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gierungen würde nichts im Wege stehen, daß die mündlichen Vertragsverhandlungen mit Deutschland noch in dieser Woche in Berlin beginnen. Tie handelspolitische Situation zwischen Rußland und Deutschland hat sich zuverlässigen Petersburger Mel dungen der „Köln. Volksztg." zufolge erheblich gebessert. Manche Hindernisse des Handelsvertrages sind schon geebnet. Während man früher einen Ausgleich für undenkbar hielt, zweifelt jetzt Niemand mehr an einem günstigen Ausgang. Die „Nordd. Allg. Ztg." beschäftigt sich mit den Gerüchten über eine bevorstehende oder gar schon schwebende Kanzler krise und weist alle diese Redereien als lächerlich grundlos zurück. Weder in der Frage der Vertagung des Reichstags, noch in der der Entsendung des Generals v. Trotha nach Südwestafrika noch sonstwo beständen Meinungsverschieden heiten zwischen dem Kaiser und dem Reichskanzler. Tie gegen den Grafen Bülow gerichteten Ausführungen einiger konservativer Mitglieder des preußischen Herrenhauses seien vielfach falsch gedeutet worden. Ueber die Vorgänge auf dem südwestafrikanischen Kriegsschauplätze liegt ein gleichfalls wieder ohne Nennung des Aufgabeorte« eingetroffenes Telegramm von seilen des Gou verneurs Leutwein vor, über dessen Aufenthalt vollständige Un gewißheit herrscht, dem zufolge er entgegen der in Teutsch land herrschenden Auffassung am 9. April bei Onganjira und am 13. April bei Oviumbo nicht gegen denselben Feind gefochten hat. Im ersten Gefecht hat er den Oberhäuptling Samuel Maharero geschlagen, an dessen Verfolgung wurde er durch die Streitkräfte des Häuptlings Kajata, die in seiner linken Flanke standen, gehindert. Sie mußten zunächst am 13. angegriffen werden. Gegenüber der Zeitungsmeldung, vier Deutsche hätten selbst den Hereros die Waffen geliefert, mit denen sie uns jetzt bekämpfen, stellt die „Nordd. Allg. Ztg." fest, daß nach amtlicher Auskunft seit dem 1. Januar 1898, also seit dem Bestehen amtlicher Berkausstellen, an Hereros verkauft wurden: im Bezirk Windhuk insgesamt 4 Gewehre und 230 Patronen, im Bezirke Okahandja 3 Gewehre und 348 Patronen. Von andrer Seite wird ver sichert, daß kein andrer als England es war, von dem die Eingeborenen in Südwestafrika Waffen erhielten, so viel sie wollten. Tie „Deutsche Tagesztg." fügt hinzu: Nicht von amtlicher Seite, leider aber wohl von deutscher Seite in Verbindung mit englischen Händlern sind die Hereros reich lich mit Waffen versehen worden. Für beide afrikanische Stationen ist nach dem „B. T." eine Verstärkung der See- streitkräfte angeordnet worden. Tas Flaggschiff der ameri- konischen Kreuzer-Division „Vineta" rüstet sich zu einer Reise nach den südwestafrikanischen Gewässern, während der „Bussard" von Ostasien bereits nach Ostafrika unterwegs ist. Es wird bei dieser Gelegenheit das erste Mal sein, daß ein großer Kreuzer in den afrikanischen Gewässern ständigen Aufenthalt nimmt. Gegen die Wahl des Kandidaten der Vereinigten bürger lichen Parteien in Frankfurt a. O.-Lebus, Bassermann, haben nicht nur die Sozialdemokraten, von denen es ja zu verstehen wäre, sondern auch die Antisemiten und die Mit glieder des Bundes der Landwirte Protest eingelegt. Dieser letzte soll sich u. a. auch darauf stützen, daß der Reichskanzler in seiner letzten Herrenhausrede sich gegen die Kandidatur v. Jagwitz, des Sonderkandidaten der Bündler und Antisemiten, ausgesprochen hat. Die am Sonnabend vor dem Feste in Straßburg-Land stattgehabte Reichstagsersatzwahl hat eine Stichwahl zwischen dem bisherigen Abgeordneten Blumenthal (Südd. Volksp.), dessen Mandat für ungültig erklärt wurde, und Hauß (elsaß-lothringische Landespartei, erforderlich gemacht. Oesterreich-Ungar»». Der Ausschuß der ungarischen Delegation hat den Heeres voranschlag mit großer Mehrheit angenommen. Die Opposition bat um Bürgschaft, daß während der für die Tilgung des neuen 