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Tageblatt. Aintsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Prand. -l- Fttiberg, 5. August 1867. Die nordschleSwigsche Frage bewegt sich augenblicklich noch hinter den LMtssrn; wir können nicht glauben, daß die Con fermzen in Ems, zu welchen Graf Bismarck au» Pommern und Graf v. d. Goltz au» Parts zugezogen, ohne Bedeutung find. Dem äußern Anschein nach hat Frankreich allerdings einen diplomatischen Rückzug gethan, wie weiter unten (siehe Frankreich) ausgeführt wird, ob aber die Sache selbst damit ihre Erledigung gefunden oder ob dieser Rückzug ein bloßes Manöver ist, womit man den Völkern Sand in die Augen streuen will, wer möchte das heute schon mit Bestimmtheit behaupten wollen Wir lassen für jetzt die Frage auf sich beruhen und wenden un» einer Erklärung zu, womit Schulze-Delitzsch den Nicht- Keitrittzu einem iZternationalen Friedensconzreß, der von Paris auS von mehreren Führern der Demokratie angeregt ist, moti- virt. In dieser Motivirung ist da» Verhältniß Deutschlands zu Frankreich so klar und faßlich dargestellt, daß wir dieselbe der un« getheiliesten Aufmerksamkeit unserer Leser empfehlen. Das Schrift stück lautet: Wie die demokratische Partei in Preußen sich zu der Frage der Wilitärorganisation und steter Kriegsbereitschaft, die jetzt in Europa an der Tatzesordnung ist, verhält, ist aus ihrem langjährigen Kampfe für Abkürzung der Dienstzeit und Aufrechthaltung des Land- wehrsystem« bekannt. Die von den verschiedenen in Paris aufge- tretenM Liguen für Erhaltung des Frieden« und allgemeine Ent waffnung eingeleitete Agitation hat daher unsere ganze Sympathie, und wir können uns für die dabei ausgesprochenen Grundsätze fast ohne Ausnahme erklären. Nichts desto weniger legt uns die be sondere Lage unseres Vaterlandes in Bezug auf die Betheiligung an diesen Demonstrationen die größte Zurückhaltung auf. Darüber täuscht sich nämlich bei uns kein Mensch und die Mlttheilungen zu- verlässtger Freunde stimmen darin überein, daß wir dem Angriffe Frankreichs in naher Zeit ausgesetzt find, weil der französische Cä- sarismu« in der Einigung uoseres Vaterlandes eine Einbuße an dem vo« ihm prätentirten und dem französischen Volke als nationale Bestimmung gepredigten europäischen Prestige erblickt. Wir sollen uns nur mit seiner Erlaubniß coNstituiren und, gleich den Italienern, einen Preis dafür! zahlen, dessen Forderung die bisherigen Ereignisse höchsten» vertagt haben. Wir kennen die Rüstungen, die mit so großer Energie betrieben werden, sehr gut; wir sehen, wie dte fran zösische Presse alle möglichen Fragen aufsucht, welche je nach Um ständen der französischen Regierung als passende Handhaben dienen können, um die gewünschten Verwicklungen herbeizuführen. Nun find wir Deutschen das friedlichste aller Kulturvölker, das auch jüngst nur in'schweren inneren Wirren, nicht gegen da» Ausland, zur Waffenentscheidung gedrängt wurde. An eine Vergewaltigung unserer Nachbarn denk 'Niemand, und was französische Politiker und Journalisten von Gefahren faseln, denen Frankreich durch unsere politische Eonstituirung ausgesetzt sein soll ; das glauben sie selbst nicht. So wett ist indessen der nationale Geist bei uns er starkt, daß wir die Einmischung de» AuslcmdeS in unsere inneren Angelegenheiten unter keiner Bedingung dulden. Eine entsetzliche Geschichte Jahrhunderte langer Zerrissenheit, Ohnmacht und Schmach liegt mahvend vor unseren, Blicken. Seit den furchtbaren Religions kämpfen des16. und 17. Jahrhunderte« bis zu den blutigen Feld- zügtt» de--ersten Kaiserreiches find fast alle großen europäischen Kriege in unseren Grenzen und auf unsere Kosten ausgefochten worden und haben- unser Vaterland zur Wüste gemacht. Ein Stück Landes nach dem andern hat man vom deutschen Reichskörper ge rissen. Deutschland war'? das allgemeine ENtschädigungS-Object der kriegführenden Theile, auschemmam die- Abfindungen des Siegers wie der Besiegte«! , muß ein Ende haben für alle Zeit! Wie sehr wir auch in der Gestaltung unserer inneren Zustände durch dm Krieg gehemmt werden, wie sehr gerade die demokratische Partei in ihrem