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Elbing, 11. September. Nm 9. d. find polizeilich gemeldet: au der Cholera erkrankt 12, gestorben 4 Personen. Im Ganzen find bi- zum 9. d. Abend- gemeldet : erkrankt 97, gestorben 58 Per sonen. Danzig, 11. September. Vom 9. zum 10. d. waren an der Cholera erkrankt: 1 Person, gestorben 1 Person ; vom 10. bis 11. Mittag-: 3 Personen erkrankt und 3 gestorben. Sämmtliche Fälle kamen innerhalb der Stadt vor. Stettin, 11. September. Von vorgestern bi- heute find im Ganzen 5 neue Cbolerafälle gemeldet, davon 4 mit tSdtlickem Aus gange. In Behandlung befindet sich noch ein Knabe von 10 Jahren. Mainz, 9. September. Vom 11. bis 14. d. soll hier die „Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands" statt- fiuden. In dem Augusthefte des Mainzer „Katholiken" werden der selben folgende Aufgaben gestellt: „Bor allem" soll sie sich „des Rechtes de- h. Stuhles (auf den Kirchenstaat) annehmen und die gerechte und christliche Bewegung durchführen, welche voriges Jahr stl Fulda angeregt wurde und welche nicht ruhen darf, bis die deutsche Politik dem Schutze eines sacrilegischen Raubes entsagt." Dann muß die Versammlung der „modernen Häresie" mit voller Festigkeit entgegen treten; daS deutsche Volk muß durch den Mund der selben laut erklären, daß eS die Jnsallibilität der UniversitätS- rectoren so wenig anerkennt als die der CultuSminister; sie muß wiederholt in der feierlichsten Weise die volle und freudige Unter werfung unter das vatikanische Coneil auSsprechen." „Auch die Stellung der katholischen Kirche im deutschen Reiche wird die Auf merksamkeit der Versammlung im hohen Maße in Anspruch nehmen", da „daS neueste Auftreten des Reichskanzlers und das Vorgehen des preußischen CultuSministerS wie ein Hagelschauer im Mai die Katholiken gemahnt hat, auf ihren Schutz bedacht zu sein. Ferner müß, nachdem die Hochschulen größtentheilS sich förmlich zur Häresie bekannt haben, die katholische Kirche ohne Aufschub ihre eigenen Lehranstalten gründen. Die Bischöfe werden nicht mehr zöaern mit diesem heiligsten aller Anliegen, und unser Verein muß ihnen in deren Ausführung mit vollem Eifer zur Seite stehen." „Endlich aber wird die Versammlung sich ganz besonders den socialen In teressen zuzuwenden haben." — 11. September. Wenn Geistliche und Laien zu der heute beginnenden 21 Generalversammlung der katholischen Vereine Deutsch land- in der Hoffnung gekommen sind, sie würden daS goldene Mainz im Festschmucke, wie Aachen, Köln, Düsseldorf, sehen , so haben sie sich getäuscht, denn nur höchst spärlich haben sich einige Fahnen herauSgewagt, darunter am bischöflichen Palast die päpst liche. Sehe man nicht eine Menge schwarzberockter Männer theils eilfertig, theils sinnend und betrachtend durch die Stadt sich be wegen, man wüßte nicht, daß sich in ihr etwas Besonderes zutrüge. Höchstens 100 Theilnehmer sind bis jetzt (am ersten VerhandlungS- tage) eingetroffen. Straßburg, 12. September. Die „Straßburger Zeitung" erklärt die von verschiedenen Blättern gebrachte Nachricht, daß Seitens der Präfektur von Unter-Elsaß beantragt worden sei, die Einrichtung von cynfessionSlosen Seminarien einstweilen noch zu verschieben, für irrig — .Dasselbe Blatt widerspricht ferner der Befürchtung, als ob der^israelitischen Bevölkerung Elsaß Lothringens unter deutscher Herrschaft die vollste