400 Millionen-Kredits bestimmien 25 Jahre keine sonstige Erhöhung des Militär- oder Marine etats stallfinden werde. Der Finanzminister Lukacs und der Kriegsminister Pitreich erklärten, diese Versicherung unmög lich abgeben zu können. Die Sozialdemokraten Oesterreichs haben eine große Bewegung gegen die militärischen Forde rungen im ganzen Reiche eingeleitet und bereits in den Pfingsttagen Versammlungen in Wien und an anderen Orten abgehaltcn, um den Widerspruch der Arbeiterschaft zum Aus druck zu bringen. Frankreich. Ter Konflikt zwischen dem Vatikan und der französischen Regierung wegen der päpstlichen Protestnote gegen den Besuch des Präsidenten Loubet in Rom, über welche am kommenden Freitag in der französischen Kammer debattiert werden wird, hat zu den erwarteten Maßnahmen geführt. Ter französische Gesandte beim Vatikan, Nisard, hat auf Weisung seiner Regierung Rom verlaffen und außer der üblichen Zeit einen Urlaub von unbestimmter Tauer ange treten. Ter päpstliche Nuntius Lorenzelli war während der Feiertage zwar noch in Paris geblieben, dürste sich aber heute oder morgen gleichfalls auf Urlaub begeben. Tie ge mäßigten Pariser Blätter sind mit diesem Ausgang durchaus zufrieden. Sie sagen, indem man die Beurlaubung wählte, hat man einen vollständigen Bruch vermieden. Und das ist gut, denn mit dem nächsten Regierungswechsel in Frankreich wird sich dessen Verhältnis zur Kurie auch wieder anders, d. h. freundlicher gestalten. Die radikalen Organe erblicken dagegen in der Beurlaubung der beiderseitigen Bevollmäch tigten nur den Vorläufer zu dem vollständigen Bruch und zur Aufhebung des Konkordats. Papst Pius IX. soll seliggesprochen werden. Die Vorbereitungen dazu sind schon eingeleitet worden. Tie Stellung des Kardinal-Staatssekretärs Merry del Val gilt wegen seiner Haltung in der Protestfrage für er schüttert. Er hätte es unter keinen Umständen zu einem Konflikte kommen lassen dürfen, sagt man im Vatikan. England. Bei den Kämpfen gegen die Tibetaner erleiden auch die Engländer Verluste. Die Tibetaner werden offenbar immer kriegskundiger und bereiten den Engländern am Ende doch noch ernstere Verdrießlichkeiten. Rußland. Der Brand in Kronstadt ist nicht von Japanern, sondern von russischen Militärbeamten verursacht worden, die sich arge Unterschleife hatten zu Schulden kommen lassen. Eine große Anzahl Uniformen und anderer Ausrüstungs gegenstände, die bezahlt worden, waren einfach nicht vor handen. Tie Betrüger, zum Teil hohe Offiziere, ver gifteten sich. Aus dem Muldentale. *Waldenburg, 24. Mai. Ihre Durchlaucht Prinzessin Luise von Schönburg-Waldenburg ist am 20. d. M. nach längerer Abwesenheit nach Schloß Pomssen zurückgekehrt. *— Se. Durchlaucht der Fürst traf, aus Potsdam kommend, am 1. Pfiugstfeiertag Vormittag hier ein. *— Beim hiesigen Stadtrat ist eingegangen Reichs-Gesetz blatt Nr. 22, enthaltend: Gesetz, betreffend Aenderungen im Finanzwesen des Reichs. Bekanntmachung, betreffend die Ein fuhr von 'Pflanzen und sonstigen Gegenständen des Garten baues. *— Die Gewinnliste der 29. Dresdner Pferdelotterie, gezogen am 19. d., ist erschienen und in unserer Expedition einzusehen. *— Der Torfweg in Ebersbach wird wegen Maffen- schüttung auf der Strecke vom Thurm'schen Steinbruch bis zur Neubert'schen Gastwirtschaft vom 24. bis mit 28. Mai für den gesamten Fährverkehr gesperrt. *— Das Pfingstfest war am 1. Feiertage leider vom Wetter recht wenig begünstigt. Der Himmel hatte sich be deckt und seine Schleusen geöffnet; die Temperatur war der maßen heravgegangen, daß ein sitzender Aufenthalt im Freien sich von selbst verbot. Gleichwohl hat die Eisenbahn zur Bewältigung des Verkehrs Sonderzüge einlegen müssen. Auch auf der Muldentalbahn machte sich deren Einlegung nötig. Trotzdem ist das Wetter der Vegetation förderlich. Tie Saaten haben sich in einer Weise entwickelt, wie dies selten der Fall ist. Völlig ausgebildete