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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 15.10.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188410154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18841015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18841015
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-10
- Tag 1884-10-15
-
Monat
1884-10
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 15.10.1884
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Anlage zum „Ehkmmhkr Anzeiger und MMalr." Nr. 243. — 4. Jahrgang. Die Verbreitung der deutsche« -krveit auf Grdeu. m. Die überwiegende Hälfte der deutschen ReichSbürgec sind zur Stunde noch Landbewohner, und daß die echte Landeroberung die Landbestellung ist, das bewiesen einst die Römer, als sie auf diesem Wege den ganzen Westen ihres Reiches ihrer Kultur gewannen, das beweisen heute die germanischen Völker aller Zungen in Nordamerika. Der deutsche Landwirth nun bringt einen guten Schah haushälterischen Sinnes von der meist kärglicheren heimischen Flur auf jenen eben erst vom Pflug umbrochenen reichen Boden. Er taugt nicht am Besten zum Pionier deS Landbaues; mit Fieberhaft den Urwald roden flüchtig und energisch zugleich eine Art Raubbau treiben, um dann sein Blockhaus an einem Weiler vorgeschobenen Posten ins Wild land zu verlegen, — das überläßt er bester dem hartgesottenen Na tive-Amerikaner. Er geht langsamer, doch vorsorglicher zu Werk. Er baut nicht zehn Jahre hintereinander auf demselben Prairieacker Mais bis die Kolben winzig werden, denn er will, nachdem er wohl schweren Herzens das Vaterhaus im deutschen Gau verlosten, sür die Dauer hier Hausen, auch seinen Kindern wohlbestellt sein Gut vererben. Er wartet nicht minder sorgfältig und mit vererbter Neigung des Viehes, und viel gründlicher nimmt er eS vorzüglich mit der Erziehung der Kinder, denen die deutschen Schläge, wo es Noth thut, nicht nach amerikanischer Art erlasten werden. Der Sonntag wird nicht mit der Langcnweile aszetischer Temperenzler anglikanisch gefeiert, der Mittagstisch auch am Werktag nicht zu eintönig mit ewigem „Salz fleisch uud Bohnen- beschickt, dafür sorgt schon die deutsche Hausfrau und der gute Gemüsegarten. Von 1818 ab hob sich nun der deutsche Zuzug in's Unions gebiet qualitativ beträchtlich. Auch die höheren Stände zeigten sich seitdem weit mehr als früher in ihm vertreten; es kamen nicht mehr so überwiegend Politisch ganz unmündige bäurische Leute, die man als „Vutvli»« höhnte, so daß die typische Figur des Tölpels aus der nordamerikamschen Bühne "klm vutel," genannt wurde, sondern auch Männer und Frauen von deutschem Vildungsadel. Daß 1854 der bessere Theil der Deutsch Amerikaner mit der auf Zerreißung der Union sinnenden demokratischen Partei brach, trug wesentlich zur Erhöhung des WertheS bei, den man unserer Nation beimaß. Und höher und höher stieg dieser Werth, als man die Tüchtigkeit der Deutschen in de« bis 1852 ihnen gänzlich verschlossenen Staats anstellungen, in allen Zweigen der Industrie, im Komtoir und auf dem Lehrstuhl, vollends im großen Rettungskricg des Sternenbanners gegen die Rebellen des Südens, erprobte. Zwar hatten auch vordem einzelne Deutsche anerkannt Großes geleistet. Mancher wußte doch, daß die prachtvolle Bibliothek am Lafayctte Platz New Jorks, die größte und gemeinnützigste Amerikas, dieses „Astor-Haus" den Namen von einem armen Pfälzer Metzgersohn führte, der mit 5 Dollar herübergekommen, durch seine geniale Organisirung deS nordamerika nischen Pelzhandcls es auf nahezu 30 Millionen Dollar gebracht hatte — einen klingenden Erfolg, den der Amerikaner stets anerkennt; und war es nicht