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V —— 7S8 AuS China kommt die überraschende Nachricht, daß die dor tige Regierung eine Depesche an die auswärtigen Gesaydten ge richtet, in welche sie die Forderüg stellt, daß innerhalb ihrer Staats grenzen kein Unterricht ertheilt werde, welche der Lehre des Con- fuciuS zuwiderlaufe. Sämmtliche Missionäre, außer den in de» Häfen befindlichen, sollen als chinefische Unterthanen betrachtet werden. Frauen ist es untersagt, dem Gottesdienst beizuwohnen. Die Sache klingt uns zu herausfordernd, als daß wir die Bestä tigung dieser Nachrichten nicht erst abwarten möchten. Nur in Be zug auf Confucius bemerken wir, daß er, geboren 551 vor Christus, ein Religionslehrer nach der Weise jenes beschränkten Volkes war, zu vorsichtig, um auf Aenderung der Sitten zu dringen. Nach ihm können z. B. Eltern ihre Kinder zu jederlei Zwecken verkaufen. Alles beschränkt sich bei ihm auf die allergewöhnlichste Lebensklug heit und die damit zusammenhängende Moral. Dadurch aber hat er auf ein nüchternes und beschränktes Volk, wie die Chinesen, um so größeren Einfluß geübt. Seine Lehren find in Form kurzer und verständlicher Sittensprüche gegeben. Er war zweimal Man darin und führte zuletzt als Lehrer ein wanderndes Leben. Der kürzlich vom österreichischen Ministerium eingebrachte Gesetzentwurf über die Erweiterung der Gesetz-Initiative der ein zelnen Landtage erfreut sich in der österreichischen Presse, sowohl in der deutschen wie in der czechischen gerade keiner freundlichen Aufnahme. Den deutschen Blättern gehen die darin enthaltenen Concesfionen zu weit, den czechischen nicht weit genug. Hätte übrigens der ReichSrath den Muth zu einer oppositionellen That, so wäre ihm mit der Einberufung der Delegationen auf den 22. Mai die Gelegenheit dazu geboten. Er brauchte nur die Wahl der Delegationsmitglieder zu verweigern. Dies wird jedoch nicht geschehen, denn in den Kreisen der Verfassungspartei ist bereits der Beschluß gefaßt, die Delegationswahl unbedingt vorzunehmen. Die „N. Fr. Pr." hält die Situation für hoffnungslos, indem sie be merkt: „Eine Waffe nach der andern hat das Parlament aus der Hand gegeben, jetzt bleibt ihm nur noch die Budgetverweigerung. Aber das Budget wird bewilligt, damit die Regierungsmaschine nicht still stehe. Während der Delegationsverhandlungen will das Ministerium dem Reichsrathe noch die Freuden des Daseins gönnen; dann mag der Mohr gehen, es beginnt die Wirthschaft in den Landtagen und zwar wird zunächst in den deutsch-slavischen Ländern die Landtagswahlordnung zu Gunsten der Slaven geändert. Darauf kann die Regierung in Seelenruhe den ReichSrath und die Land tage auflösen; sie ist des Wahlerfolgs der Schwarzen und Föderir- ten sicher. Alsdann ist die Verfassung gewesen." Die bayerischen Bischöfe sollen beabsichtigen, auS Furcht vor einem offenen Bruch zwischen Episcopat und StaatSregierung, demnächst eine Petition an den Papst in Berathung zu ziehen, in welcher dieser zu der Erklärung gedrängt werden soll, das Unfehl- barkeitSdogma habe auf weltliche Dinge keinen Einfluß. Inzwischen wird die Lage des Münchener Erzbischofs eine immer peinlichere. Bon den Professoren, die das Dogma nicht anerkennen, mit seinen eigenen Waffen in die Enge getrieben, spielt er eine jämmerliche Rolle. Soeben veröffentlicht wieder Prof. Huber ein öffentliches Sendschreiben an ihn, in welchem der Vorwurf gegen ihn erhoben wird, sein ganzes Gebühren sei „zweizüngig und haltungsloS." ' Gerade vor einem Jahre habe der Erzbischof ein Memorandum an den Papst gelangen lassen, in welchem er selber aussprach, daß durch falsche Geschichtsschreibung die Päpste über den Umfang ihrer Macht getäuscht worden seien. Am preußischen Hose beschäftigt man sich gegenwärtig viel mit den Sommer-Reiseplänen des Kaisers Wilhelm. Man ist be gierig, ob er wieder nach Ems oder in ein österreichisches Bad gehen wird. Ein officiöser Correspondent der „Schles. Ztg." schreibt hierüber: Bedenken gegen Karlsbad und Gastein bestehen nicht mehr, da unsere Beziehungen zu Oesterreich wieder eine ganz freundliche Gestalt angenommen haben. Die Wahl des Badeortes wird wesent lich von den ärztlichen Vorschlägen und der persönlichen Neigung des Kaisers abhängen. Infolge der guten Wirkung, die der Ge brauch der Emser Bäder aus die Gesundheit des Kaisers gehabt, ist GmS jedenfalls ein Rivale von Karlsbad und Gastein geworden. Tagesgeschichte. Berlin, 29. April. Der Reichstag nahm in seiner heutigen Sitzung de» Antrag der PetitionS-Commission an, die Regierung aufzufordern, noch in dieser Session ein Gesetz einzubringen, welches Genosfeofchaften, deren Unternehmungsgegenstand der Einkauf von Lebensbedürfnissen im Großen zum Verkauf- auch an Nichtmitglie- der ist, deür Gesetze, betreffend Vie privatrechtliche Stellung der ErwerbSgenosfenschaften, suSsulltirt. Minister Delbrück rst hrerunt einverstanden, er verspricht die baldmöglichste Vorlage. Es folgt Vie -weite Berathung des'Gesetzentwurf betreffend die Haftpflicht der Eisenbahnen, Bergwerke rc. tz. 2 der Regierungsvorlage wird unverändert, §. 