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rühere Kronleuchter in der Mitte des SaaleS ist abgenommen, dagegen über dem Präsidentenbureau ein neuer angebracht. Die Sitzungen werden nur bei Licht stattfinden können. Bei der Er öffnung der Versammlung am 14. Februar waren nur erst 450 Deputirte anwesend. Da Grövh zum Präsidenten gewählt, so dürfte seinem Amendement von 1848 gemäß die Kcimmer einen Conseils-Präsidenten wählen, der alsdann nach seinem Ermessen sich die Minister aussuchte, die seiner Politik dienten. Thiers ist allem Anscheine nach der Mann, dem diese Aufgabe zufallen wird. Dann hat die Nssemblöe einen Ausschuß für die Verhandlungen mit Ver sailles zu wählen, und dieser ist nicht minder wichtig so ist es zu gleich nöthig, ihn so zu wählen, daß er mit dem Conseils-Präsidenten »ach derselben Richtung geht. — Die sabelhaften Majoritäten, welche ThierS erhielt, scheinen besonder- in Bordeaux stark imponirt zu haben. Der dortige Eorrespondent der „Judepeudance" schreibt vom 9. Februar: Diesen Abend bildete sich um ThierS ein förmlicher Hof; man rief: „Es ist der künftige Präsident der Republik I" ... „Nein, der Kammer," entgegneten Andere, „die Republik wird zu keinem Präsidenten kommen, e- ist auS mit ihr!" AuS mit ihr, weil die Republikaner sie todt gemacht haben, und au«, weil Herr v. Bismarck nicht- mit ihr zu schaffen haben will; er hat eS in Versailles gesagt. „AlS", so soll er gesagt haben, wie ich aus guter Quelle höre, „als der Krieg anfing, wußte ich noch nicht, ob Deutschland Sieger oder Besiegter sein werde. Wir sind Sieger, mehr als wir zu hoffen wagten; wohlan, wenn wir nach Deutschland heimkehren und Frank reich die Republik lassen, so haben wir eher ein schlecheS Geschäft als ein gutes gemacht. ... Ich hoffe, daß Ihre Assemblee dies einsehen wird." Der betreffende Correspondent deutet an, daß zwei Mitglieder der Pariser Regierung dies gehört haben wollen. Schwerlich hat Graf Bismarck dies gesagt, aber eS ist charakteristisch für die Stimmung der Kreise in Bordeaux, daß sie sich dergleichen erzählen; man ist dort überhaupt sehr kleinlaut. — Ueber das Auftreten Garibaldi'« in der Versammlung zu Bordeaux herrscht noch einige Unklarheit, verursacht durch ver stümmelte Depeschen. Nach einem Wiener Telegramm ist derselbe nicht zum Worte gekommen. Anscheinend ist dies in Folge der Wahlprüsungen geschehen, bei welchen seine Wahl als die eines vicht in gesetzlicher Form naturalisirten Ausländers cassirt worden ist. Daher die nachträgliche Niederlegung des Mandates und seine in Mißstimmung beeilte Abreise nach Caprera. Das erwähnte Telegramm berichtet nämlich über die Sitzung vom 13. Februar: Nach der Rede JuleS Favres und nachdem die Kammer die pro visorische Anwendung der Geschäftsordnungen von 1848 und 1851 genehmigt bat, will der Präsident die Sitzung aufheben, als Gari baldi das Wort verlangt. (Großer Lärm auf der Tribüne, Rufe: ES lebe Garibaldi! Hört Garibaldi an I) Garibaldi bleibt auf seiner Bank ruhig sitzen, während die anderen Deputirten aufstanden. Auf Befehl des Präsidenten werden die Tribünen geräumt. Die Sitzung wird aufgehoben. Nizza. Hier dauern die Unruhen fort. Lostrennung von Frankreich und Wiedervereinigung mit Italien ist die Losung. AuS Neuenburg, 9. Februar, erhält die „Köln. Ztg." einen Bericht über die französische Ostarmee, welchen wir nachträglich hier folgen lassen: Vor einigen Monaten, beim Beginne des großen Dramas, dessen