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an, daß mit de« Regierungstruppen ein Waffenstillstand abgeschlossen ei, um ven Bewohnern von Neuillh die Möglichkeit zu gewähren, ich nach Paris zurückziehen zu können; man glaubt, daß der Waffen- ttllstand am heutigen Tage eintreten werde. — In einem Briefe an die Wähler des 10. Arrondissements bestätigt Phat: daß er definitiv entschlossen sei, seine Entlassung einzureichen, wenn die letz« ten Wahlen von der Commune als gesetzliche aufrecht erhalten werden sollten; er würde dann wieder die Redaction des „Bengeur" übernehmen, würde aber auch dann noch ein getreuer Diener der Commune von Paris bleiben. Paris, 23. April, Mittags. Offteieller Bericht der Commune vom 22. d.: Zwei Batterien Bierundzwanzigpfünder find seitens deS Obersten Okolovitz aufgestellt, um da« furchtbare Feuer der gegenüberliegenden feindlichen Batterien zum Schweigen zu bringen. Die untere Batterie deS Schlosses Becon ist vollständig zum Schweigen gebracht durch da« Feuer unserer Batterie, welche auf dem Platz B^ranger errichtet ist. — 1 Uhr 30 Min. Morgen«: Die Versailler Truppen haben in bedeutender Anzahl die Trancheen der Forts Jssy und Vanvre angegriffen; zehn Mitrailleusenschüsse genügten, sie in Unordnung zurückzutreiben. — 2 Uhr 20 Min. Morgens: Erneuerter Angriff der Versailler Truppen mit demselben schlechten Erfolge. Paris, 23 April, Abends. Die „Agence Havas" versendet folgende Depesche: Bis jetzt hat noch kein französisches Detache ment St. DeniS betreten. Sämmtliche Gerüchte, welche bezüglich einer bevorstehenden Räumung dieses Platzes feiten« der Deutschen vorbereitet sind, können als durchaus unbegründet angesehen wer den. — Die Hauptpunkte der Programms der republikanischen Liga, welche den neuerlichen Verhandlungen zu Grunde gelegt und Thiers zur Annahme unterbreitet werden sollen, find folgende: DaS Seine-Departement wird aufgelöst; die außerhalb der Stadt gelegenen Communen des Seine-Departements sollen zu dem Departement Seine et Oise geschlagen werden. Die Präfectur des Seine-DepartementS wird aufgehoben; ebenso die Polizeipräfectur. Paris soll durch einen mittelst geheimer Abstimmuna gewählten Mumcipalrath, sowie durch Arrondissementsräthe verwaltet werden, und zwar kommen auf je 20,000 Einwohner ein und auf über schießende 10,000 ein weiterer Arrondissementsrath. Der Municipal- rath wird entweder einen Maire und Adjuncten wählen, oder aber an deren Stelle eine Executiw Commission von 3—5 Mitgliedern. Die Bewachung von Paris und den Forts soll ausschließlich der Nationalgarde anvertraut werden, ausgenommen im Falle deS Krieges. Die einzigen Linientruppen, welche in den Forts zuge lassen werden, sollen aus Genietruppen bestehen, denen die Aus besserung und Unterhaltung der Festungswerke obliegt. Der Gene ralstab der Nationasgarde wird von der Municipalität ernannt. Wenn diese Vorschläge von Thier« angenommen werden, so hofft man, daß die Liga und ihre Anhänger auch die Commune zu deren Annahme zwingen würden. — Oberst Cecilia ist zum Platz- commandanten von Paris ernannt. Dombrowski übernimmt die Oberleitung über sämmtliche Streitkräfte. Henry bleibt Chef deS Generalstabes. — Bergeret ist in Freiheit gesetzt; derselbe hat feinen Sitz in der Commune wieder