3 mit einer Modifikation angenommen. Hierauf ward die Sitzung vertagt. — Die deutschen Gesandten führen nicht (wie in letzter Num mer berichtet) den Titel „kaiserliche und königliche Gesandte", son dern „kaiserlich deutsche Gesandte. — Der bleibende Ausschuß des deutschen Handelstages hat beschlossen, einen Protest gegen die etwaige Einführung des TabakS- monopols in Deutschland zu erlassen. — Wie die „Köln. Ztg." erfährt, wird man demnächst zur Gründung eine« besonderen Fonds schreiten, um diejenigen Geist lichen, welche wegen Nichtannahme der Unfehlbarkeit des Papstes gemaßregelt werden, wenigstens so lange standesgemäß zu unter halten, bis die Sache in günstiger Weise Seitens des Staates ge ordnet ist. — Aus Baden wird der „N. Z." geschrieben: Eine größere Anzahl badischer Gemeinden hatte an den Kaiser die Bitte gerichtet : „bewirken zu wollen, daß die Wiedererrichtung des deutschen Reiche- alljährlich durch ein allgemeines deutsches Volks- und Kirchenfest gefeiert werde." In einem durch den Reichskanzler im Auftrag des Kaisers übermittelten Erlaß ist dies Ansinnen unter Anerkennung der Beweggründe abgelehnt; Volks- und Kirchenfest mögen aus dem naturwüchsigen Antrieb des Volks hervorgehen. Der bezüg liche Satz des kaiserlichen Schreibens an den Reichskanzler lautet: „Es würde mir eine allgemeine Befriedigung gewähren, wenn daS Andenken an die von den Großthaten des letzten Krieges untrenn bare Wiedererrichtung des deutschen Reichs von dem deutschen Volk aus freiem Antrieb im Gefühl ihrer Bedeutung als AuSgang einer neuen Epoche des nationalen Lebens mit patriotischem Geist all jährlich durch besondere Kundgebungen in ähnlicher Weise neu ge weckt werden sollte, wie es lange Zeit in Deutschland allgemein üblich gewesen und in einigen Gegenden noch gebräuchlich ist, die Erinnerung an die Befreiungsschlacht von Leipzig wach zu halten. Auf solche Weise würde die Feier sich naturwüchsig auS eigener Sitte der Nation zu einem wahren Volksfest gestalten, während dahin zielende obrigkeitliche Anordnungen mir nicht angemessen er scheinen." — Man wird mit diesem fürstlichen Gedanken sich nur einverstanden erklären können. — Wie man wissen will, wäre seit Kurzem ein weiterer Um fang in der Freilassung der französischen Kriegsgefangenen für die nächste Zeit in Aussicht genommen; namentlich soll beabsichtigt werden, die Mannschaften der ehemaligen Kaisergarde nach Mainz zu dirigiren und von dort aus nach Frankreich zurückzusenden. — Die vor längerer Zeit höheren Orts befohlene Sistirung der Absendung von Mannschaften, Pferden und Kriegsmaterial nach Frankreich behufs Completirung der Truppen ist gegenwärtig mit Rücksicht auf die lange Dauer des mobilen Zustandes und auf den empfindlichen Mangel, der inzwischen bei einzelnen Truppentheilen, namentlich an Pferdepflegern. Trainsoldaten, Pferden rc. eingetreten ist, wieder aufgehoben und bestimmt worden, daß die Absendung von Mannschaften, Pferden und Kriegsmaterial behufs Completirung der in Frankreich stehenden Truppen insoweit wieder aufzunehmen ist, als es die dauernde Erhaltung der Schlagfertigkeit der dortigen mobilen Truppen bedingt. — Außer Marsal sind nach glaubwürdigen Mittheilungen von den festen Plätzen der neuerworbenen Landestheile auch Lützelburg und Lichtenberg zur Schleifung bestimmt. Für Pfalzburg, Bitsch, Neu-Breisach und Schlettstadt steht hingegen die Entscheidung 'noch aus. Nach einer früheren Nachricht sollten die letztgenannten bei den Festungen unter entsprechender Verstärkungen ihrer Werke Theile eines großen Vertheidigungsabschnittes bilden, dessen Central punkt daS mit Kehl verbundene und durch einen Kranz vorgelegter Forts geschützte Straßburg bilden würde. Eine bestimmte Ent schließung oder gar ein fest abgeschlossener Plan liegen hierfür indeß wohl noch nicht vor. Die beiden großen Arsenale in Straßburg und Metz und die mit denselben verbundenen Militärwerkstätten wer» den wahrscheinlich aus daS unmittelbare Bedürfniß beider großen Plätze reducirt werden. München, 26. April. Von Prof. Vr. Friedrich erscheint in den nächsten Tagen ein öffentliches motivirteS Schreiben, worin er die vom Erzbischof gegen ihn ausgesprochene Excommunication für null und nichtig erklärt. Prof. Friedrich hat auch, wie verlautet, gegen dieselbe bei dem König den RecurS ergriffen; zugleich kann die „A. Z." die interessante Mtttheilung machen, daß derselbe wegen seiner muthigen und gewissenhaften Haltung heute ein Beglück wünschungs-Schreiben eines — deutschen Bischofs erhalten hat. (Der Name?) — Die Stelle im jüngsten Handschreiben des Königs an Herrn v. Döllinger lautet wörtlich: „Mit lebhaftem Bedauern habe ich Ihre Excommunication vernommen und drücke mit warmen Worten mein Beileid aus." (Klingt etwa- zweideutig.