ein Sohn des Unstrutthales, der Mühlhäuser Johann Rübling, der in den dreißiger Jahren die Drahtseilfabri- tion in der neuen nordamerikanischen Heimath ausgebildet, der die kühne Drahtscilbrücke über den Niagara, drei ähnliche über^deu Ohio gespannt und beim Ausbau der mächtigen Hängebiücke vW 1800 Meter Länge über das Meer von Long-Jsland gleich einem sieghaften Helden aus dem Feld seiner letzten Großthat sein Leben ließ, daß erst sein Sohn Washington 1878 dieses Trotzdem brach sich eben erst durch die im Verlag».Expedition: Alexander Wtede, BnchdruSerei, Chemnitz, Theaterstrabe 48 (ehemaliges Bezirksgericht, gegenüber dem Kasino). 1884. — Mittwoch, IS. Oft«»«. als je, zurückbrachte. Die Vorzüge des Britenthums vor dem Deutsch thum befähigen nun die Engländer gerade vorzüglich in der Besitz nähme wild liegender Länder sür ihre Gesittung, was gleichbedeutend ist mit deren Einschluß in jenen ungeheuren Kreis des wirthschaftlich so einmüthigen britischen Völkerlebens vom arktischen Amerika bis nach Neuseeland, mit Großbritannien als Herzen des erdumspannen den Adernsystems. Der Deutsche, in der Minderzahl und gewöhnlich arg unvorbereitet diesem Getriebe eingefügt, unterliegt entweder od:r lernt milzuschwimmen in diesem reißende» Strome, d. h. er arbeitet ür englisches Weltbürgerthum und verliert vielleicht um so sicherer eine nationale Sonderart, je mehr diese der englischen unverwandt st. Darum erscheint cs als nationale Pflicht, einen möglichst großen Theil unserer Auswanderungsbewegniig nach solchen Ländern zu richten, welche dem britischen Einfluß weniger unterliegen, damit das bittere Wort vom deutschen Arbcitsdüngcr für fremde Felder nicht allzu schlimm zur Wahrheit werde. Unser Volt, voran die Vertreter der materiellen Interessen, sollte die Reichsregierung zu einer aktiveren Auswanderungspolitik durch die eigene Initiative zu bestimmen suchen. Hier ist cs auch, wo nach unserer Meinung das eigentlich gcwallige Arbeitsgebiet des Vereins zur Währung der wirthschaftlichen Inter essen sür Handel und Gewerbe liegt. Es gilt da nicht blos zu wehren, es gilt zu lehren. Die Zeit naht, wo bei Verdoppelung unserer Volkszahl auf nahe 160 Millionen tschon bald im kommen den Jahrhundert) das Brotkorn in sehr viel größeren Mengen von außen beschafft sein will als jetzt, wo uns doch selbst reiche Ernten innerhalb des Reichsgebiets nicht mehr ausreichend nähren. Wenn Deutschland dann nicht nach englischem Muster für reichere Absatz märkte seiner Maaren, für direkten Bezug seiner Rohstoffe gesorgt hat, so wird es schlimm um seine Wohlfahrt stehen. Dazu ober ist zweckmäßige Veranlagung des kostbaren Kapitols der Bevölkerungs Überschüsse ein treffliches Mittel. So erwartet jeden rüstigen Aus Wanderer z. B. im außertropischcn Südamerika, wo mit gar nicht überheißen Sommern Winter von italienischer Milde wechseln, wo man in Südchile das vierzigste Korn vom Weizen erntet, sür wonnig achste Industrie die nöthigen Stoffe findet, wo Argentinien der Land- virlhichaft, zumal dem Viehzuchtbetrieb die schönste Grundlage bietet, n Südbrostlien dieselben Deutschen herrlich und gesund leben, gedeih lichcs Fortkommen. Dort im oberflächlich romanisirten Lande erhält sich die deutsche Arbeit vortrefflich; auf der Ouadratmeilo, die im deutschen Reich durchschnittlich 4400 Bewohner zählt, wohnen in Chile nur 400, in Argentinien gar nur 501 Raum für Viele hat dort noch die Erde, ein subtropisches Deutschland könnte unter jenen südlichen Breiten er- tehen im engsten Wechselverkehr mit uns l Und liegt nicht ein noch viel gewaltigeres Feld zu neuer Kulturarbeit in dem tropischen West- asrika am riesigen Kongo? Eben auf dieses richtet