eingenommen. Versailles, 23. April. Die Vorbereitungen zu einem ent scheidenden Schritte werden fortgesetzt; es ist indeß von keinem neuen Ereigniß gemeldet worden. — „Journal officiel" veröffent licht die Namen mehrerer bereits bestrafter Individuen, die man unter den vor Kurzem gemachten Gefangenen entdeckt bat. — Thiers hat das Schreiben deS Erzbischofs von Paris dahin beantwortet, daß die Angaben der Commune über die Grausamkeit, mit welcher die gefangenen Insurgenten behandelt werden, erlogen seien. Havre, 23. April. Der Municipalrath hat drei Mitglieder nach Pans und Versailles geschickt, welche versuchen sollen, einen Ausgleich auf Grund der Anerkennung der Republik und Gewährung der Municipalfreiheiten für ganz Frankreich zu vermitteln. Aus Rom wird gemeldet, daß die Stadt zu einer großartigen Festung umgewandelt werden soll, indem sie mit 20 bis 30 Fort- gleich Paris ausgestattet wird. Wir find begierig, welche Aka demie den Anfang machen wird, gegen die erweiterte Befestigung der Stadt Rom zu protestiren. Rom birgt weit kostbarere Kunst- fchätze als Pari«, die bei einer etwaigen Belagerung in größter Gefahr schweben. Wie«, 22. April. Sin von dem Erzherzog Ludwig Victor, den Grafen Beust, Nndrassh, Waldstein, Wrbna, dem Contte- Admiral Poeck, dem General-Major v. Ebner und dem Bürger meister Felder unterzeichneter Aufruf an Oesterreich und Ungarn fordert zu Beiträgen behufs Errichtung eines Denkmal« vor der Volivkirche in Wien für den Bice-Admiral v. Tegettho^ auf. Das erste Verzeichniß der gezeichneten Beiträge weist dre Summe von 20,000 Gulden auf. Die Stadt verovitica in Slavonim ist am 21. April fast ganz abgebrannt 400 Häuser find in Asche gelegt, 4000 Menschen find obdachlos. Der Schaden wird auf eine halbe Million berechnet. Dachsen Freiberg, 18 April. (Gerichtsverhandlung.) AuS dem AnstaltsgebSude deS BezirkS-Armen- und Arbeitshauses zu Hilbers dorf entsprangen am Abend des heurigen NeujahrStageS drä junge Männer, welche in jener Anstalt von ihren resp. HeimathSgemein- den untergebracht worden, mit der dortigen Zucht und Ordnung aber sich schlechterdings nicht zurecht finden konnten oder wollten: Wilhelm Heinrich Lorenz auS Seifen. »Friedrich Wilhelm Zenker au« Naundorf und Ernst Hermann Rost auS Burkersdorf, die ersteren Beiden 27, der Letztere 18 Jahr alt. Alle drei Wren vor ihrer Aufnahme in den „Hohen Hof" schon wiederholt mit der Criminal-Justiz in Conflict gerathen und hatten, namentlich Zenker, mehrfache Strafen wegen Diebstahls erlitten. Diese Lust nach fremdem Gute verließ sie auch im neubegonnenen Jahre nicht und so besprachen sie sich denn, für ihre weiteren Reisen noch allerhand ihren MiethäuSlingen gehörige Effecten, namentlich Kleidungsstücke, mit fortzunehmen, „was sie gerade erwischten." Die gemeinschaft liche Abendmahlzeit der Anstaltsbewohner bot die erwünschte Ge legenheit zur Flucht, die durch Sprung aus einem Fenster deS oberen Stockwerks begonnen ward. Lorenz sprang zuerst inS Freie, nachdem er sich mit fremdem Rock, Beinkleidern und Stiefeln ver sehen ; ihm folgte Zenker und zuletzt Rost, nachdem durch diese Beiden noch mehrfache, ihnen gerade geeignet erschienene Gegen stände auS dem Fenster geworfen und unten von Lorenz gesammelt worden waren. Rost hatte