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" —^--7 > —7— — —7- 986 virt war, gerettet wordeu ist. — Der Leichnam DeleScluze'S ist in einer Straße gefunden wokdm Die Identität ist festgestellt worden. Soissh. 28. Mai, Nachmittag- 2 Uhr. Nach einem Tele gramm Favre'- ist die Nachricht Cissey'S in Betreff de- Erzbischofs von Pari« leider unbegründet gewesen, Letzterer vielmehr mit 63 anderen Geißeln, unter denen sich der Präsident de- Laffations- hoseS, Bonjeau, befand, erschossen wordeu. In Roquette retteten die RegierungSttuppen 169 andere Geißeln vor gleichem Schicksal. AuS Spanien trifft die Meldung ein, daß die Republikaner wirkllich bei den Torte- den Anttag auf Herstellung der Re publik eingebracht haben. Ebenso verlangen die Karlisten die Annulirung der Wahl de- Königs Amadeus und die Anerkennung der Rechte Don Earlo-. Die betreffende Sitzung war sehr stürmisch, allein beide Parteien haben setzt schwerlich auf irgend welchen Erfolg zu rechnen. Nicht- desto weniger wild sich der neue König durch derartige Verhandlungen der Corte- erbaut fühlen. In Oesterreich bildet die Adresse de- Abgeordnetenhauses au den Kaiser da- Hauptereigniß, denn sie enthält da- schärfste Miß trauensvotum sür da-Ministerium Hohenwart, wa« ihm bisher zu Theil geworden. ES wird dem Ministerium geradezu der Vor wurf gemacht, daß eS eia Attentat auf die Verfassung und auf die konstitutionellen Freiheiten beabfichttge. Die bereu- einge- brachten, wie die noch za gewärtigen«» Vorlagen werden als nicht durch ein bestimmte« Regierung-programm bedingt, sondern als Probutte de- Anfalls characterifirt und damit indirekt die Anklage erhoben, daß Alle-, was da- Mimsterinm bisher gethan habe, nur ScheinmanövrcS seien, um die darunter verborgene Absicht des Ver- faflung-bruche- und schließlicher Beseitigung der Verfassung zu maskiren. Man hält deshalb den Au-bruch einer MinisterkcisiS für nicht unwahrscheinlich. In den Kreisen, welchen das Ministerium Hohenwart seine Entstehung verdankt, fühlt man sich enttäuscht; der Kaiser soll schwanken, ob dieses Ministerium noch länger beizu- behalten sei. Der geringe Erwlg der gesammten ministeriellen Tätigkeit wll eine derartige Mißstimmung gegen dasselbe auch in höderen und höchsten Kreisen erzeugt haben, daß der Faden der Geduld abzureißen droht. Es ,st noch ungewiß, ob man in föde- ralistiich antiliberaler Richtung weiter gehen und zu den Thun und Elam greisen, oder eine starke mehr centraliftische Regierung mit Schmerling und Lasser an das Ruder berufen wird. Der deutsche Reichstag sah kurz vor dem Fest sich bei nah« vor einem Conflicte. Fürst Bismarck fand, daß sich die Ver sammlung während feiner Abwesenheit zweifach an ihm versündigt habe. Einmal setzte der in zweiter Lesung votirte Gesetzentwurf wegen Wiedervereinigung von Elsaß und Lothringen mit Deutsch land eine zu kurze Frist für die Dictatur - Periode an, indem er die ursprünglich bis züm l. Januar 1874 anberanmte Frist nur bi- zum I. Januar 1873 gelten lasten wolle, und dann habe man ein Amendement angenommen, welches festsetzt, daß nur unter Zu stimmung de- Reichstags Elsaß-Lothringen mit Anleihen und Ga rantie Uebernahmen belastet werden kann. Diese letztere Bestim mung ist ein von den Abgg. Lasker und v. Stauffenberg eingebrach- teS Amendement , welche- bei