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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 15.10.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188410154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18841015
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18841015
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-10
- Tag 1884-10-15
-
Monat
1884-10
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 15.10.1884
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THe««1tzer Au-etger ««» Mr. S4» Mfttwoch, 15. Oktob« 1881. Veit« 2. VoÜtikr «ob di« -ur Schau getragene« Sy«pathieu rnglischer Par tei«» iu Wirklichkeit hadeu. GoUttfche Sl»»dsch««. L«rtfche< Reich. Fürst Bismarck wird »Lchsteu Dou- «aStag au« FriedrichSruh in Berlin wieder eiutreffe», um seine» Anfeuchaft für die Dauer daselbst zu nehme». Wie verlautet, trifft der Fürst deshalb früher iu Berlin ein, um die Vorarbeiten für de»Ausa«meutritt de» StaatSrath» in di« Haut» zu nehmen; dem» da dies« Körperschaft, deren Zusammentritt für den 20. d. iu Aussicht genommen ist, unter dem Borfitz de» Reichskanzler» ihre Sitzungen abhalteu wird, weil der Kronprinz bi» zu dieser Zeit von s i-er «eise »och nicht zurückgekehrt, so ist eS wohl selbstverständlich, daß Fürst BiSmarck einige Tage vorher nach Berlin zurüeftetzrt. — Die „Nordd. Allg. Zta." schreibt: Wie wir hören, hat die Reichsregieruug vor einiger Zeit iu London Schritte gethau. um die deutschen HaudelSioteressen im westliche» Theil der Südse« gegenüber den aus die Besitzergreifung aller noch freien Ge biete in der Süds« gerichteten Bestrebungen Sicherheit zu verschaffen. De« Bernehmen nach haben di« freundschaftlichen Besprechungen hier über -»nächst in Bezog auf Neu-Suioea zur Folge gchabt, daß bi« englische Regierung beschlossen hat, nur die Südküste von Neu Guinea und die in unmittelbarer Nähe dies« Küste befindlichen Inseln «tter britisches Protektorat zu stellen. Insoweit au anderen Punkten deutsch« und englische Interessen koukurrireu sollten, läßt sich aus eine Weitere Verständigung hoffen." — Der Säonke, die westafrikauischeu Fragen auf ein« Konferenz zu regeln, hat sowohl bei de» direkt interrssirten, wir auch bei denjenigen Mächte», denen Mittheiluug von d« beabsichtigten Konferenz gemacht worden ist, lebhafteste Zustimmung gefunden Die gespanntesten Erwartungen all« politisch«: Kreise richten sich daher ans diese „Aougo-Koufereuz" und ihren Ausgang. Wie die „Magdch. Zlg." mit Bestimmtheit hört, find die Einladungen zur Konferenz bereit» ergangen. Man wird nicht irren, wenn man an- nimmt, daß die Mächte nicht besoudne Vertreter zu d« Konferenz entsenden werdeu, sondern daß, wie eS bei d« letzten Londoner Kon ferenz der Fall war, die diplomatischen Vertreter d« Mächte am Kouferenzort, also diesmal in Berlin, zu den Verhandlungeu berufen Werden dürften. Wie verlautet, ist die Einladung znr Kongo-Konferenz Von Deutschland auSgegangeu, woraus auch d« Umstand sich erklären Würde, daß dieselbe in Berlin stattfinden soll. — Ein Berliner Telegramm von gestern meldet noch Folgendes: Für den Zusammen tritt d« Kongo-Konferenz ist das Sude Oktob« oder der An fang «Lchsteu Monat» in Aussicht genommen. Gegenstände der Berathuug »ollen sein: 1) die Handelsfreiheit im Becke« und an de» Mündungen deS Kongo, 2) die Amendirung der Bestimmungen