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Ireiöerger Anzeiger und T agebla t t. Amtsblatt deS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. «erscheint t. Freibergjed. Wochmt.Ab. ' " _ — , ,Prei» »ierteljLhrl. 2» Ngr. Inserate H 8 U. für den and. Tag. Jnser.werdm DtkNstaa, veN 0. Ottover werden die gespaltene Zeil« oder deren I I bi«V. 11 U. für nächste Nr.-ngen. "Naum mit 8 Pf. bttechnet. Freiberg, den 2. October. Deutschland, oder um uns der officiellen Bezeichnung zu be dienen, das deutsche Reich wird bitter vom Papst und seinen Anhängern gehaßt und angefeindet. Wir können uns trösten, denn eS find die schlechtesten Früchte nicht, an denen Wespen nagen. Der unfehlbare Pius IX., oder vielmehr die Jesuiten, welche den alten Mann am Gängelbande führen, schmeichelten sich eine zeitlang der Hoffnung, Kaiser Wilhelm werde nach dem Sturze Napoleons sich dazu hergeben, der Schirmherr des Papstes zu werden. Von derartigen Phantasien find heute diese schlauen Herren gänzlich zurückgekommen, wie dies recht klar die Mainzer Katholiken - Ver sammlung lehrte. Allein für wen die damaligen Reden gegen den „Mann von Blut und Eisen" noch nicht klar genug find, dem öffnet daS officiöse Organ des heiligen Stuhles „Oivilta cattolica" vollends die Augen. Wir geben aus dem neuesten Heft dem Leser eine Probe römischer Unverschämtheit. Cs heißt darin: „Der Pietismus Wilhelm I. schien nur das Ende deS französisch-deutschen Krieges abzuwarten, um einen anderen, unblutigen, aber nicht minder verderblichen Krieg zu beginnen: den gegen den katholischen Clerus und den heiligen Stuhl, Zum Vorwande dienten die LoncilSbeschlüsse über die päpstliche Unfehlbarkeit. Die Verfolgung der katholischen Kirche (?) sollte aber zugleich eine Repressalie für daS Verhalten gewisser katholischer Abgeordneten sein. Weder die Feste beim Einzuge der Truppen, noch die Freude über die vom Kaiser erhaltene Belohnung im Werthe von 3,750,000 Francs (Lauenburg'sche Ländereien) wandten Bismarcks Sinn von einem neuen Kriege ab. Diesen erklärte er der katholischen Kirche und dem heiligen Stuhle in einer sehr würdigen Weise, d. h. so, daß er sogleich die katholischen Abgeordneten, die ihm im Reichstage Opposition gemacht hatten, und den heiligen Stuhl traf, indem er schlau den Cardinal Antonelli zu einer scheinbaren Mißbilligung des Verhaltens jener Katholiken verleitete und so zwischen diesem und dem heiligen Stuhl Mißtrauen, wenn nicht Uneinigkeit auszu streuen suchte. Nachdem durch die offenen Erklärungen Antonelli'S jede Gefahr einer Entfremdung zwischen den deutschen Katholiken und dem heiligen Stuhl beseitigt war, griff Bismarck zu einem anderen Vorwand, um den Krieg gegen den KatholiciSmuS fortzu setzen. Trotz der Hirtenbriefe der Bischöfe erhoben seine Organe ein Geschrei über die Jnfallibilitätserklärung. Sie ahmten die Praxis BiSmarck'S nach, welcher, nachdem er 1866 den Krieg vorbereitet und unvermeidlich gemacht, den Angegriffenen spielte u. s. w." Genug davon! Solches Gebräu von Lüge und Unverschämt heit erregt Ekel. ES ist ja nur alte Tactik, den JesuitismuS mit der katholischen Kirche zu verwechseln. Daher macht man der deut schen Regierung den Borwurf, die katholische Kirche zu unterdrücken, während sie doch allen treuen Katholiken den Schutz der Staats gesetze gegen die Verfolgungen jesuitischer Bischöfe angedeihen läßt. Uebrigens freuen wir uns aufrichtig über derartige Stimmen auS Rom. Sie klären die Situation und drängen die Regierung, eine immer entschiedenere Stellung gegen den JesuitismuS zu nehmen. Und hierzu fehlt es wahrscheinlich nicht an Anlaß. Wird erst, nach dem Beschluß der Altkatholiken-Versammlung in München, mit Bildung von Gemeinden vorgeschritten und stehen dann an ein und demselben Orte zwei katholische Gemeinden sich gegenüber, so tritt an den Staat die Frage: welche von ihnen repräsentirt die katho lische Kirche, für welche find die Grundrechte der Verfassung ge schrieben? Die Verfassung hat ihre Gewissensfreiheit nicht so ver standen, daß Papst, Bischof oder ÖrtSpfarrer die Freiheit erhalten, die Gewissen der Bekenner