Ende sich jetzt abspielt, hatte ich Gelegenheit, Ihnen als Episode aus unserer stillen Jurastadt den Durchzug der aus Paris und ganz Frankreich mit ungerechtfertigter Härte ausgewie senen Deutschen zu schildern und dabei der liebevollen Unterstützung, welche die armen Vertriebenen bei unserer Bevölkerung und in der ganzen Schweiz gefunden, rühmend zu gedenken. Während der letzten Woche stürzte sich über unser Land und über uns zunächst ein ungleich mächtigerer Strom menschlichen Elends, so erschütternd und entsetzlich, wie seit dem vielbesungenen Rückzüge der französischen Armee aus Rußland die Kriegsfurie sicher keinen schlimmeren über ein Land ergossen hat. Fast die gesammte französische Ostarmee, mehr als 70,000 Mann mit 8000 Pferden, sahen wir in den er sten Tagen dieses Monates durch unsere schneebedeckten Thäler vorbei defiliren, in einem Zustande der Verwirrung und Entblößung, von dem nur der Augenschein einen Begriff zu geben vermag. Diese unglückliche Armee, nachdem sie trotz ihrer bedeutenden numerischen Ueberzahl und trotz ihres tapferen Ringens in den dreitägigen Kämpfen zwischen Belfort und Montbeliard nicht vermocht hatte, die genial gewählte, trefflich befestigte und bewundernswerth ver- thcidigte Stellung des deutschen Heeres an der Lisaine zu durch brechen, anstatt alsbald den dringend gebotenen Rückzug nach Dijon anzutreten, um der drohenden Einschließung durch die von Man teuffel herbeigeführten Armeecorps zu entgehen, wurde während fünf Tagen in einer unmöglichen Stellung unschlüssig festgehalten, um dann den Rückzug über das kahle, im Winter und namentlich in diesem Winter höchst unwirthliche Plateau tm Norden des Jura anzutreten Bei 10 bis 12 Grad Kälte, durch fußhohen Schnee, auf wenigen und meist schlechten Straßen, in einerwenigbevölkerten, von allen HülfSmitteln fast ganz entblößten Gegend, von einer leicht- sinnigen und unfähigen Armee-Verwaltung schlecht oder fast gar nicht ernährt, konnten diese jungen Truppen nur langsam anrücken und fanden daher bald den Rückzug durch die marschtüchtigen deut schen Colonnen verlegt. So blieb denn der ausgehungerten, nach 14tägigem Bivouakiren im Schnee vor Kälte fast erstarrten Armee nichts übrig, als sich auf unser neutrales Gebiet zu retten. Zwar behauptet General Clinchant, der dem unglücklichen Bourbaki, nach dem derselbe in der Verzweiflung Hand an sich gelegt, im Ober befehl gefolgt war, in seinem letzten Armeebefehl, daß nur das selt same Mißverständniß Betreffs des Waffenstillstandes zu dieser Ka tastrophe geführt habe; indessen - dieses Mißverständniß gehört einfach in die Kategorie des Verraths von Metz, Sedan rc.; weiß doch Jedermann, daß die Deutschen schon in SalinS standen, ehe noch von Waffenstillstand die Rede war; und überdies, wer — wie wir — diese Armee gesehen, ist überzeugt, daß dieselbe nicht nur keine Schlacht mehr anzunehmen vermochte, sondern nicht einmal mehr im Stande gewesen wäre, mit ihren bis zu Sceletten abge magerten Pferden ihre zahlreiche Artillerie über die Straße der Faucille zu bringen. Auch vaS ist eitle Ruhmrederei, wenn derselbe General in seinem Berichte nach Bordeaux behauptet, er habe sein gesammteS Kriegsmaterial und den letzten Mann in unsere Berge gerettet; denn bekanntlich haben die Deutschen bei Pontarlier noch über 10,000 Mann Gefangene gemacht und 15 Geschütze erbeutet. Freilich wußte der Ober-General davon wahrscheinlich nichts: denn diese Kämpfe fanden