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und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stabträthe zu Freiberg u. Brand. .N 23 Erscheint jeden Wochentag Ab. 6 U. für den and. Tag, Inserate werden bis V, 11 U. für nächste Nr. angen. Dienstag, den 31. Jqnuar Preis vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Naum mit 8 Pf. berechnet. 1871 -i- Freiberg, 30. Januar. Das große, lang ersehnte Ereigniß ist eingetroffen: Paris hat die Waffen gestreckt. Als vorbereitendes Stadium durfte man betrachten, daß Jules Fabre am 23. d. M. sich nach Versail les zum Grafen Bismarck begyb, um über die Bedingungen der Capitulation zu verhandeln. Wie Bazaine kurz vor Uebergabe der Festung Metz, so verlangte auch Jules Favre für Paris den Abzug der Truppen mit kriegerischen Ehren, natürlich ebenso umsonst, wie Bazaine. Die Unterhandlungen wurden deshalb aber nicht abge brochen. Der letzte große Ausfall am l 9. mit über 100,000 Mann muß die Pariser, soweit sie noch mit der Vernunft rechnen, belehrt haben, daß sie der Ehre genug gethan und weiterer Widerstand nur unnütz Menschenleben kostet. Chancy und Faidherbe, die Ober befehlshaber der West- und Nord-Armee, auf welche sie bis dahin zum Entsatz rechneten, sind schwer geschlagen; Bourbaki ist nicht im Stande, ihnen Hilfe in Aussicht zu stellen. Unter solchen Umstän den mußte Paris, nachdem es mehr denn vier Monate lang sich über Erwyrten vertheidigt, die Fahne senken. Schou die Vorgänge der letzten Tage der französischen Haupt stadt ließen den Eintritt einer solchen Krisis erwarten. Trochu, heftig angegriffen aus der Mitte der Bevölkerung, suchte sich end lich seiner undankbaren Stellung zu entledigen. Entweder krank, oder zurückgetreten, vertrat ihn als Commandanten zuletzt General Viuoh. Damit war die Auflösung der obersten Behörde innerhalb der Hauptstadt schon Thatsache. WaS die fordernde Masse an Au torität noch hervorzubringen vermöchte, wenn sie etwa die Verhand lungen über die Capitulation hindern wollte, kann nicht mehr das Schicksal der Hauptstadt abwenden. Freilich scheint Gambetta den Versailler Verhandlungen fern zu stehen. Er läßt sich von seiner Idee des äußersten Widerstandes nicht abbringen. Als er von der Niederlage Faidherbe's bei St. Quentin hörte, eilte er aus dem Lager des geschlagenen Chancy über Calais nach Lille, um dort neuen Muth einzuflößen, Kriegsrath zu halten und die Bevölkerung mit Hoffnungen auf schließliche Errettung zu beleben. Er hielt in Lille eine Rede, die hinreißend auf die Menge wirkte; aber freilich ist mit all' solchen Mitteln die niederschlagende Wirklichkeit nicht zu beseitigen und die Vernunft rechtfertigt nicht den Enthusiasmus, welchem nutzlos Hekatomben von Menschen zum Opfer gebracht wer den. „Kus Gambetta'S gegenwärtigen Geisteszustand", sagt ein englischer Correspondent, der ihn in Lille beobachtete, „kann ich nur als auf ein äußerst interessantes psychologisches Studium Hinsehen. Er hat sich augenscheinlich in die Ueberzeugung hineingearbeitet, daß Frankreich stets gewinnen muß, gleichviel wie die Chancen ge gen dasselbe stehen. Noch immer versichert er, Chancy's Armee sei in einer sehr befriedigenden Stellung, und er macht Anspielungen auf Bewegungen, welche die Welt bald in Erstaunen setzen werden. General Faidherbe bleibt trotz seiner letzten Niederlage bet St. Quentin bei Gambetta in hoher Gunst. wonach zwischen Parrs und Versailles über da» Bombardement von Paris und angeblich bevorstehende Uebergabe Verhandlungen auge knüpft sein sollen. Die Regierungsdelegation schenkt diesen Times« Nachrichten keinen Glquben, da sie e» M yMöglich häst, anzu« nehmen, daß Verhandlungen von dieser Art und Wichtigkeit einge leitet seien, ohne vorherige Benachrichtigung der Delegation. Bis her eingetroffene Ballonnachrichten lassen nichts Derartiges vörauS- sehen. Sobald die Regierung Nachrichten hat, wird sie dieselben veröffentlichen." — Man ersteht hieraus, daß JuleS Favre ohne Gambetta die Verhandlungen mit dem deutschen Hauptquartier führt. Nun müßte aber, wenn z. B. für ganz Frankreich ein dreiwöchentlicher Waffenstillstand abgeschlossen werden soll, immer erst die Regierung von Bordeaux einwilligen, da sie bekanntlich den Widerstand der Provinzen leitet. Vorstehendes Telegramm läßt erkennen, daß dieses Einverständniß noch nicht erzielt ist. Aller dings dürfte kaum anzunehmen sein, daß trotz aller Versailler Ab machungen Gambetta seine Diktatur fortsetzen werde, da die Re gierung in Bordeaux nur eine Filiale ist. UeberdieS würde der Diktatur selbst von seinen Collegen sich verlassen sehen, da die Herren Cremieux, GlaiS Btzoin und Fourichon sich stets der Be rufung einer Constituante günstig zeigten und der Waffenstillstand doch nur dieserhalb geschlossen werden könnte. Allein alle diese Bedenken werden durch den Eingang folgender Pepeschen beseitigt: 1) Berlin, 89. Januar. Dem königlichen Mi nisterium der auswärtigen Angelegenheiten ist am 88. Januar Abends spät nachstehende Mittheilung zuge gangen : „Versailles, 38. Januar. Es ist von dem Reichskanzler Grafen Bismarck und Herrn Jules Favre die Capitulation aller Pariser Forts und ein dreiwö chentlicher Waffenstillstand zu Lande und zu Waffer unter zeichnet worden. — Die Pariser Armee bleibt in der Stadt kriegsgefangen." 8) Berlin, 38. Januar. An Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta ist das nachstehende Telegramm gelangt: Bersailles, 39. Januar. Gestern Abend ist ein dreiwöchentlicher Waffenstillstand unterzeichnet worden. Linie und Mobile werden kriegsgefangen und in Pari- internirt über nimmt die Aufrechthaltung der Ordnung. Wir besetzen alle FortS; Paris bleibt eernirt und darf sich verpflegen, wenn die Waffen ausgeliefert sind. Eine Constituante wird nach Bordeaux in 14 Tagen berufen. Die Ar meen i» freiem Felde behalten ihre resp. Landstrecken Wie -lso Gambetta sich zu den Versailler Verhandlungen stelle« wird, ist noch ungewiß. Das neueste Telegramm aus Bor deaux sagt: „Die hiesige Regierungsdelegation erfährt von ihren auswärtigen Agenten, daß die „Time-" Mitteilungen enthält, besetzt mit Neutralitätszonen zwischen sich. Die- ist der erste segen-volle Lohn für den Patriotismus. dm HeidM'