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824 Mecklenburger jüdischen Glauben« noch immer schmachten, richten wir hoffnungsvoll den Blick zum hohen Reichstag empor," so be ginnt die Eingabe ihrer Mittheilungen. Man erführt nun, daß die mecklenburgischen Juden noch immer wie eine Pariakaste behandelt werden und man glaubt sich ganz in die Zeiten des finstersten Mittelalters zurückrersetzt. ES ist kaum glaublich, aber wahr, daß der Jude in Mecklenburg von dem Erwerbe eines ländlichen Grund stückes ganz ausgeschlossen ist und ein städtisches Grundstück nur nach eingeholter Erlaubniß des Ministerium«, deren Kosten etwa 16 Thaler betragen und in die großherzogliche Kaffe fließen, er werben darf. Der Jude ist dort ausgeschlossen von der Gewinnung deö Bürgerrechte«, ja, in den Städten Rostock und Wismar ist ihm bis auf den heutigen Tag überhaupt die Niederlassung ver wehrt. Der jüdische Kaufmann darf nach gewonnener Niederlassung nicht ohne landesherrliche Concession sein Geschäft betreiben. — Die „Elberfelder Zeitung" stellt folgende Berechnung darüber auf, wie diel Procent des Gesammteinkommen« bisher in den einzelnen Staaten des norddeutschen Bunde« und wie viel diese Ausgaben nach dem Normalbudget, wonach 1 Procent der Be völkerung zur Bundesarmee ausgehoben und für jeden Kopf ein jährlicher Beitrag von 225 Thalern festgestellt wird, künftig be tragen werden: Preußen verwendete bisher Proc. 29„ künftig so' Sachsen s s 17,» ' 38„ Hannover F - 17» - 26., Hessen-Kassel B 20,. - 32,5 Mecklenburg-Schwerin - B 31„ - 38,. Nassau B B 18 35,» Oldenburg - B 18,« - 30 Braunschweig - B 25 37,, Sachsen-Weimar * B 11„ - 37 Hamburg B B 10,. - 14,« Anhalt S - 5,« - 12" Sachsen-Meiningen B - 11„ - 40" Sachsen-Coburg-Gotha - - 14,. - 3V" Sachsen-Altenburg 11" ' 37,. Lippe-Detmold 29 106,« Mecklenburg-Strelitz 11 26„ Bremen 8" - 14„ Frankfurt A S 11,. ' 11-. Reuß-Schleiz 21„ - 66,5 Schwarzburg-Rudolstadt - - 9 44,5 Schwarzburg-Sondershausen - - 5 21" Waldeck S - 11" - 30,. Lübeck » B B 11" - 20" Reuß-Greiz S - 17,» - 47„ Schaumburg-Lippe - -» 12" - 3l" Hessen-Homburg S - 8,5 - 27,7 Bremen. Gegen die Staatsflucht, zu welcher sich einige Hamburger Kaufleute erniedrigt haben, richtet — gewiß mit vollem Rechte — da« „Bremer Handelsblatt" folgende geharnischte Worte: „Wir haben lange nicht eine so beschämende und empörende Nach richt erhalten, wie die, daß eine Anzahl begüterter Hamburger Kaufleute ihr dortige« Bürgerrecht mit dem irgend eine« Schweizer CantonS zu vertauschen vorhaben oder bereit« vertauscht haben, nicht etwa, um den Rest ihre« Daseins inmitten der erhabenen Al pennatur zu beschließen, sondern um den gesteigerten Lasten zu ent rinnen, die der norddeutsche Bund ihnen auferlegen wird. Eine traurigere Gesinnung ist nicht zu denken, ein schlechteres Beispiel könnte nicht gegeben werden. Wenn Leute aus dem untern Mittel stände ihre Söhne in fremde Welttheile schicken und sich für immer von ihnen trennen, um sie vor dem eingebildeten Schrecken der all gemeinen Wehrpflicht zu bewahren, so halten wir solche Selbstver wundung ihrer beschränkten Einsicht allenfalls zu Gute. Wenn einige schwarzgelb angestrichene Patricier in Frankfurt a. M. sich in den Verlust der städtischen Selbstständigkeit nicht finden können und auswandern, so lassen wir die Narren laufen, und ist es unter dem frischen Eindruck der Contribution im vorigen Sommer, der Manteuffel'fchen Titth-Reden geschehen, so finden wir den Entschluß sogar psychologisch motivirt. Aber den Hamburger Staatsflüchtigen stehen keine solche Entschuldigungen zur Seite. Sie sind gebildet genug, um zu wissen, daß der Mensch nicht bloS Rechte an Staat und Gemeinde hat, sondern auch Pflichten gegen die ihn tragende und schützende Gemeinschaft. Sie sind ferner wohlhabend genug, mn ohne alle Beschwerde eine Steuererhöhung ertragen zu Knnen, «u der sie immer noch nicht zur Hälfte an die Steuerlast rhein- preohischer Industriestädte hinanreichen werden. Sie wollen auch im Groll über widerwärtige Ereignisse der Vaterstadt den Nucken kehren, sondern denken nach wie vor die Annehmlichkeit rü dem weilstüduschrn Hamburg zu genießen, und nur sich von den Lasten frerzuhallen, welch« all« übrigen Hamburger gleichzeitig mit Bremen, Lübeck und ganz Rorddentschland überneh men werden. „Da« ist eine so unwürdige Denkungsart, daß wir in der Seele der Nation erröthen, sie unter Deutschen nicht allein vorhanden, sondern sich sogar noch In