sich die Er- vrschungsthätigkeit des deutschen KoloniälvereinS, deutsche Faktoreien blühen bereits an dortiger Küste und Stanley und viele andere Forscher rühmen die höchst gesunde Lust des hochgelegenen Innern Ungesund sind ja die Tropen überhaupt nur durch die heißfeuchte miasmatische Luft, namentlich sumpfiger Niederungen, und daß der Körper des Deutschen das Tropenklima unter Umständen sehr gut verträgt, beweisen die Holländer auf Java. ^ . Je mehr sich die naturgemäße Scheidung unserer Erde vollzieht in den heißeren Gürtel mit vorwqltendcr Rohproduklio» vor allem der an Hitze und Tpopenregen gebundenen Gewächse, ivie Baumwolle und Kaffee, anderseits in den-kühleren Gürtel mit vorwiegender Kunst Produktion bei glücklicher Häufung der Steinkohlenlager gerade auf diese, Weltwunder vollbrachte?, desto mehr, desto cncrgievoller und zweckbewußter muß Deutschland ganzen bessere Volks-; danach trachten, bei dieser wichtigen Theilung der Erde noch rechtzeitig art, welche Deutschland während der letzten Jahrzehnte an dies fast, den Wettkampf zu treten. Daheim aber mag es wacker weiter Pflegen europagroße Land abgab, die nicht immer neidlose Anerkennung vor wie bisher die stillen, häuslichen Tugenden den Fleiß, Ordnungssinn der deutschen Arbeit Bahn. Nun erst hörte man die Amerikaner; und Sparsamkeit, damit das deutsche Vaterland seiner weihevollen selbst cs anssprechen: „Ohne deutsche Arbeiter wäre die amerikanische Industrie undenkbar." Ernste Stimmen lassen sich jedoch unter uns vernehmen, welche davor warnen, ungehemmt Jahr aus Jahr ein einen Theil des bestn, Herzblutes unserer Nation in jenen Staatsköiper unter dem blauen Sternen banner abströmen zu lasten, der sich ohne Vorrückung seiner Grenzen an Volkskrast stürmischer erhebt als irgend ein anderer. Vom allge- mein humanen Standpunkte aus wird man freilich dieses Wachsthum Preisen dürfen, das Segen brachte und bringt über viele, besonders auch unserer Nation, und dessen Lebenssaft dafür immer von Neuem erfrischt wird durch die Unsrigen, die unschätzbaren Einpflanzcr idealer Strebungen nach höherem Lebensgenuß, der Freude am holden Zauber der Musik und bildenden Kunst in die ewige Jagd nach dem Dollar. Aber fürwahr, der spezifisch deutsche Standpunkt kann sich dabei nicht befriedigt fühlen. Denn leider geht uns die Ansicdlerschaar spätestens in der zweiten und dritten Generation im unwiderstehlich asfimiliren- den Amerikanerthum verloren. Angloamcrikanische Sitten und Bräuche lockern mit der Zeit völlig den Zusammenhang der Auszüglinge mit dem deutschen Mutterland. Davon ist die Handelsbcwegung ein laut redender Zeuge: sie kettet diese neu-englische Welt auf's Festeste an Alt-England, so gut wie die politisch nicht losgetrennten britischen Kolonialländer. Man wirft dem Deutschen vor, er sei nicht stark genug in der Fremde, fremdcm Einfluß zu Gunsten seiner Eigenart zu wehren Doch es scheint ein gemeingiltiges Gesetz hier obzu walten: beim Zusammenstoß verschiedenartiger Völkcrgesiltung trägt die höhere und zahlreicher vertretene Gesittung den Sieg davon. Die Griechen machten einst Unteritalien, als dasselbe noch auf.niedriger Gesittungsstufe verharrte, durch bloße Küstenansiedlungen zu einem „Großgriechenland" mit weit weithin hellenischer Sitte und Sprache; dann kam die Massenwirkung der Römer über diese Lande — und alsbald war das echte Hellenenthum zernichtet, schon unter Tibcrius hörte man nur noch in wenigen Hasenplätzen griechisch reden. Wäre darum die griechische Kultur niedriger zu schätzen als die römische, oder etwa die französische unter Louis XIV. niedriger als die zeitge nössische deutsche, weil die unserer Industrie so überaus förderlich