Unglück bei dem Sprunge gehabt, der Fuß war verrenkt, so daß er nicht weit vom Platze kam und von seinen Collegen bald verlassen werden mußte; wenig besser ging eS dem Zenker, der sich ebenfalls den Fuß versprungen hatte und nicht über seinen Heimathsort Naundorf hinaus kam, von wo auS er, ebenso wie Rost, alsbald wieder in die Hilbersdorfer An stalt zurückgebracht ward. Lorenz war glücklicher davon gekommen, er nahm auch noch die von seinen beiden Gefährten mitgebrachten gestohlenen Sachen an sich und wanderte nach Dresden; unter wegs schon will er, weil ihn zu sehr an die Hände gefroren, da« Packet Zenker-Rost'scher Effecten wieder weggeworfen ha ben. . In Dresden war Lorenz bekannt; er hatte dort vor seiner Versetzung nach Hilbersdorf eine Zeit lang als Droschkenkutscher gedient und war schließlich mehrere Wochen lang im Krankenhause verpflegt worden. Dorthin wendete er denn nun auch am 4. Jan. wieder seine Schritte, um Bekannte, und namentlich auch einen Krankenwärter Winter zu besuchen. Winter lag im Bett, als Lo renz zu ihm kam, sie unterhielten sich freundschaftlichst. Lorenz saß auf Winters Bettrand und beugte sich sogar in einer Anwand lung eigenthümlicher Zärtlichkeit über den „Freund" hinweg, um ihn zu küssen; Winter sträubte sich, Lorenz nahm bald darauf von ihm Abschied mit dem Versprechen, noch einmal zu ihm zu kommen und ging — aber nicht allein, er hatte die Zärtlichkeitsbezeugung dazu benutzt, Wintern die vor demselben an der Wand neben seinem Bett aufgehängte Uhr zu entwenden. Nicht lange darauf erfolgte seine Verhaftung, aus welcher er denn auch heute noch zur Hauptver handlung vorgeführt ward, um sich gegen die Anklage vorbeschrie bener beiden Eigentbumsvergehen, sowie überdieß noch eines schon im August vorigen Jahres in Räcknitz verübten Diebstahls von ein Paar Stiefeln zu verantworten. Von seinen beiden Hilbersdorfer Fluchtgenossen erschien heute nur noch Zenker mit ihm auf der An klagebank: Rost war nach der verunglückten NeujahrStagSpartie noch ein zweites Mal ausgebrochen und ist seitdem bisher noch nicht wieder zu erlangen gewesen; dagegen war Zenker nach Wiederher stellung seines beschädigten FußeS zwar ebenfalls noch ein zweites Mal, wieder unter Mitnahme einiger fremder Kleidungsstücke, ent flohen und hatte einen durch neun neue Diebstähle ausgezeichneten kurzen Aufenthalt in Dresden genommen, war aber dabei wieder der Justiz in die Arme gelaufen und für jene Vergehen vom Dresdner Bezirksgerichtsamte mit 5^ jähriger Zuchthausstrafe be dacht, auch, um Wiederholungen vorzubeugen, in Hast behalten wor den, aus welcher er nach Freiberg übergeführt ist, um wegen des Hilbersdorfer Diebstahls Rede und Antwort zu geben. Der heutige, durch die Herren Schuldirector Herklotz, Professor Fritzsche, Apotheker Rouanet und Kaufmann Rob. Päßler als Schöffen verstärkte Gerichtshof sprach der von den beiden Angeklag ten in der Hauptversammlung mannigfach versuchten Verdrehungen und Widerrufe früherer offener Geständnisse ungeachtet das Schul dig über die beiden Angeklagten, sowohl waS die „gemeinschaftliche Ausführung" des demzufolge nach seinem Bettage von etwa 23 Thalern jedem der Theilnehmer voll anzurechnenden Diebstahls in Hilbersdorf, als was die Heiden anderen, von Lorenz auf eigene