Kampfe um die volle Freiheit und das gleiche Recht für alle, in ihren Strebungen für die Prinzipien humaner bürgerlicher und wirthschaftltcher Entwicklung dadurch zu rückgedrängt wird: dem Auslande gegenüber, das frivoler Weise 1« unsere innere Gestaltung einzugreifen versucht und damit unsere staatliche Existenz bedroht, stehen wir Alle wie ein Mann, solche Anmaßungenzurückzuweisen. Eine politische Partei, die auch nur den Schein auf sich lüde, hier zu säumen und sich zu bedenken, wäre verloren für immer Und darin liegt eben der himmelweite Unterschied der Stellung der Parteien in Frankreich und bei un». Niemand in ganz Europa denkt daran, Frankreich anzugreifen und sich in dessen innere Angelegenheiten zu mischen. Wenn daher aufgeklärte Patrioten Ihres Landes zur Verbreitung richtiger Ank schaumigen über den Frieden, al« unerläßliche Bedingung alle» menschlichen Wohlergehen» und Fortschrittes zusammentretek, um durch Kundgebung ihrer Ansichten aüf den öffentlichen Geist zu Wirten, so ist dieß nirgends so sehr, wie in Frankreich am Platz«, al» dem Lande, welche«, selbst von keiner Seite bedroht, bi» zu diesem Augenblicke da» entscheidende Wort im Weltreichs für sich in Anspruch nimmt und von dem allein ein aggressives Vorgehe» gegen seine Nachbarn behufs der Einmischung in unsere innere« Angelegenheiten zu befürchten steht. Wie anders bet un«! Un- gelten die französischen Rüstungen, wir find da« nächste Objert der französischen Aktion nach außen. Ein schwerer Kampf um unsere staat liche Selbstständigkeit steht vor uns. Denn wie sehr wir auch von dem Ernste der FriedenSagitatton überzeugt sind, welche gleichzeitig sowohl von Ihnen wie von anderen Kreisen in Ihrem Lande auSgeht; wie sehr wir derselben Erfolg wünschen und sie unsererseits aus allen Mäste« zu fördern haben — daß sie bei der nächsten Entscheidung auf dis Haltung Ihrer Regierung doch keinerlei Einfluß üben werde, ist ge wiße Nun denken Sie sich die Lage derjenigen deutschen Politikr, welche mit Ihnen gemeinsam in jenen Congresfen und Liguen, welche wesentlich von Frankreich ausgehen und dort ihren Hauptsitz habe«, zur Einstellung der Rüstungen und zur Entwaffnung im Allgemeinen und ihre eigene«; Regierungen insbesondere öffentlich aufgefordert haben. Würde nicht in dem Augenblicke, wo Seitens Frankreich» der Angriff auf «ns erfolgt, das allgemeine Verdikt: „daß sie in Gemeinschaft mit dem Feinde versucht haben, das Land wehrlos zu machen", gegen sie ergehen? Mindestens würde» sie als gröblich dupirt vom Auslands dastehen und wären diskredttirt für immer; Gehen wir daher, bis sich die Situation geklärt hat, Jeder zunächst in seinem Vaterlande an die Arbeiten des Friedens und für de« Frieden! Da» gemeinschaftliche Auftreten fördert in diesem Augen blicke die gemeinsame Ausgabe nicht. Die Kammern und Parlamente vor Allem sind die Stätten, wo sich die Stimmen aller entschiedene« Freunde der Freiheit und de« Friedens — von denen bei civilistrtea Völkern Keine« ohne das Andere auf die Dauer bestehen kann — hören lassen müssen. Hier gilt es, den Haß, das Mißtrauen der Völker gegen einander, ihre nationale Eitelkeit, den Ehrgeiz und die Machtsucht zu bekämpfen und große gemeinsame Culturziele ihnett vor die Augen zu stellen, denen sie in friedlichem Wettstreit ihvt Kräfte zuzuwenden haben. Am sichersten gelangt mandazu, indem man sich müht, Institutionen in das Leben zu rufen» welche in der Förderung der Volksbildung und in der Sanktion der Bolksrechtt im Innern zugleich die gegenseitige Rechtsachtung in die interne tionalen Beziehungen einführen, durch Anerkennung des Grundsätze»,' daß die Nationen berufen sind, ihre Geschicks selbständig-zu ordnest und jede fremde Einmischung abzuweisen. Operiren wir so tast beiden Seiten, und der endliche Erfolg-wird unseren Anfirrngunsrst nicht fehlen ! Ja-, vielleicht mag es gerade- WdirFrKdtU«aAUW ttouen in! Frankreich mit W v»e^ 181 erscheint jeden Wochentag früh s u, Inserate werden bi» Nachm. 3 Üht für die nächste Nr. angenommen; 1 .in... .. . Dienstag, den 6. August Prei« vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 5 Pf. berechnet. IM