de» Wiener Vertrag», betr. die freie Schifffahrt auf internationalen Strömen auf dem Kongo und Nign, 3) die Definition d« For malitäten, welche nöthig find, damit neue Okkupationen von afrikanischen Küsten al» effektiv angesehen werden. — Die offiziöse Wim« „MontagS-Revue" schreibt zu d« Konferenz-Angelegenheit: „Das Einvernehmen zwischen Frankreich und Deutschland ist in dies« Frage ein so vollständiges, daß diese Mächte sich schon heute die Kraft zurechneu, einer eventuellen Opposition Englands wirksam begegnen zu können. Sin solches Zusammengehen Frank reichs mit Deutschland auf eine gewisse Zeit und zu bestimmtem Zwecke ist gewiß noch weit entfernt von eine« eigentlichen Bündnisse, ab« e» darf als wirksames Mittel gelten» die bestehenden Gegensätze abzuschleifeu und die Gedanken von einem Bergeltuugskriege in den Hintergrund zu drängen. Wied« schwebte dem Fürsten BiSmarck die Arbeit au dem großen, allgemeinen europäischen Friedens- Werke bei der Einberufung der Konferenz vor, und soweit dessen Pläne und Entwürfe reichen, gehen sie imm« von einem Mittelpunkte, von der Sorge um die Erhaltung und Sicherung des allgemeinen Friedens und der neuen Rechtsordnung Europas aus." — In der französischen Kammer wird mittlerweile ein Gelbbuch erwartet, worin Ferry die Beziehungen Frankreichs zu Deutschland, auch bezüglich der Kougofrage klarlegen dürfte. Italien. Ueber das Unglück in Catania liegen der „Rationalzeitung" die folgenden näheren Angaben vor: „Am Nach mittag des 7. d entlud sich ein furchtbares Unwetter über der Um gegend von Catania; um 1 Uhr Nacht» steigerte sich die Wuth des Sturmes und entfesselte einen Cyklon iu der Richtung von Osten «ach Westen in ein« Breite von ungefähr 200 Metern. Er hielt eine gerade Richtung ein und passirte drei kleine Häusergruppen, zu erst Ciboli, dann Borfo und endlich Ognina, wo er an das Meer gelangte. Auch üb« zahlreiche Villeggiaturen ging er hinweg; eine Anzahl von größeren und kleineren Gebäude» wurden vollständig zusammengeworfen und die Bewohner unter dem Mauerwerk ver schüttet. Die rasende Windsbraut riß die Dächer mit sich fort. Die Felder sind wie mit der Sense geschnitten. Die Wein- und Orangen- gärten sind an den Orten, die der Cyklon berührte, bis auf die letzte Spur verschwunde n. Die Bewohner von Ognina und Ciboli flüch teten voll Entsetzen. Hilfe war verhältnißmäßig schnell bei der Hand, sie zeigte sich jedoch, trotzdem die Bevölkerung von Catania und die Truppen zusammeuwirkten, der großen Arbeit nicht gewachsen. Die Aufdeckung der zusawmengestürzten Häuser konnte nur langsam er folgen. ES zeigte sich im Verlauf der Ausgrabungsarbeiten, daß die Zahl der Opfer weit bedeutender ist, als man anfangs annahm. Bis zum 10. d. waren über 500 Verwundete und 30 Todte con- statirt; den Schaden schlägt mau ans etwa fünf Millionen Lire an. Die Stadt Catania selbst ist von dem verwüstenden Ereigniß ver schont geblieben'" — D« König von Italien hat zur Unterstützung der in Catania Verunglückten, resp. deren Hinterbliebenen den Betrag von 10,000 Lire gespendet. — In Neapel ist die Cholera leider wieder im Zunehmen begriffen. So sind vom 10. auf den 11. d. M. 114 Erkrankungen und 47 Todesfälle vorgekommen. Frrmkreich. Viele der bereits in Paris eingetroffeuen Ab geordneten melden, im Lande herrsche weitverbreitetes Mißvergnügen über den Krieg mit