zu bedrücken. Wenn, wie jetzt, die Lehren der Kirche schwanken, wenn die Kirche selbst ihre bisherigen Ueber- lieserungen gegen neue eintauscht, eine Gemeinde aber an den alten Ueberlieferungen festhält und die Rechte in Anspruch nimmt, welche die Verfassung ihr zuerkennt: so entsteht eine Verlegenheit, welche keine bloS theologische Meinung zu beseitigen vermag. Thatsächlich liegt ein solcher Fall bereits höchster Entscheidung vor und zwar in der schlesischen Stadt Kattowitz, wo die altkatholische Gemeinde die Auslieferung ihrer Kirche, die Befreiung von der Beisteuer zur Ge meinde der Unfehlbaren und die Herausgabe der Kirchenbücher ver langt. Man darf auf die Entscheidung der Regierung um so ge spannter sein, als davon die fernere Bewegung auf kirchlichem Ge biet ungemein wesentlich betroffen wird. Für daS deutsche Reich aber ist es eine Ehre, als Vorkämpfer gegen JesuitismuS und rö mische Hierarchie in erster Linie zu stehen. Die Krists in Oesterreich scheint doch nicht einen so schnellen Verlauf zu nehmen, wie man anfänglich vermuthete. Sind die Darstellungen ungarischer Blätter richtig, so dürfte sich dieselbe bis in das neue Jahr hineinziehen. Darnach hätte das Ministerium Hohenwart bis zum 7. Februar 1872 freies Spiel und erst, wenn bis dahin der innere Frieden nicht hergestellt sein sollte, würde Graf Hohenwart eS als seine Pflicht betrachten, zurückzutreten. Zur Zett der Verhandlungen, die dem Amtsantritte deS Ministeriums vorangingen, soll nämlich der jetzige Ministerpräsident eS ausge sprochen haben, daß er innerhalb eines Jahres den Frieden im Innern Herstellen oder zurücktreten werde. Demgemäß ließe der Kaiser dem Grafen Hohenwart vollständig freie Hand und übe keinen Einfluß auf die RegierungSpolttik. Wie die Partie gegen wärtig steht, ist an die Herstellung des Friedens nicht zu denken. Schlimmsten Falles experimentirt also Hohenwart bis Februar 1872, um dann für neue Experimenteurs den Platz zu räumen. In Frankreich tritt die Leitung der auswärtigen Angelegen heiten mehr und mehr in die althergebrachten Bahnen. Gegen daS Königreich Italien, dessen Entstehung Thiers jüngst als einen der schwersten Unglücksfälle Frankreichs bezeichnete, werden wieder die Gefühle hervorgekehrt, welche das französische Kaiserreich gegen dasselbe hegte. ES wird das Patronatsverhältniß Frankreichs zu Italien betont und die Erhaltung der freundschaftlichen Beziehungen dieser Staaten zu einander als ein gegenseitiges Interesse hervor gehoben. Aber noch weit mehr liebäugelt Frankreich jetzt mit Ruß land. Alle Momente hebt man hervor, welche eine Allianz dieser Staaten gegen das übrige Europa baldigst schaffen können. Ls läßt sich wohl auch nicht leugnen, daß ein russisch-sranzöstscheS Zu sammengehen ein ganz naturgemäßes Ereigniß wäre; denn eS collidiren in Europa die Interessen Frankreichs am wenigsten mit denen Rußlands, und deshalb betrachteten sich diese beiden Staaten schon seit langer Zeit als natürliche Alliirte. Der Krimkrieg änderte zeitweise dieses Verhältniß. Der bekannte Streit über die heiligen Stätten in Palästina nahm durch verschiedene Nebenzwecke eine Bedeutung an, welche ihm Frankreich von vornherein gar nicht beizulegen gedachte und die diesen Staat zwang, den russische» Plänen im Orient entgegenzutreten. Principiell hat jedoch Frank reich gar keinen Grund, gegen die russischen Eroberungspläne in dieser Richtung zu agiren, sobald eS selbst zur Ausgleichung eine Entschädigung erhält. Und wo diese Ausgleichung zu suchen wäre, liegt wohl sehr aus der Hand. Elsaß-Lothringen wird man mcht sobald verschmerzen können. Daß aber das Zusammenfallen der fran zösischen und russischen Interessen nicht zu einer gemeinsamen Action gegenDe^ des Fürsten Bismarck gesorgt.. Hat sich Rußland rm vergangenen Jahre bei der franz. Kriegserklärung nicht entschließen können, mit Frankreich gemeinschaftlich gegen Deutschland vorzugehen, so kann dies bei den gegenwärtigen europäischen Verhältnissen unter keiner Bedingung erwartet werden. Vielmehr liegt es setzt mehr als se im Interesse Rußlands, sein» Begehungen gu Deutschland notz,