einer gewissen Masse breit machen zu sehen." Wir fühlen un« zu diesem öffentlichen Protest um so mehr herausgefordert, als e« kaum ausbleiben kann, daß man die traurige Handlungsweise einzelner Hamburger der Stadt Hamburg und die in Hamburg hervorgetretene Handlungsweise mehr oder weniger den Hansestädten überhaupt mit auf die Schuld seite schreibt. Je delikater die hanseatische Position im Allgemeine» gegenwärtig ist, desto umsichtiger müssen wir sie vor Meuterei i« eigenen Lager bewahren. Und jener Schritt ist in der That gleich, bedeutend mit Verrath und Meuterei." München, 2V. März. In Folge der Veröffentlichung di« preußisch - bayerschen Schutz- und Trutzbündnisses hat der ausschuß in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, die StaatSregienm» zu ersuchen, daß die Berathung über die sonst dem AuSschuffe wr- liegenden Gegenstände bis zur Vorlage eine« die ganze Materie v», fassenden und regulrrenden Entwurfs verschoben werde. Wie», 19. März. Der „N. fr. Pr." zufolge hat Oestnyich der preußischen Regierung den österreichisch-deutschen Münzvertn- gekündigt. — Die Gerüchte, daß die Regierung dem Coacordak Leibe gehen, ja an die Kirchengüter Hand anlegen wolle, haben btz jetzt keinen Halt, aber es ist richtig, daß Beust und Andrassy dm Concordat abhold sind, und daß sogar schon ein belgische» H«s ein Finanzproject für den Verkauf der Kürchengüter eingereicht hat. Der Klerus verhehlt sich auch nicht, daß die Regierung nur darauf wartet, daß der ungarische Landtag und demnächst auch der Reichs tag den Anstoß zur Aufhebung de« Concordat« giebt. — Die statistische Centralcommission hat jetzt officielle Da» sowohl über den Stand der Combattanteu, al« über die Bericht im vorjährigen Feldzug veröffentlicht. E« haben demnach (in der Nord- und Südarmee) zusammen 407,223 Manu (10,932 Offi ziere und 396,291 Unteroffiziere und Mannschaften) wirklich M Felde gestanden, während der VerpflegSstand der gesammten Untte sich mit 19,538 Offizieren und 627,098 Unteroffizieren und Mam» schäften beziffert. Die Verluste berechnen sich bei der Landarme auf 2575 Offiziere (587 todt, 1505 verwundet, 483 vermißt) usd 81,478 Mann (10,407 todt, 27,805 verwundet, 43,264 vermißt). An Offizieren und Mannschaft haben die Infanterie 8425, die R- gercorp« 1758, die Grenzer 72, die schwere Lavallerie 158, die leichte Cavallerie 270, die Artillerie 309, die technischen, SauMS- und anderen Corps 2 Tobte gehabt. In der Marine find 3 Offi ziere und 36 Mann gefallen, 13 Offiziere und 36 Mann verwuM. Mg. Z.) St. Petersburg, 18. März. Der hiesigen „Börsen-Zeitung" zufolge ist der Verkauf der Moskau-St. Petersburger Eisenbahn regierungsseitig vorläufig aufgegeben. — Wie die amtliche „Senat«- Zeitung" bekannt macht, leistet die Regierung der auf Gegenseitigkeit gegründeten Boden-Creditbank Garantie für die Zinszahlung und Amortisation ihrer Pfandbriefe. Den jetzigen Grundbesitzern, die polnische Güter in den Westprovinzen gekauft haben, werden doppelte Darlehen gewährt, für welche die Krone mit Krongütern Garantie leistet. Parlamentsvcrhandlungen. Berlin, 19. März. (15. Sitzung.) Die Sitzung wird M 10'/. Uhr eröffnet. Die Tribünen sind überfüllt ; am Tisch der BundeScommissare Graf Bismarck, v. Roon, v. d. Heydt, Jtzea- plitz. Das HauS tritt in die Borberathung de« Abschnitt« U. da Bundesverfassung: „Bundesgesetzgebung". Derselbe umfaßt die Ar tikel 2 bis 5 der Vorlage der verbündeten Regierungen, zu welch» zahlreiche Amendements eingegangen sind. Ein Amendement de« Abg. Zachariä läutet wie folgt: Der Reichstag de« nordeutschen Bundes wolle beschließen: 1) dem Abschnitt II. anstatt der Ueberschrift „BundeSgesetzgebuvt" die Ueberschrift „BundeSgewalt" zu geben; 2) den Art. 2, unter Vorbehalt seine« Inhalts für Art. 5, hi« j» streichen und dafür als Art. 2 zu setzen: „Die BundeSgewalt wird durch die ihr in dieser Verfassung zugewiesenen Competetq» bestimmt und begrenzt. Die im Bunde begriffenen Staate» be halten ihre Selbstständigkeit, soweit sie nicht durch diese Ver fassung beschränkt ist; sie haben alle staatlichen Hoheit« und Rechte, soweit sie nicht der BundeSgewalt ausdrücklich über tragen find." 3) den Art. 5 de« Entwürfe«, unter Hinzunahme de« Inhalts M Art. 2, dahin zu fassen: „Die BundeSgewalt wird d«ch die verfassungsmäßigen Organe derselben auSgeübt; die Bundes sttzgebung, insbesondere nach Maßgabe de« Inhalt« dies« Ver fassung, durch die übereinstimmende Beschlußfassung de« Baade*