China, dessen Nutzen und Nothwendigkeit man nicht einsehe. Ebenso sei man nichts weniger als befriedigt von dem unerklärlichen Hin- und Herschwanken des Kabinets zwischen Unter Handlungen und kriegerischen Aktionen. Man würde vorziehen, daß energisch gehandelt würde, um die Angelegenheit rasch zu beenden, und würde man zu diese« Zwecke lieber einen größeren Kredit, als die bisher von der Regierung stets nach der Verausgabung der betreffen den Gelder verlangten Summen bewilligen. Die bisherigen Kosten, die eine ministerielle Note jüngst auf etwa 100 Millionen angab, werden von kundig« Seite auf einen weit höheren Betrag, auf nahezu 3Ü0 Millionen, geschätzt. — Die Pariser Blätter beschäftigen sich viel mit der jüngsten Anwesenheit des Grafen Herbert Bismarck in Paris, dem sie allerhand journalistische Detektivs und Mitarbeiter auf den Hals gehetzt haben, aber keinem war es gelungen, den Sohn des deutschen Reichskanzlers -»»„interviewen". Graf Herbert Bismarck war im Grand Hotel abgestiegen, wo ihm das Zimmer Nr. 65 im ersten Stock mit der Aussicht auf die Boulevards angewiesen wurde. Das dicht an stoßende Gemach Nr. 64 wurde seit dem Tage vorher von dem aus Belgien «usgewiesenen Herausgeber des „National Belge", Herrn Marchi, bewohnt. Da der ausgcwicsene Journalist den ganzen Tag von Reporters und belgischen „mal voinviit«" aufgesucht wurde, ereigneten sich zuweilen Verwechselungen. So irrte sich eine Abordnung der neu gegründeten Liga der belgische» Rqmblrkou« iu Paris, welche Herrn Marchi u» eine Unterstütz-^ «gehe» wollte, iu der Thüre und gerieth statt in Nr. 64 in Rr. 65. Da Graf, der gerade im Begriffe war, autzugeheu, hörte die Ansprache da Lente ruhig an, bedeutet« ihnen ab« darr», daß a nicht die Ehre habe, Herr Marchi zu sein . . . Tablea»! — Monaco und die anderen herrlich gelegenen Kur orte der Riviera n»ache» sich, wir all« WA1 bekannt ist. die erdenklich schärfste Konkurrenz. Indessen Jassir» iu diesen ZnfluchtS- stätteu da kranke» Meuschhät eiur sehr gefährliche Epidemie — die Epielwuth. I» Monaco wird diese» Last« ohne Scheu öffentlich auSgedeutet, wobei allerdings ein Betrug beim EpiA ausgeschlossen erscheint; an de» andere» Plätzen huldigt mau privatim dem Jeu, und dort bildet die eigene Vorsicht des Spieler» die einzige Garantie gegen seine betrügerische Uebavortheilung. Gewöhnlich äußert sich narr besagte Konkurrenz dadurch, daß da eine Kurort de« anderen vorwirst, a gäbe Veranlassung zu Selbstmorden und seine Kauaü- sation sei iu eine» miserabeleu Zustande. Da letzte Vorwurf be rührt allerdings bei allen diesen Plätzen eine wunde Stelle; denn der Inhalt der LbzngSkauäle wogt beim Ausfluß am Strand« de» MittelmeereS hi» und her, da dieser bekanntlich keine Ebbe und Fluch hat; jedenfalls ist dies« Umstand in sanitär« Beziehung bedenklich Gegenwärtig hat ein gemeinsamer Feiud alle diese erbitterten Neben buhler zu einträchtigen Freunden gemacht; sie behaupten nämlich sämmtlich mit gleich« Energie, daß die Cholera nicht in ihre hygiei- uisch gefeite Bannmeile dringen Wade. Möglich ist dies freilich; indessen fragt es sich, ob die Cholera, welche auf der einen Seite iu Toulon und auf da anderen bereit- in Sestri ihre Opf« fordert, sich durch diese Proteste abhalten lassen wird, sich in da Riviera die Hände zu reichen und diese durch eine solche Umarmung mit in ihren fatalen