Aehren trifft man bereits an. — In der Zeit vom 26. bis mit 29. Mai d. I. täglich von 10 — 12 und 2 — 8 Uhr wird in dem Gebäude der höheren Webschule zu Glaucha» eine Sammlung ncudeutscher Stickereien, ersonnen und ausgeführt von Professor Or. jur. Freiherr von Weißenbach-Lcipzig für jedermann kostenfrei zu sehen sein. Tieselbe erzielte bisher in allen Städten, wo sie zur Ausstellung gelangte, so kürzlich in Berlin, durch schlagenden Erfolg. Tie Einfachheit der Technik, die Groß artigkeit der Wirkung gewann überall die Herzen der Damenwelt, wie aller Fachleute. Wir verfehlen nicht, allen Interessenten den Besuch auf das Wärmste zu empfehlen. Dazu wird Herr von We-ßenbach am 26. Abends 8 Uhr einen ästhetisch polemischen Vortrag über die vornehmste häusliche Kunst halten, um seine Hörer in das Wesen seiner Stickerei einzuführen. Außerdem findet täglich Nachmittags 3 Uhr und Abends je ein technischer Vortrag statt, der den Besuchern Gelegenheit bieten soll, sich mit dieser Kunst ver traut zu machen. — Der Hallenanbau, der für die mit dem Sächsischen Gastwirtsverbandstage in Glaucha» verbundene Aus' stellung bestimmt ist, geht nunmehr seiner Vollendung ent gegen. Seine Fertigstellung wird noch in dieser Woche er folgen, sodaß am 25. d. mit der Aufstellung der Aus stellungsgegenstände begonnen werden kann. Auch die Reno vierung des Kolosseums schreitet schnellstens vorwärts. — Tas Gymnasium zu Zwickau beabsichtigt, nach dem Beispiele mehrerer sächsischen Gymnasien am Ende eines jeden Kirchenjahres ein sogenanntes Locs zu veranstalten, d. h. eine Gedächtnisfeier für seine im verflossenen Kirchen jahre verstorbenen ehemaligen Angehörigen. Zu dem Zwecke ergeht an alle früheren Schüler des Gymnasiums die dringende Bitte, jeden ihnen bekannt werdenden Todesfall eines ehemaligen Mitschülers der Tirektion des Gymnasiums anzuzeigen, wenn möglich, mit Angabe des Todestages und der letzten Stellung des Betreffenden. — Tie Zwickauer Gasanstalt ergibt auf das Jahr 1903 40,000 Mk. Ueberschuß mehr als veranschlagt worden. Tieser soll dem Ueberschußfonds zugewiesen werden, der 500,000 Mk. erreichte. — Eine praktische Neuerung, die manche unnötige anspruchnahme der Schalterbeamten beseitigen dürfte, ist bei dem Postamt in Zwickau eingesührt worden. Es ist dies Unterhaltungstei!. Die Mau des Virtuosen. Erzählung von O- Heller. 6/ (Fortsetzung.) „Wäre Tir das recht?" „Warum nicht? Er hat die feste Stellung nicht mehr nötig. Und die Schülerinnen — meist junge, hübsche Mäd chen . . ." Adelaide lachte. „Also doch eifersüchtig!" „Ich lasse es Aloys aber nie merken!" entgegnete Lenore, gleichfalls lachend. Jetzt klopfte Hedwig an und trat möglichst unbefangen ein. Der Frühstückstisch war gedeckt, und bald erschien auch Aloys, schon zum Ausgehen angekleidet. „Tie Kunde von der Anwesenheit unseres holden Gastes hat sich schon verbreitet," sagte er zu Lenore. „Eben traf ich auf der Treppe Bruck Ferencz — oder in unser gelieb tes Teutsch übersetzt — Franz Bruck: er bittet um die Er laubnis, den Damen seine Aufwartung machen zu dürfen, und folgt mir auf dem Fuße. Galant, wie er nun einmal ist, wird er seine Dienste als Cicerone zur Verfügung stellen für den Fall eine- Besuchs im Museum oder in der Natio nalgalerie. Ich kann nicht mitgehen, wie Du weißt." Lenore erklärte, daß Aloys sich heute zuerst nach dem Konservatorium, dann zu einem Bildhauer, dem er eine Sitzung zu seiner Porträtbüste zugesagt habe, begeben müsse. Das würde bi« fünf Uhr etwa, also bis zum Mittagessen dauern. Daher sollte man wirklich, nach Aloys' Vorschlag, die Zeit und das schöne Wetter zur Besichtigung der Ber liner Sehenswürdigkeiten benutzen. „Im Dienst der Schönheit, wie Freund Ferencz sich aus drückt, würde er Sie überallhin begleiten, wohin Sie wol len, falls Sie etwa den schönen Morgen nicht unter ägyp. tischen Mumien und Cinquecento-Madonnen zu verbringen geneigt