ge wesenen Kolonien der Refugiü's gänzlich in den sie aulzunehmenden deutsche» Stadtgcmeindcn aufgingcn? Ucbcrlegcnheit des britischen Charakters über die Deutschen dürfen wir in manchen wichtigen Be ziehungen allerdings nicht wegleugne». Der Engländer ist realistischer, hat also mehr praktischen Verstand sich in Alles leichter zu schicken wie der DurchschnitlS-Deulsche, er versteht namentlich bester als der urindividuell angelegte, daher gern auf seinem Kops bestehende Deutsche, sich unterzuori neu unter gemeinnützige Führung und Einrichtung, den Gemcinsinn im patriotischen Zusammenhalten zu üben und zu nähren; Jahrhunderte lange Entwicklung im heimathlichcn Jnselkreis hat dieses merkwürdige Volk gleichartiger, konservativer und in der Großhandelslust weltmännisch gemacht, während wir im zer stückelten Deutschland, innig berührt von heterogenen Nachbarn ungleichmäßiger und schon deshalb uneiniger wurden, durch unsere Religionskriege tief zurück kamen, als glücklichere Völker überseeischen Besitz errangen, aus heillos kleinlichen Verhältnissen spät und mühsam uns ausrsfftcn, bis die rettende That uns endlich die traurig ver lorene staatliche Einung, wenn auch nur zum Theil, so doch kräftiger Sendung mit immer freudigerem Erfolg treu bleibe, die hohe Schule der Arbeit sür die ganze Menschheit zu sein Blicke in »i- W-ltwi-thschaft. v. Die Kleischfrage. Die Störung des richtigen Verhältnisses zwischen dem lokalen Bedürfe und der lokalen Erzeugung tritt in neuerer Zeit nirgends so grell hervor, als in der Fleisch Versorgung Einerseits bringt die Erhöhung des Wohlstandes der großen Maste der Bevölkerung und die Zunahme der Volkszahl selbst einen stetig wachsenden Verbrauch animalischer Nahrung mit sich, andererseits liegt in der Ausbreitung des industriellen Elementes unleiigbar ein beständig Wirkender Anlaß zur Einschränkung der Viehzucht in dichtbevölkerten Staaten und zur Erhöhung der Produktionskosten derjenigen landwirthschaftiichen Be triebe, welche unter unseren — den mittel- und wcsteuropä-schcn - Kulturverhältnisten die Fleischerzeugung sich zur Aufgabe machen. In den meisten westeuropäischen Ländern ist aus dieser Verschiebung be reits eine brennende Tagessrage geworden, und zwar unter einem doppelten Gesichtspunkte: erstens unter demjenigen der Konsumenten, welche alle Mittel zur Herstellung eines lebhaften und regelmäßigen internationalen Vieh- und Fleischhandels aufsuchen, um billige Nähr ung zu erhalten, und zweitens unter demjenigen der europäischen Landwirthe als Produzenten, welche die zunehmende fremde Fleisch- zusuhr als gefährlichen Feind betrachten. So etwa präzisirt Herr von Neumann Spallert in seinen „Ueber sichten der Volkewirthschast" neuerdings treffend die Fleisch frage Wir wollen nachstehend unsern Lesern einiges positive Material übe, den Stand dieser Frage unterbreiten, indem wir zunächst den Uebcr- schuß und das Defizit der bedeutenden europäischen Länder betrachten und sodann den Antheil besprechen, welchen die außereuropäischen Staaten an der europäischen Fleischversorgung nehmen. Wir hoffen durch diese objektive Beleuchtung der Sachlage ein klein wenig dazu bcizutragcn, sowohl die Konsumenten wie die Produzenten von der Unzulänglichkeit eines einseitigen Jnteressenstandpuuktes zu überzeugen und ihnen die Notbwendigkeit der beständigen Nücksichts» ahme auf die Ges am mth eit vor Augen zu sichren. Werfen wir zunächst einen Blick aus die Umsätze imBiehhandel. Es betrug hier dem in Oesterreich - Ungar» „ Rußland „ Dänemark „ Niederlande „ Serbien „ Rumänien „ Italien , Schweden „ Norwegen die Einfuhr die Ausfuhr Ueberschuß(-s-) od. Defizits-) Mk. Mk. Mk 34558000 105176000 - 70918000 438000 32284000 - 31817000 1617000 48756000 - 47139000 1682000 21252600 - 195700 0 554000 18047000 - 17493000 1129000 13006600 - 11877000 8877000 20835060 - 11958000 371000 4581000 - 4210000 968000 163000 - 805000 Schweiz 18199000 7964000 — 10235000 Deutschland 131241000 110346000 — 20895000 Belgien 43678009 12862000 - 3081500) Frankreich 117034000 23611000 — 93420000 England 170353600 2517000 — 16M6000 Die interessantesten unter diesen Zahlen sind entschieden — und zwar keineswegs allein für die Deutschen — diejenigen über Deutsch land Kein anderes Land Europas und, wie wir sogleich sehen werden, der Welt hat eine so hohe Ausfuhr und daneben ein« noch größere Einfuhr, eine Eizenthümlichkei«, welche Deutschlandvor wie nach der Einführung des Zolltarifs von 1879 zum grüßten BiehhandelSstaat der Erde stempelt undHuglcich den besten Beweis dafür liefert, daß auch die deutsche Landwirthschaft an einem leichten, lebhaften Verkehr mit dem AuSlande ein ganz beträchtliche» Jnteresse hat. Die kolossale Einfuhr lebenden Viehes bei der fast gleich großen Ausfuhr ist zum großen Theil ein Veredelungs verkehr, an welchem unsere Landwirthschaft in weit höherem Grade gewinnbringend betheiligt ist als der „Handel". Wesentlich größer als das vorstehend ersichtlich gemachte Defizit an lebenden Vieh, in Europa sowohl wie in Deutschland, (De fizit — 103/42,000, bezw — 20,895,000 Mk.) stellt sich daS De- izit an Fleischnahrung überhaupt, d. h. mit Einschluß be nschen und gesalzenen, geräucherten und getrockneten Fleisches, der Konserve» und des Fleischextrakts. Die europäischen Staaten hatten an Fleisch rc. (excl. lebend Vieh) 1881 zusammen eine Einfuhr im Werthe von !-84.927,00) Mk nöthig, welcher eine Ausfuhr von nur 57,8,5,600 Mk. gegenüber stand. Die Einfuhr an Vieh und Fleisch bezifferte sich auf 016,476,0 0 Mk. bei einer Ausfuhr von nur 479, 02,080 Mk.. so daß sich ein Defizit an Flrisch- nahrnng für Europa ergiebt von 436,874000 Mk. Deutsch lands Einfuhr a» Fleisch re betrug 28,220,600 Mk., die Ausfuhr 13,431 Mk.; das deutsche Gesammtdesizit an Fleischnahrung 35,684,000 Mk., während England im Ganzen zur Ergänzung seiner Fleischnahr- ung nicht weniger als 432,986,000 Mk. ai das Ausland zahlen ^ mußte Zur Deckung dieses gewaltigen Fleischdefizits Europa'- dienten die Ueberschüste folgender viehreicher Gebiete anderer Welttheile. Die Bereinigten Siaaten von Nordamerika lieferten allein einen Ueber« chuß von 3 -,32->,000 Mk in le cndem Vieh und von 289.368,000 Mt an Fleisch rc.; Algier lieferte für 66,000 Mk. lebendes Vieh; Australien für 6,914,000 Mark Vieh und Fleisch; Canada ebenfo ür 15,615,0.0 Mark; Uruguay desgleichen für 23,100,000 Mark; die argentinische Republik für 17,563,000 Mark u. s w. Es mvg n diese Zahlen im Einzelne» noch mancher Korrektur bedürfen, im Große» und Ganzen sind sie zuverlässig und beweisen uns auf da» aller unzweifclhasteste, daß Europa auch in Bezug aus sein: Fleisch- nahrung zur Zeit auf die Produktion anderer Länder angewiesen st. Wir wollen hier nicht die Frage aufwerfen, ob in vorausseh barer Zukunft und bei gesund fortschreitender Entwickelung für Eu ropa eine Zeit kommen wird, in welcher wieder die einheimische Fleischerzeugung den Fleischbedarf deckt. Wir wollen noch viel weniger bestreiten, daß Deutschland bei gehöriger Steigerung der Viehzucht feinen Fleischbcdarf selbst decken könnte. Wenn, waS so vielfach sür die nächste Zukunft vorausgesagt wird, unsere Landwirth schaft ihre Hell in weit höherem Grade als früher in der Viehzucht erblicken »luß, dann ist das Verschwinden des zur Zeit bestehenden Fleischdcfizits Teutschla. ds vielleicht noch auf eine Zeit denkbar; wodurch