Bereich zu ziehen. Egypten. AuS Kairo wird gemeldet: Dem Miuisterrathe, welcher heute zu einer Sitzung zusammengetreten war, wurde vom Kbedive eine von ihm an den Ministerpräsidenten Nubar Pa cha ge richtetes Schreiben mitgetheilt, welche« besagt, daß die egyptische Regierung sich zur Schadloshaltuug Nubar Pascha» und des Unanz- Ministers verpflichtet erachte, sofern die internationalen Gerichtshöfe eine Beschlagnahme des PrivatvermögenS dieser beiden Minister wegen der von denselben angeordneten Sistirung der Amortifirung aussprechen sollte . Montenegro. Die montenegrinische Regierung hat einen Befehl erlassen, demzufolge sämmtliche geflüchteten Insurgenten in die entferntesten Gegenden Montenegros, insbesondere in den Distrikt von Dulcigno, welcher am entferntesten von der Herzegowina und der Crivoscie liegt, zu verweisen seien. Gleichzeitig wurde bekannt gemacht, daß von nun an Jeder, der den von den montenegrinischen Ge setzen gewährten Schutz mißbraucht und bei ein« aufrührerischen Handlung an den Grenzen von Montenegro und von den von Oester reich-Ungarn verwalteten Ländern ertappt wird, von den montenegri nischen Behörden den österreichischen Behörden ausgeliefert werdeu soll. Lokales. Chemnitz, den 14. Oktober 1884. — Mit dem weiteren AuSbaue unserer Stadt hält auch die Verbesserung und Verschönerung der öffentlichen Anlagen und Promenaden gleichen Schritt. Im verflossenen Jahre sind für dieselben 25,364 Mk. 50 Pf. verausgabt worden, die Einnahmen betrugen 16,468 Mk. 45 Pf. und belief sich demnach der Zuschuß der Stadtkasse, welcher im Haushaltplan mit 11,000 Mk. ausgrworfen Worden war, nur auf 89S6 Mk. 5 Pf. Von den Neuherstelluugen sind besonders zu erwähnen: Die Bepflanzung der Koßbergstraße zwischen der Reichs- und Weststraße, die Bepflanzung eines Theiles der Wilhelmstraße, die Bepflanzung des HilbersdorferwegeS entlang deS Schlacht- und Viehhofgrundstücks und die Bepflanzung des Wet- tinerplatze». Die vorhandenen Promeuadenbänke wurden durch Auf stellung neuer Bänke um 24 Stück vermehrt. Die für die öffentlichen Anlagen und Promenaden erforderlichen Ziersträucher, sowie die Blatt- und Teppichpflanzen sind wiederum zum großen Theil iu der Sradt- gärtnerei gezogen worden. Hierbei sei noch erwähnt, daß die letztere erst im Jahre 1882 auf dem vormals Schüffner'schen Grundstück ein gerichtet und dorthin auch die seither auf dem alten Friedhofgrund tücke bestandene Baumschule verlegt worden ist. — Einen Beleg dafür, wie die Stadt Chemnitz an Ausdehnung gewinnt, giebt der Nachweis der hiesigen Baupolizei. Danach wurden m verflossenen Jahre 36 Baupolizei-Ausschußsitzungeu abgehalteu und gelangten in denselben 543 Sachen zum Vortrage. Baugenehmigungen wurden ertheilt für: 316 Neubaue, 110 Höher- und Erweiterungs baue, 121 Veränderung?- und Reparaturbauten und für 50 Dampf kesselanlagen Abgewogen wurden nur 22 Gebäude. In der Form von Ortsstatuten, als Nachträge zur Bauordnung der Stadt Chemnitz wurden 2 Bebauungspläne aufgestellt: 1. Ueber das zwischen der Annabergerstraße (in der Strecke von der Trefsurthstraße bis Altchemnitz), der Flur Altchemnitz und dem Chemnitzflusse gelegene Areal und 2. über das zwischen der Wettinerstraße, dem Wettiner Platze, der Frankenbrrger-, der Bellert-, der äußeren Dresdner Straße der Franken berger Chaussee, der Flur Hilbersdorf, der Emilienstraße