Gleichberechtigung mit den übrigen Staatsbürgern verkürzt werden könne. Wiesbaden, 12. September. Der: Wiesbadener Cursaal ist mit sammsticbem Grundcigenthum, den Anlagen rc. für hundert tausend Tbaler in den Besitz der Stadt übergegangen. Aus München schreibt man dem „Fr. Journ.": Die Nach richt von dem Krawall in Nürnberg hat hier einen tiefen Eindruck gemacht, da auch hier die hohen Fleischpreise eine Verstimmung unter den niederen Classen der Bevölkerung bereits erzeugt haben; dazu kommt noch der Aerger über das erbärmlich schlechte Bier, däs manche Mirthe ihren Gästen verabreichen, obwohl man im Allgemeinen über das Bier, wie es vom Braukessel kommt durch aus nicht klagen kann. Man muß es übrigens der niederen Be völkerung Münchens nachsagcn, daß sie in hohe Preise wenn sie dieselben für in der Natur der Dinge, wie jetzt beim Fleisch be gründet erkennt, sich ohne Anstand fügt. Begreiflich ist aber,'daß die Leute für ihr theureS Geld wenigstens auch gute Waare wollen, und daß sie sich ärgern, wenn ihnen Kuhfleisch für Mastochsenfleisch aufgehängt wird, oder wenn ein Metzger in der Stille das alte Mit dem neuen: Reichten Gewicht vertauscht. Im Punkte des Biers aber sind die Münchener ganz besonders empfindlich, und da könnte, zumal die Furcht vor der Cholera ihre Reizbarkeit schärft, über Nacht leicht ein respectabler Krawall hereinschneien- Aus Ueberlingcn (in Baden), 10. September, schreibt man der „A. A. Ztg.": Die Ankunft des deutschen MäisetS ailf der In sel Mainau, dem reizenden Landsitz des GrvßherzogS, erfolgte ge stern Nachmittag genau um 4 Uhr. Abend- wurde demselben von den Umwohnern eine reizende Huldigung dargebracht. Bei ei», brechender Dunkelheit erschienen vier badische Dampfschiffe, dicht besetzt mit Einwobnern von Constanz, MierSburg und Ueberlingea und bunt geschmückt mit farbigen Lampen, vor der Insel, und zu gleicher Zeit flammten von den Höben ringS um den Ueberlinger See zah reiche Bergfeuer — wobl etliche dreißig — empor und warfen langaezogene Lichtstreifen über die spiegelglatte Wasserfläche. Neben den Dampfern, auf denen Musik ertönte und Lustfeuer ab gebrannt wurden, schaukelte sich eine Menge von Nachen und Gon deln, ebenfalls beleuchtet, während die nördlich von der Mainau gelegene Kirche von Maurach im Hellen Licht- und Feuerglanze herüberstrahlte. Alles dies zusammen bot ein wunderliches Nacht bild von ganz magischer Wirkung. Dem Kaiser und unserem Landesfürsten, dessen Geburtstag gestern war, wurden begeisterte Hoch's entgegengerufen und mag der deutsche Kaiser in der gelun genen und binnen etwa 36 Stunden entworfenen, vorbereiteten und auSgeführten Feier die Gewähr dafür erblickt haben, daß die Seegegend, trotz der ultramontanen Wühlereien mit fester Treue am deutschen Reich und dessen Oberhaupt hängt. Wien. 12. September. Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht folgende Ernennungen: Graf Chotek, provisorisch zum Statthalter von Böhmen, Abt Helserstorfer zum Landmarschall von Nieder österreich, und Bürgermeister Felder zu dessen Stellvertreter, zu Landeshauptmännern für Oberösterreich: Graf Falkenbahn, Handel dessen Stellvertreter; für Salzburg: Landesgerichtspräsident Weiß, vr. Halter dessen Stellvertreter; Tirol: l)r. Rapp; Steiermark: Or. Moritz Kaiserfeld, Neupauer dessen Stellvertreter; Kärnthen: Graf Goeß, Bürgermeister Jessernig Stellvertreter; Krain: vr. Razlag; Böhmen : Zum Oberstlandmarschall Fürst Lobkowitz; Mähren: Fürst Salm-Reifferscheid, Dr. Wenzliczke dessen Stellvertreter; Schlesien: Graf Khuenburg, Dr. Dittrich dessen Stellvertreter. Paris, 10. September. Die auswärtige Politik des Herrn Thiers beschäftigt neuerdings die Blätter wieder lebhafter. DaS „Siecle" verlangt nun, daß, nachdem ThierS in seiner Botschaft vom 1. September versprochen, das Land von der Invasion der Feinde zu befreien, und jetzt so rasch die That auf die Zusage folge, er nun auch daran neben möge, Frankreich „wieder geehrt und geliebt von den Nationen beider Welten zu machen." Das „Siecle" giebt zu versieben, daß Thiers „Allianzpläne mit Rußland einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits habe", und fordert ihn auf, jetzt ernstlich an eine Besetzung der diplomatischen Posten zu gehen, deren gegenwärtiger Bestand nirgends auf der Höhe der jetzigen Bedürfnisse Frankreichs sei. Der Posten in Washington sei leer, der in Petersburg von einem altersschwachen Militär besetzt. Auch in Betreff Oesterreichs sieht das „Siecle" einen Umschwung in der auswärtigen Politik in Folge der Wahlerfolge Hohenwarts kommen. Allerdings wird die „Reorganisation des diplomatischen Corps der französischen Republik", der in den letzten Tagen die'Blätter vor- zuarbeitcn sich bemühen, einen Blick auf die auswärtige Politik thun lassen, die ThierS im Schilde führt. — Es bedarf kaum der Bemer kung, daß mit dem Erfolge der Abstimmung über den Vorschlag Ra- vinel'S kein Mensch zufrieden ist, nicht Paris, nicht die Rechte, welche etwas ganz Anderes gehofft hatte. Versailles bleibt, was eS war: die provisorische Hauptstadt einer provisorischen Republik mit einem provisorischen Präsidenten. Was aber die Vertagung der Versammlung betrifft, so war es der Wunsch des Präsidenten der Republik, daß die Kammer sich drei Monate Fetien nehmen möchte, doch ist diese Zeit bis auf die zwischen dem 1.7. September und der ersten Decemberwoche liegenden Tage verkürzt worden. Die Verurteilung Rossel's hat auf die arbeitenden Classen von Paris den schlimmsten Eindruck gemacht. Gestern Abend wurde eine Ca- vallerie-Patrouille, die über den Boulevard der Billette zog, mit dem Rufe empfangen: „Es lebe Rossel!" „Nieder mit der Armee!" Der Führer der Patrouille wollte einige von den Arbeitern ver haften, aber diese flüchteten in eine enge Gasse, wohin ihnen die Cavalleristen nicht folgen konnten. DaS Elend wächst übrigens von Tag zu Tag in den Arbeitervierteln, wo so viele Tausend Ftäüen und Kinder verzweifeln, deren Männer und Väter erschossen sind oder sich als Gefangene auf den Pontons befinden. Wäre die Na tionalgarde noch, wie zu Lyon, bewaffnet, der Kampf würde heute von Neuem in Paris auSbrechen, trotz der furchtbaren Weise, mit der er im Mai niedergeschlagen worden ist. Lebhafter als je ist der Haß der Arbeiter gegen daS Heer und gegen die Stadtsergeanten. Um eine Ahnung davon zu erhalten, braucht man nur Augenzeuge einer Begegnung eines Arbeiters und eines Soldaten zu sein und sich ein wenig auf Physiognomie zu verstehen. Dann blitzt das ge wöhnlich trübe und düstere Auge des Arbeiters, und der Zorn, den verrätb, ist der sicherste Zeuge der sein Herz erfüllenden Nacheaedanken. Die Revolution vom 18. März ist erstickt worden, aber die Keime einer neuen Umwälzung sind noch im latenten Zu-