der zweiten Lesung mit großer Ma jorität angenommen wurde, ja für welches sich selbst Delbrück er klärte. Nicht so Fürst Bismarck ! Ihm war zunächst die Verkür zung der Dictatur-Periode nicht recht, und bezüglich des Lasker- Släufsenberg'fchen AmendeMents äußerte er: wenn die Herren Na tional Liberalen ohne ihn es besser machen könnten, möchten sie es thun, er leide keinen Mangel an Beschäftigung und könne sich sonst Wo besser amüsiren: Die Rede war kaum beendet, so lag auch schon' der Lomprotmß Vorschlag vor. Er lautet: Absatz 2 des Z 3: „Bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfassung ist der Kaiser bei Ausübung der Gesetzgebung an die Zustimmung des Bundes- rathes und bei Ausnahme von Anleihen oder Uebernahme von Ga rantien für Elsaß Und Lothringen, durch welche irgend eine Belastung des Reiches herbeigesührt wird, auch an die Zustimmung' des Reichstages gebunden." Mit diesen gesperrt ge drückten Worten war der Stein der Weisen gesunden; der Para- gräph fand mit solcher Aenderung nach einigem jungfräulichen Sträu be» «»nähme, und Fürst BiSmarck erklärte dafür sich mit dem 1. IusttM 1873 als Schlußtermin' der Dictatur einverstanden. So- mil war dik EvWct beseitigt. Ta Kesgeschichte. Berlin. ESgieöt Leuts, welche auch in Deutschland Zustände her beiführen wollt»/ wie Frankreich sie jetzt erlebt. Wer da« nicht glauben will, der lese die Rede deS Abg. Mel in der Sitzung deS deutschen Reichstags am 2S. d. M. Der deutsche Socialist sagte: „Ich bin fest überzeugt, das gadjb euWäifche Proletariat, und Al le-) wa- ch, Mühl für Freiheit hat, steht ans Part«) vüd wen« Paris jetzt niedergedrückt ist, so erinnere ich Sie daran, daß der Kampf in Pari- nur ein kleine- Vorspiel war. Bald wird auch da- übrige europäische Proletariat da- Schlagwort haben: Krieg den Palästen, Friede den Hütten. Der einzige Bortheil, dm diese Annexion bringt, ist, daß die republikanischen Tendenzen, die im Elsaß herrschen, jetzt nach Deutschland hioüberkommen, und so da« Elsaß den Keim bildet, der e« möglich macht, das gesammte mo narchische Deutschland au- den Fugen zu bringen." Also Pari- ist nur eia kleine- Vorspiel dessen, wa- Bebel mit seinem Anhang in Deutschland auSsühren will! — Von speciellem Interesse für Deutschland wäre, fall- er sich bestätigen möchte, eia Artikel de- „GauloiS" über die Zahlung der französischen Kriegsschuld. Danach soll ein internationale« BankConsortium in Bildung begriffen sein, welche- unter Bean spruchung der betreffenden ZinSersparniß die ganze Kriegsschuld auf eigenes Ristco schon jetzt tilgen wolle. Die französische Re gierung hätte dem Consortium nur Deckung in verzinslichen Reu- tenscheinen zu gewähren. Unstreitig wäre das für Frankreich wie für Deutschland die angenehmste Erledigung der Fünf-Miliarden- Angelegenheit. Stuttgart, 25. Mai. Der König hat, dem Vernehmen nach, um die Handlungen freiwilliger und aufopfernder Nächstenliebe zu ehreü, in welchem seit dem AuSbruch des Krieges Männer und Frauen wetteiferten, die Stiftung eines neuen OrdenS-KreuzeS be schlossen, welches für besondere Verdienste auf dem Felde der frei willig helfenden Liebe im Kriege oder Frieden an Männer, Fräum und Jungfrauen, als Zeichen der Anerkennung und Erinnerung ver liehen wird. Straßburg, 22. Mai. Die Zolllinie zwischen Frankreich und