und der K. Sächsischen Staatseisenbahn gelegene Areal — Stadtbibliothek. Die Benutzung der Chemnitzer Stadt- bibliothek Hot sich im vorflossenen Jahre gegen die Vorjahre nur um weniges vermehrt, war wohl darin seinen Grund hat, daß während längerer Zeit wegen Umbaues des alten Rathhauses, in welchem die Stadtbibliothek untergebracht ist, in der Benutzung derselben Störungen eintraten. Die Bibliothek hat sich vermehrt durch Schenkungen um 1058 Bände, 43 Broschüren, 17 Karten und 6 Kunstwerke, durch Ankauf fern« aus der Bodemerstiftung um 49 Bände und aus dem Fonds der Bibliothek selbst um 175 Bände. Verliehen wurden im Vorjahre 4953 Bände an 490 Entleiher und befanden sich unter denselben 122 Beamte, Geistliche, Aerztc, Juristen, Offiziere, 137 Lehrer, 131 Schüler und Studenten und 100 Kaufleute und Gewerbe treibende. Das Lesezimmer der Bibliothek wurde von 399 Personen besucht. Der Aufwand, welchen die Stadtbibliothek verursacht hat, belief sich auf 3320 Mark. — Im verflossenen Jahre wurden von der hiesigen össent lichen Speise-Anstalt im Ganzen 217,421 Portionen abge geben und 33,301 Mk. 10 Pf. dafür vereinahmt. Das Vermögen der Speiseanstalt bezifferte sich am Schlüsse des Jahres abzüglich der Restsorderung des Stammvermögcns von 13,500 Mk. auf 26,366 Mk. 50 Pf., ausschlirßlich des Wertstes der baulichen Einrichtung im kom- munlichen Hause Nr. 7t> an der oberen Brückcnstraße Die Geschäfts organisation hat im Jahre 1883 insofern eine Aenderung erlitten, als die dem vormaligen Anstaltsverwalter obgelegene Kassen- und Rechnungsführung nicht auf den Neuangestellten Verwalter überge gangen, sondern dem neu angestellten VersorghauSkassirer mit übertragen worden ist. Es wird hierfür an die VersorghauSkasse eine Entschädigung von 150 Mk. jährlich vom 1. Januar 1884 ab gewährt. —x. Nachdem seit Jahren darum petitionirt worden ist, wird mit Beginn des W interfahrplanes die vierte Wagenklasse auf den Strecken Chemnitz-Neichcnbach, Leipzig-Hof und Glauchau Gößnitz-Gera eingesührt. —* Die gestern Abend im Elysium von hiesigen Sozialisten abgehaltcne Mählcrverkammlung war ungemein stark besucht, cs konnten wohl über 1000 Menschen anwesend sein. Man sicht daraus, daß je »LH« b« Wahltag heranrückt, depo mehr da» Interesse in der Bevölkerung wächst Die Tagesordnung kantete: Die bevor stehenden ReichStagSwahlen. Der Referent, He« W. Liebknecht aus BorSdorf, sprach in rein sachlicher Leise hierüb« 2 Stunde». Er beleuchtete an d« Hand de» von den Kandidaten der Ordnung»- Parteien aufgestellte» Programms da» Verhalte» dieser Parteien zu de» einzelnen Paukten und charakterifirte die Stellung sein« eignen Partei zu de» ausgestellten Fragen. Der leitende Gedanke war wohl der, daß von den gegnerischen Parteien für den Arbeiter wohl keine Hilfe z» «warten sei, die soziale Frage durch dieselben iu d« von denselben bisher betriebenen Weise nicht gelöst werden könne, daß auch die Reichs regierung io ihre» Bestrebungen und durch ihre ueurste Gesetzgebung den Kernpunkt der sozialen Frage noch nicht getroffen habe, letzt«« einzig und allein ihre richtige Lösung darin finden könne, daß die gesammte Arbeit durch den Staat und iu de» Staat orgauisirt werde. — Beim Durchgehen de» Programm» de» Kandidaten der deutsch- freifiunigen Partei konnte er iu de» meisten Fragen seine volle Zu stimmung nicht versagen, behauptete