sind." ! „Weshalb trauen Sie mir Mangel an Geschmack zu?" fragte Hedwig. „Ich bedauerte nur — das heißt — Sie ! wären uns als Führer natürlich lieber gewesen als der fremde Herr Ferencz oder Franz . . ." „Da klingelt er schon," sagte Aloys, „und er wird sich persönlich Ihrer Gunst empfehlen." Franz Bruck war der Typus des „schönen Mannes" mit einem Stich ins „Interessante". Eher etwas kleiner als Aloys Glöckner und von etwas untersetzter Figur, sehr brünett, machte er den Eindruck eines Salonzigeuners. Tadellos in Schwarz gekleidet, hielt er in der elegant behandschuhten Rechten einen prachtvollen Blumenstrauß, den er nach erfolgter Vorstellung Hedwig überreichte. Sie war über die unerwartete Huldigung ein wenig befangen. Er sieht gut aus, dachte sie, fand aber, im unwillkürlichen Vergleich mit Aloys, bald heraus, daß sein Profil nicht so edel geschnitten, die Stirn eng und niedrig war, und daß das Charakteristische seiner Physiog nomie bloß in Haar und Bart bestand. „Mein spätes Musizieren gestern hat ihn aus dem ersten Schlummer gestört," sagte Aloys zu Hedwig. „Er wohnt nämlich gerade über uns." „Als geborener Ungar sind Sie doch gewiß Musikfreund?" ^fragte Hedwig, sich zu Franz wendend. „Ter?" antwortete Aloys für ihn. „Der macht sich bloß mit „gefrorener Musik" zu schaffen. Er ist seines Zeichens Architekt, hat das Haus hier und eine Menge an derer Bauwerke mit Steinen und Mörtel, gänzlich ohne Zuhilfenahme von Amphions Saitenspiel, errichtet." i „Dafür könnten auch die Trompeten von Jericho ihnen ! nichts anhaben," entgegnete lachend der Baumeister. Er nahm auf Lenorens Einladung am Frühstück teil und ! zeigte sich beflissen, seine Bewunderung für Hedys Liebreiz ' demonstrativ an den Tag zu legen. Er riß die ziemlich kleinen schwarzen Augen soweit wie ! möglich auf und musterte sie mit glühenden Blicken, die Verwirrung, in welche das junge Mädchen durch sein Mie nenspiel gebracht wurde, als einen Triumph seiner sieghaften Persönlichkeit auffassend. Früher war Lenore der Gegen stand dieser aufdringlichen Art von Galanterie gewesen. Heute war sie für ihn kaum vorhanden. Es machte ihr Spaß, als unbeteiligte Zuschauerin das Feuerwerk seiner Beredsamkeit und seiner Blicke zu beobackten. Nur wun derte sie sich, daß Aloys, der es nicht übel zu nehmen schien, als er ihr, der eigenen Frau, vor seinen Augen in derselben Manier huldigte, heute entschiedene Verstimmung zeigte. Zuletzt mußte auch der Baumeister es merken. Er glaubte, Aloys fühle sich gekränkt, daß er durch seine glän zende Unterhaltungsgabe in den Schatten gestellt würde. Er erging sich nun in wortreichen Schilderungen des kame radschaftlichen, freunvschaftlichen Verhältnisses zwischen ihm und Aloys. „Nur natürlich übrigens. Wir sind ja Landsleute, typische Repräsentanten Oesterreich-Ungarns! Gelt, Aloys?" „Hm — Servus!" entgegnete Aloys, brüsk aufspringend. „Ich muß gehen!" Er stürmte hinaus. Lenore sah ihm befremdet nach. Als sie sich — ohne den Architekten — beim Mittags mahl wieder zusammensanden, hatte Glöckner die augenblick liche Mißstimmung überwunden. Er fragte Hedy, die einen etwas abgespannten Eindruck machte, wie sie sich bei dem Museumsbesuch unterhalten hätte? „Nicht besonders", gestand Hedy aufrichtig. Anstatt ihre Aufmerksamkeit den Bildern zu widmen, hatte sie immer mit der Abwehr von Herrn Brucks Artigkeiten zu tun. Und er wollte ihr nichts zeigen, wie's schien, als Mutter gottesbilder und Familienszenen! „Alles Mittel zum Zweck," sagte Aloys trocken, einen Blick mit seiner Frau wechselnd. „Und das gefiel Ihnen nicht?" „Ich schwärme nicht für Madonnen," erwiderte Hedy, trotzig den Kopf in den Nacken werfend. „Und rührende Familienszenen machen auf mich keinen Eindruck." Auf einen Zwischenruf von Tante Adelaide hin errötete Hedy und schlug die Augen nieder, fuhr aber festen Tones fort: „Es ist vielleicht unrecht, was ich sage." (F. folgt.)