Deutschland ist, wie verlautet, jetzt hergestellt. Nachdem die fran zösischen Grenzaufseher an die Grenze beordert worden sind, haben am 20. auch die Bureau-Zollbeamten ihre Anweisungen erhalten. Frankreich. Die „Köln. Ztg." sagt: Die Truppen der Ver sailler Regierung scheinen erheblich größeren Werth auf militärische Vorsicht, als auf Tapferkeit zu legen, so lange sie feindlichen Bar rikaden und Geschaffen gegenüber stehen; soll doch der Vendome« platz stundenlang von 25 Nationalgardisten und einer Amazone gegen die ganze Macht, die Versailles dort ausbieten konnte, ver« theidigt worden sein. Aber wenn sie ein hülstoseS Opfer vor sich haben, dann schäumen sie über von Wuth. So wurde in der Rue St. Honore, wie ein englischer Zuschauer erzählt, ein Aufständischer aus seinem Versteck hervorgezogen. Bleich, aber mit trotziger Miene stand er da. Schießt ihn todt! schreit die Menge. Ein Unteroffi« cier schlägt mit dem Stock auf ihn; ein Soldat haut ihn mit dem Kolben auf den Kopf; der Gefangene stürzt hin, erhebt sich wieher, neue Kolbenschläge von allen Seiten; er stürzt wieder, und nun durchbohren ihn Dutzende von Kugeln. Ein Officier steht bei der scheußlichen Scene, ruhig seine Cigarre rauchend. An einer Bar rikade liegt der Leichnam eines Communisten CapitainS; eine halbe Stunde hat er allein die Position gegen die Tapferen Frankreichs behauptet und sich dann, überwältigt, eine Kugel durch de» Kopf gejagt. Die Tapferen scheinen aber noch Mißtrauen zu haben, sie schießen ihn noch zehn- und zwanzigmal todt. Wie die Commü- nisten als Teufel gehaust haben, so haben auch viele unter ihnen wie Teufel gefochten. Die Treibjagd auf diese Dämonen hat be gonnen, und Soldaten wie Polizisten durchsuchen die Häuser vom Erdgeschosse bis zuM Speicher. Eine Anzahl Weiber und Knabe» sind aufgegriffen worden, vie Petroleum in die Köller der Häuser schütteten und brennende Zündhölzer nachwarfen. Die Züge der Gefangenen bieten einen ganz außergewöhnlichen Anblick dar. Un ter ihnen erblickte man eine Compagnie Amazonen der Seine uns ein Bataillon der „patriotischen Kinder". Die Weiber waren wie Markedenterinnen gekleidet ; einige Widerspenstige trugen Hand schellen. Andere waren verwundet. Eine Frau hatte ihr Kind auf'dem Rücke». Alle zeigten Spuren größter Ermüdung, däket aber ein trotziges Antlitz; sie schienen nicht zu der Ctaflr zu ge hören, mit welcher die Zufluchtsstätten der büßende» Magdalene» bevölkert sind. Alte Frauenzimmer waren wohl eben so zahlreich wie junge Mädchen. In einem Trupp von 200 Nationalgarden sah man so zu sagen kleine Kinder in Uniform; zehn waren nicht einmal 12 Iahte alt. Ein Theil der Führer des Ausstandes und vielleicht die schlimmsten Missethäter in den Pariser Höllensacchä- nalien dürften sich durch die Luft gerettet haben; wenigsten-sah man aus der Stadt zwei Luftballons aussteigen, die ihren Weg nach Westen nahmen. Einer soll in der Nähe von PlesiS Piquet nicdergesallen sein. Hoffentlich wird man der Insassen habhaft werde», um sie zur verdienten Verantwortung zu ziehen. — An einer andern Stelle sagt die „Köln. Ztg": Der kommunistische Führer, welcher das befestigte Viereck um Tuilerie», Louvre und Stadthaus vertheidigte, war DeleScluze selbst, der letzte Diktator der Commune, umgeben von einer auserlesenen Schaar. Er hatte,