ab«, daß diese Punkte durchaus uichtSjNeueS enthielten, vielmehr von der sozialdemokratischen Partei viel früh« schon ausgestellt Worden und von dieser nur entlehnt seien. Die Kvlonialpolitik d« konservativen Parteien bezeichnete er al» eine knt» morgnva für die Kaufleute. Er behauptete übrigens, daß diese Frage für die Wahlen schon alle Bedeutung verloren habe, nachdem erkannt worden sei, daß die betreffenden Länder iu Afrika kein Absatzgebiet für Deutschland werden könnte». Daß übrigen» eine derartige Politik so nutzbringend sie im günstige» Fall» für da» Kapital werden könne, doch das LooS de» armen Manne« nicht zu bessern vermöge, beweise England, da» zwar durch seine Kolonial« Politik ein reiche» Land geworden sei, in dem dennoch Leute tatsächlich Hunger» gestorben seien. Daß im llebrigen die Deutschen im Auslande durch dak Reich geschützt werden müßten, da- verstehe sich von selbst, dazu bedürfe e» keiner großen Reden, da» sei aber auch keine Kvlonialpolitik. — In der hieraus folgenden Debatte machte He« Prof. Kellerbauer durch seine Rede auf die Zuhörer wesentlichen Eindruck. Er vertheidigte in maßvollster Weise das Programm dn deutsch-freisinnigen Partei und wies insbesondere darauf hin, daß obgleich das Programm seiner Partei in vielen Fragen mit dem der sozialistischen Partei jetzt konform sei, dennoch ein großer Unterschied darin zwischen den Parteien bestehe, daß seine Partei die vollständigste freie Entwickelung des Individuums fordere, während iu dem Programm der sozialdemokratischen Partei da» Gegentheil zu finden sei. — In sehr animirte Stimmung wurden sämmtliche An wesende durch die in beinahe humoristische Form gekleidete Rede des Herrn Rechtsanwalt Hammer versetzt. — Die Versammlung dauerte bis 12 Uhr uud verlief ordnungsgemäß. —s. In der gestrige« Versammlung de- hiesigen Arbeiter- ve'-eius im Saale der „Zentralherberge", referirte zunächst d« Vorsitzende Herr Protze über den dcrmaligen Stand der Arbeiter- häuserbaufrage. Der Ausschuß der betreffenden Kommission hat be schlossen, vorerst ein nur die Hauptfragen erledigendes Statut auszu- arbeiten und der Kommission zur Beschlußfassung vorzulegen. Nachdem die- geschehen, wird sofort zur Einberufung von öffentlichen Versamm lungen geschritten uud die gesammte Bürgerschaft zur Theilnahme an dem wahrhaft gemeinnützigen Unternehmen eiugeladen werden. Al» Zeichen dafür, daß de» Projekte allseits da» lebhafteste Interesse entgegengebracht werde, führte Herr Protze au, daß ihm zu gedachtem Zwecke bereits drei sehr günstig gelegene Bauareale zu äußerst mäßigen Bedingungen osserirt worden seien. Schließlich bemerkte Herr Protze noch, daß im Ausschuß die Frage aufgeworfen worden sei, wer die etwa durch die Vorarbeiten auflausendrn Unkosten decken wolle, woraus er (Redner) sich dahin ausgesprochen, daß dieselbeo sicher d« Arbeiterverein verlagSwcise übernehmen werde, was denn auch von der Versammlung einstimmig zum Beschluß erhoben wurde. Der zweite Theil der Tagesordnung betraf Berichterstattung über den gegenwärtige» Stand der Reichstagswahleu, worüber jedoch nichts besonders Bemerkenswerthes mitzutheilen ist. — Der Billetverkauf zu dem am 23. Oftober a. o., hier im Kasinosaale stattfindenden Konzerte des Herrn Otto Schelper und Fräulein Magdalena Jahns vom Leipziger Stadttheater hat bereits in der C. A. Klemm'schen Musikalienhandlung begonnen. In dieser sowie in der. M ai'schen Buchhandlung sind Bilder von Herrn Schelper als „Trompeter von Säkkingen" und „Rattenfänger von Hameln", sowie auch von Fräulein JahnS ausgestellt. Bei dem großen Interesse, welches unser Publikum sowohl dem Herrn Schelper als auch Fräulein Jahns entgegenbringt, dürste sich d« Besuch äußerst zahlreich gestalten. 