zum Theil statt, nachdem derselbe mit seinem gesammten Stabe — die Ersten von der Armee — sich bereits auf schweizer Boden gerettet hatten. So eilig hatte es der tapfere Führer, sich persönlich in Sicherheit zu bringen, daß er sich nicht emmal Zeit ließ, die von unserem General Herzog und einem französischen GeneralstabS-Offizier entworfene Convention zu lesen, sondern nach schleuniger Unterzeichnung seinem Pferde die Sporen gab, um die Grenze zu überschreiten. Ueberhaupt ist unsere Bevölkerung, welche die zahllosen Schaaren der verhungerten, barfüßigen, von Kälte er starrten Soldaten mit wahrhaft bewundernswerther Humanität aus genommen, in Kirchen und Schulen untergebracht, mit Speise und Trank erquickt, mit Kleidern und Schuhwerk versehen hat, wahrhaft empört über das Verhalten der großen Mehrzahl der französischen Osftziere aller Grade, welche, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, sich um das namenlose Elend ihrer Soldaten gar nicht kümmern, sondern gleichgültig, mit widerwärtig hochmüthiger Miene, in dem Wirrwarr umherstolziren, und in den Cafv's und Hotels herum lungern, als ginge sie der ganze Jammer nichts an. Einige dieser Herren hatten sogar keine Begriffe von den Pflichten, die sie über sich genommen, indem sie sich in den Schutz unserer Nationalität flüchteten, daß unsere Militärbehörden gezwungen waren, ihnen die selben durch Einsperrung begreiflich zu machen. Wahrlich, wenn man dieses Offiziercorps in der Nähe gesehen, so begreift man zum Theil den in der Geschichte fast beispiellosen Gang dieses Krieges und sieht die Ansicht bestätigt, daß es namentlich die höheren Klassen in Frankreich sind, deren moralischem Verfall das Land in erster Linie sein Unglück verdankt. Im Gegensätze zu den Officieren be nehmen sich die Soldaten in jeder Beziehung musterhaft; dankbar und gerührt über die empfangenen Wohlthaten, verhalten sie sich ruhig, geduldig und anständig; keine unserer mildherzigen Frauen, die im dichtesten Wirrwar den armen Teufeln warmen Trank und Brot vertheilten, und die Hunderte von Kranken und Verwundeten in Kirchen und Schulen pflegten, hat sich über ein rohes oder auch nur zweideutiges Wort zu beklagen; unter den vielen Tausenden, die nach so langer, bitterer Entbehrung plötzlich unsere starken Weine in Fülle zur Verfügung hatten, wurde kein einziger Betrunkener gesehen; so willig und folgsam sind die Leute, daß unsere Militair- behörden lange Marschkolonnen ganzer Bataillone unter Bedeckung einer halben Compagnie ohne Anstand durch daS Land senden können. Genf, 16. Februar. Wie das „Journal de Genäve" meldet, ist die Verbindung zwischen der Schweiz und Besanyon, welchen Platz die deutschen Truppen cernirt haben, unterbrochen. London, 15. Februar. Die für gestern anberaumte Sitzung der Conferenz wurde vertagt, um die Ankunft eines Vertreters der neuen französischen Regierung abzuwarten. London, 16. Februar. In der heutigen Sitzung des Unter hauses erfolgte die Beantwortung mehrerer Interpellationen von Seiten des Cabinets. Die Regierung erklärte, daß sie die Ge sandtschaft in München nicht wieder besetzen werde; die Besetzung der Gesandtschaften in Stuttgart, Koburg, Darmstadt und Dresden sei weiterer Beschlußfassung Vorbehalten. Cochran kündigte eine Interpellation darüber an, ob die britische Regierung Schritte thue, um den Einzug der Deutschen in Paris zu verhindern. Herbert interpellirt, ob Frankreich jüngstens die guten Dienste