die Frage, ob man dieses Ziel auf dem Wege sich steigern der Fleisch u,-d Biehzölle zu erstreben habe, übrigens durchaus nicht in bejahendem Sinne Präjudizirt werden soll. Die starke Zunahme der deutschen Bevölkerung ynd die gerade in Deutschland noch in weitem Maaße erwünschte Steigerung der Fteischnahrung bei der Masse deS Volke- legen entschieden den Gedanken nahe, daß auf die Dauer bei normaler Entwickelung unserer nationalen Wirthschast das Flclschdefizit in Deutschland ebensowenig zu vermeiden sein wird, wie dies in England der Fall gewesen ist. Unter allen Umständen dürste es ein auch für unser« Landwirthschaft etwa» riskante» Er- Periment sein, wenn man durch Absperrung der Viehzufuhren den deutschen Viehhandel dem vermeintlichen Bortheile der deutschen Viehzucht opfern wollte. G. Bobertag. Vermischt,-. — Ungarische Stc uergeschichte. Nicht ferne von jenem Dorfe, in welchem Baren Rokowina sc, e Besitzungen hat, amtirte eine Stcuerkommission Dieselbe hatte — so erzählt das „Bndap. Tgbl." — das Arbeitsvieh aller armen Bauern, die infolge der schlechte» Ernte ihre Steuerrückstände nicht bezahlen konnten, exequirt und ging eben daran, einige hundert Stück Rindvieh :»> Wege der öffentliche» Feilbietung zu verkaufen. Es hatten sich nur wenige Käufer bei der Lizitation eingefunden und Baron Rokowina erstand sämmtliche Ochsen und Kühe zum Spottpreise von 60 0 Fl. Ec ließ sich den Ankauf von d.r Steuerbehörde amtlich bestätigen und gab den armen Bauern am nächsten Tage ihr Vieh leihweise zurück, wo für er sich eine Kleinigkeit bedang Die Steuerkommission hatte da» Vieh, wie gesagt, spottbillig verkauft und die Steuerforderuug erschien infolgedessen nicht gedeckt. Was that nun diese Kommission? Sie wartete, bis Baron Rako.oina verreiste, exequirte während feiner Ab wesenheit das ihm zugehörende, jedoch, da den Bauern geliehen, in deren momentanem Besitze befindliche Vieh und schrieb sofort eine öffintliche Feilbietung au» Es kamen Fleischhauer von Nah und Fern und um einige tausend Gulden wurden Ochsen und Kühe so zu sagen verschleudert. Der Baron kam von seiner Reise heim, und nachdem er den Thatbestand konstatirt, reiste er nach Agram, wo er dem Chef der St:ucrbehörde die Angelegenheit vortrug. Der Be treffende war nicht wenig entsetzt, zumal die eingehollen amtlichen Informationen di- Angaben des Freiherrn v. Rakowina vollinhaltlich bestätigten Er tclegraphirte nach Budapest und der Finanzminister antwortete sofort, man n-öge einen Ausgleich um jeden Preis zu Stande bringen. Baron Rakowina verlangte sein: Ochsen und Kühe, diese aber in „ittnin au'zubringen, erschien unmöglich, zumal dieselben chon längst den Weg alles Fleisches gewandelt waren. Man bot 10,060, 20,000, 30.000 Gulden, doch der Geschädigte begnügte sich erst mit 50,000 Gulden, wofür er Vieh kaufte und dasselbe den Bauern wieder leihweise überließ. Als der Baron die Schadenersatz, summe einstrich, sagte der Cbef der Steuerbehörde: „Ich hoffe, Sie Werden diskret sein." Die Antwort war: „Ich wäre gern diskret, wenn Sie oder der Finanzminister die Summe auS eigener Tasche bezahlen würden; da aber die Bürger deS Staates die Leichtfertigkeit der Steuerbehörde bezahlen u üffen, so'wcrde ich diese Geschichte allen Leuten erzählen, die dieselbe hören wollen." — Ein „deutscher Unfug." Herr Bräuner, ein Deutscher, Besitzer deS .Grand Hotel" in Prag, veröffentlicht in den „Narodni Lysty" eine Erklärung, der wir folgenden PastuS entnehmen: „Meine deutschen Kellner sind bis aus einen sämmtlich der tschechischen Sprache mächtig. Nichtsdestoweniger reden nicht nur diefe, sondern leide« > -4
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