen hervor und der gemeinsame Grund deS überlieferten christlichen Glaubens ist ihnen geblieben. Wir wollen wünschen, daß die große Aufgabe, welche der Münchener altkatholische Congreß sich gestellt hat, richtig und energisch von ihm der weiteren Lösung zugeführt werde. Tagesgeschichte. Berlin, 26. Septbr. Der Kronprinz des deutschen ReicheS und von Preußen hat unterm 1. d. an den Verwaltungsausschuß der Kaiser - Wilhelms - Stiftung für deutsche Invaliden daS nach stehende Handschreiben erlassen: „Durchdrungen von dem Gefühle, daß e- eine heilige Pflicht unsers Volke-, ungesäumt sich Derer anzunehmen, welche in dem Kampfe für das Vaterland ihr Alles freudig eingesetzt, ist von Mir durch den Aufruf ü« «lato RheimS, den 6. September 1870 und auch von anderer Seite die Mahnung ergangen, daß die ganze Nation in freier Thätigkeit zur Begründung einer Stiftung sich vereinigen möge, um den heimkehrenden Invaliden und den Hinterbliebenen der Gefallenen ihre Hingebung zu lohnen, ihre Leiden und Entbehrungen zu mildern. Wie sehr unfre Fürsorge während der Dauer des Krieges vor Allen unsern, unter den Waffen stehenden Soldaten und deren Angehörigen in der Heimath gewidmet war, so hat eS der Jnvalidensttftung dennoch an hochherzigen Gaben auS allen deutschen Gauen und von unsern in fremden Ländern und fremden Zonen weilenden Brüdern nicht gefehlt. Aber überaus zahlreich find die Opfer de- gewaltigen Krieges, dem Deutschland seine Wiedergeburt schuldet, und groß, wie unsre Erfolgt, muß auch der Dank unser- Volkes sein. Der Hilfe des Staates, so reich ste bemessen, find naturgemäß Schranken gesetzt, über welche hinaus manches Bedürfniß zu befriedigen, mancher billige Anspruch zu berücksichtigen bleibt. An der Nation ist es, in freier LiebeSthätigkeit zu gewähren, was das Loos unsrer Invaliden und da» herbe Schicksal der Hinterbliebenen unsrer gefallenen Krieger erleichtern kann. Der zu allem Großen bereite herrliche Sinn unsers Volkes, der sich vor Jahres frist einmüthig erhob und während des ganzen langen und furchtbaren Kampfes in herzerhebender Weise bewährte, wird sich — de« bin Ich sicher — auch bei diesem Liebe-werke nicht verläugnen. Nachdem nun die für alle Theile des deutschen Reiches bestimmte, unter dem Protectorate Sr. Majestät des Kaisers stehende Kaiser-Wilhelms-Stiftung fest begründet ist, richte Ich an den Verwaltungsausschuß derselben die dringende Aufforderung, unverwetlt seine Thätigkeit zu beginnen und Schritte zu thun, um die Theilnahme der durch den Krieg geeinten Nation für die Opfer desselben in Anspruch zu nehmen. Friedrich Wilhelm, Kronprinz." — Man schreibt der „Schles. Ztg": Da aus der von Frank reich zu zahlenden Kriegscontribution in erster Linie unsere Kriegs kosten gedeckt werden sollen, so soll jetzt auch die fünfprocentige Anleihe deS norddeutschen Bundes, welche auf Grund deS Gesetzes vom 21. Juli 1870 gemacht wurde, gekündigt werden. Der Ent wurf des dazu nöthigen Gesetzes liegt bereits dem BundeSrathe vor. Nach demselben wird der Reichskanzler ermächtigt, die Schuld- Verschreibungen zur Einlösung des Capttalbettags mit einer Frist von 3 Monaten zu kündigen und die Mttel zur Einlösung au» dem auf den vormaligen norddeutschen Bund fallenden Antheile von der französischen Kriegsentschädigung zu nehmen. Die preu ßische Hauptverwaltung der Staatsschulden hat die Kündigung und Einlösung der betreffenden Schuldverschreibungen zu besorgen. — Der Reichskanzler bat am 19. Sept, de» Entwurf eine» Gesetzes, betreffend dir Bildung eines RriHNriegsfchatze», dM