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möMr Anzeiger und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. -A147. Erscheint i. Freiberg jed. Wochen». Ab. 8 U. für den and. Tag Jnser. werden bi« V, II U. für nächste Nr. angen, Donnerstag, den 89. Juni Preis vierteljährl. 2V Ngr, Inserate «erden die gespaltene Zelle »der deren Raum mit 8 Ps. berechnet. 1871. -t- Freiberg, den 28. Juni. Herr Thiers ist der ehrgeizigste Franzose, welcher an der Spitze seines Vaterlandes stehen konnte. Er hat, wenn auch nicht eben schnell und jedenfalls mit einer anwidernden Grausamkeit, die fürchterliche Jnsurrection von Parts bewältigt, und sofort be nutzt er diesen brudermörderischen Erfolg, um den Ruhm Frank reichs und seiner Armee als von der ganzen Welt wieder bewundert zu preisen. Er hat einen der schmachvollsten Frieden nach einem der unglücklichsten Kriege abschließen müssen, aber noch ehe daS letzte Hunderttausend Kriegsgefangener aus Deutschland zurück sind, beeilt er sich, durch die colossale Anleihe zu beweise», daß Frankreich auch jetzt noch mit einem' genialen Wurf die Welt über seinen Reichthum in Erstaunen setzen könne. Nur ein so echter Franzose, wie ThierS ist, kann den Muth zu solchen Verwegenheiten haben. Nach Thiers ist die Finanzlage Frankreichs noch gar nicht so schlimm, wie andere Rechenmeister angenommen haben. Er erzählt der Kammer in bestechender Schmeichelrede, daß das ganze Kriegs unglück mit 84 Milliarden bezahlt sei; daß das Deficit für 1870 die Summe von 645 Millionen betragen werde, das für 1871 aber etwa an 1000 Millionen reichen dürfte. Und nachdem er mit diesen Millionen und Milliarden wie mit lauter Kleinigkeiten um sich geworfen, schließt er sein finanzielles Feuerwerk mit der Erklärung, daß. Paris auch aus seinen Ruinen wieder erhoben wer den müsse, damit Europa erlebe, „daß keine Nation der Welt sich so schnell erhole wie Frankreich/' Diese bodenlose nationale Eitel keit läßt ihn die ganze nachfolgende Steuererhöhung als eine Neben sache erscheinen. Die neuen Steuern, behauptet er, werden „mit Leichtigkeit" bestritten werden können, so daß er nicht einmal an eine so häßliche Steuer wie die aus das Einkommen denke. Herr Thiers kann gut mit seinen Zahlen umwerfen und mit echt französischer Prahlerei sich brüsten, in Wirklichkeit wird auch daS reiche Frankreich Milliarden nicht zu Kleinigkeiten, wenn auch recht herben, machen, die eS in ein paar Jahren verdauen kann. In diesem Augenblick ist Frankreich gezwungen, borgen zu müssen, und daS Borgen ist leichter, wie das Bezahlen der gemachten Schulden. Unzweifelhaft wird auch in seiner jetzigen Lage Frankreich die großen Schulden machen können, die nöthig find, soll es existiren; aber wie man ihm borgt, beweist schon, daß es die Sache nicht so leicht nehmen sollte. ES muß auf alle kleinen Kapitalien durch die günstigsten Bedingungen, die eS stellt, speculiren, nämlich durch hohen Zins und durch kleine, auf anderthalb Jahre vertheilte Ein zahlungen der Gläubiger. ES giebt für ca. 80 Francs baar (nach Abzug der EScompte-Vergütung) eine Obligation über 100 Franes, die es mit 5 Francs jährlich verzinst. In Wahrheit muß es also 6 Procent bezahlen. Die jetzige Anleihe von 2000 Millionen ist außerdem nicht ausreichend, alle Mittel, die man braucht, zu bieten. Thiers selbst erklärt, daß damit nur für die drei ersten Jahre gesorgt sei; dann werde man die anderen Anleihen wohl billiger ausnehmen können. Wenn man sich die Finanzlage Frankreichs bis vor