8— Das Legen eines zweiten GeleiseS seitens der Straßen« eiseubahu über die Brücke bei der Zwickauerstraße verursachte gestern im Laufe des Vormittags eine mehrstündige Verkehrsstörung. Dieselbe ließ jedoch so recht erkennen, welch' starker Verkehr gerade auf der Zwickauerstraße stattfindet und wie nothwendig daher auch des Legen eines zweites Geleises über die Brücke war. Lr—. Eine arge Thierquälerei konnte man am Sonnabend Nachmittag auf dem Wege zum Schlachthofe bemerken. Ein Fleischer bursche fuhr ein Kalb in einem hochbordigen Wagen, wobei er eS mit einem am Halse befestigten Strick vor dem Herabspringen hin derte. Da das Kalb sich nicht legte, sondern mit dem Kopfe auf der Bordkante auflag, so schlug ihm dieselbe beim Fahren fortwährend an den Unterkiefer, ohne daß es bei dem Streben herauszuspringen eine andere Lage eiuzunchmen vermochte. Es ist sehr zu wünschen, daß den Straßenpassanten der Anblick solcher und ähnlicher Thier quälerei erspart bleibe. 8 — Der Droschkenkutschertarif enthält die genaue Bestimmung^ daß die Fahrgelder vor der Fahrt zu entrichten sind. Diese Bestim mung ist deshalb getroffen worden, damit zwischen dem Kutscher und de« Fahrgast« nicht nach beendeter Tour unliebsame Differenzen ent stehen und würden beide Theile diesen Paragraph deS Tarifs beachte», könnten sich nicht Fälle ereignen, wie der z. B., daß ein Droschken- kuticher absichtlicher Weise um das Fahrgeld betrogen und zudem noch beschwindelt wurde. Da» war vor einigen Tagen hier thatsäch- lich der Fall. Drei seingekleidete Herren von auswärts ließen sich von einem Droschkenkutscher mehrere Stunden zum Vergnügen herum fahren, sie hielten bei mehreren Gasthäusern an, tranken dort Bier und traktirten auch den Kutscher mit Bairisch Bier und belegten Brödchen. Einer der Fahrgäste ließ bei Begleichung seiner Schuld in einem Gasthause einen Hundertmarkschein sehen und, diesen auch dem Kutscher zeigend, erbat er sich von demselben mit der Ausrede, der Wirth könne nicht wechseln, drei Thal«, welche der Kutscher auch bereitwilligst dem Fahrgaste einhändigte. Er mußte sodann noch zu einer anderen Bierstube fahren, woselbst die Herren einzukehren be liebten. Der Aufenthalt hier dauerte aber über Gebühr lange und als der Kutscher sich endlich nach seinen Fahrgästen umsah, waren diese verschwunden, ohne ihm das Fahrgeld berichtigt und die drei Thaler wiedcrgegeben zu haben. Möge dieser Fall die Droschken kutscher für künftige Zeit zur Vorsicht mahnen. 8.— Ein kleines Vorkommniß wirkt oft bestimmend auf daS ganze Schicksal des Menschen ein und dient dem Einen zum Guten, dem Andern zum Schlimmen. Zum Guten gestaltete es sich einst für einen hiesigen Bürger, der als tüchtiger Mann seines Faches bekannt und wegen seiner Leutseligkeit sehr beliebt ist. Da der jetzt wohlhabende Geschäftsmann noch ein Junge von zehn Jahren war, mußte er bei einem Bauer der Umgegend die Kühe hüten. Gelegentlich
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