dem Kriege vergegenwärtigt, so muß man eS denn doch als eitel fran zösische Prahlerei bezeichnen, wie Thier- sein frivole- Rechenexempel zum Besten giebt. Denn Frankreich besaß zuletzt einen jährlichen Einnahme-Etat von etwa 2500 Millionen, und davon gingen 500 Millionen nur für Verzinsung der alten Schuldenlast ab und an dere 500 Millionen fraß der Mlitäretat. Dieser Militäretat soll aber bei Leibe nicht verringert werden; die Verzinsung wird aber von 500 Millionen jährlich sich bis auf 1100 oder 1200 Millionen erhöhen, und nach Adam Riese kann man sich also auSrechnen, daß die französische Steuerkraft jährlich mindestens noch 500 Millionen aufbringen muß, soll nur das Nothwendigste gedeckt sein. DaS ist keine Kleinigkeit für ein Land, welches solche schwere Wunden erhalten und drei seiner fettesten Departements verloren hat. Schon der verwüstete Menschenbestand, den der blutige Krieg und die Pariser Revolution sicherlich um 200,000 der besten Ar beitskräfte gebracht hat, sollten zum Nachdenken führen. Aber da- vermag der Franzose nicht, er bleibt bei seiner Phrase und Selbst verherrlichung bis zum Mitleid. Jedenfalls wird es vieler Jahre und vor Allem langer FriedenSzeit bedürfen, ehe Frankreich finan ziell wieder geordnet ist, und einem Steuerdruck enthoben wird, der nicht der prahlerische Beweis seines vermehrten ReichthumS sein wird, sondern leicht die Ursache seiner langsamen Verarmung werden kann. Tagesgeschichte. Die „Deutsche Reichs-Correspondenz" schreibt aus Berlin, 24. Juni: Ueber die communistischen Bewegungen der Neuzeit, resp. über die Ausbreitung und Verbindungen der Internationalen, deren Sitz bekanntlich in London ist, find jetzt von allen größeren Staaten Erhebungen und Untersuchungen angestellt worden, welche bereits zu den überraschendsten Resultaten über die weitverzweigte Ausbreitung, welche die socialistische Verbindung bereit- erreicht hat, geführt haben. Die Ermittelungen werden, wie wir hören, infolge dessen jetzt mit noch größerem Eiser und nach gemeinsamem Princip fortgesetzt, und eS steht sonach zu erwarten, daß dieser so gemeingefährlichen Vereinigung bald das Handwerk vollständig ge legt werden wird. Für das deutsche Reich ist die Leitung dieser Untersuchungen und Forschungen einem unserer gewiegtesten Crimi- nalisten übertragen worden, dessen scharffinnigem Talent auch be reit- in dieser Angelegenheit sehr wichtige Entdeckungen zu danken find. — Die sonst in jedem Jahre üblichen preußischen Herbst manöver, zu denen in der Regel zwei Armeecorps in den verschie denen Theilen der Monarchie zusammengezogen wurden, um die sogenannten Königsmanöver während einer Dauer von ca. 6 Woche» vorzunehmen, werden, wie die „Voss. Ztg." vernimmt, in diesem Jahre unterbleiben. Dagegen sollen Uebungen in den Regiments^ resp. Brigadeverbänden stattfinden und zwar in der Weise, baß bei denselben die Erfahrungen, welche der deutsch-französische Mteg in militärischer Beziehung in zahlreicher Menge gewährt, zur An wendung resp. Uebung kommen werde». Diese Erfahrungen sollen zuvor jedoch in einer Conferenz höherer Osficiere, sowohl des großen Generalstabes, als auch der Armee beratheu und in Betreff ihrer Einführung der Einführungsmodus Atgeftellt w^den. DK ferenz wird zu Anfang des »Ufte» MonMS im K^egM stattfinden und sollen zu derselben auch Officiere der süddeutschen Armeecorps herangezogen werden. — Wie bedeutend die Erwerbung der neuen deutschen Pro vinzen in Bezug aus die Berg-Industrie ist, kann schon daran- nr