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und zu Glücksburg, das Vorrecht zu verleihen, daß sie gleich den Mitgliedern des vormaligen hannoverschen Königshauses, des vormaligen kurhessischcn und des vormaligen herzoglich nassauischen Fürstenhauses, nicht als Zeugen an Gerichtsstelle unter Leistung des Eides, sondern nur in ihrer Wohnung vernommen werden dürfen und statt der mündlichen Eidesleistung die Eidesformel unterschreiben. Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein, der Bruder unsrer Kaiserin, sowie seine Schwester, die Prinzessin Feodora, hatten gelegentlich dieses Sonderrecht in Anspruch genommen, das ihnen nun nach der dem Reichstage zugegangenen Vor lage reichsgesetzlich gewährleistet werden soll. Dem Bundesrat ist nach einer Mitteilung des „B. T." die Novelle zum Reichsstempelgesetz zugegangen. Ter Feldzug gegen die Herero wird von einigen Leuten als bereits im großen und ganzen beendet angesehen. Dem widersprechen aber die Tatsachen. Im Norden hat der geplante Hauplschlag gegen die Aufständischen noch nicht stattgefunden, und im Innern finden fortgesetzt Gefechte statt. So jetzt eben wieder in der Gegend von Klein-Barmen am i Swakopfluß, nordwestlich von Windhuk und südwestlich von ' Okahandja. Auch in diesem Falle wurden die Schwarzen § geschlagen, immerhin ist der Erfolg mit fünf Toten und einem Verwundeten auf deutscher Seile recht teuer erkauft^ worden. Ter erste deutsche Heimarbeiterschutz-Kongreß fand soeben in Berlin statt. Er beschäftigte sich mit der sozialen! Lage und der Notwendigkeit des gesetzlichen Schutzes der Heimarbeiter und -Arbeiterinnen. Man trat für die unver-! zügliche Schaffung eines Heimarbeiterschutzgesetzes ein, ver-! langte, daß die deutsche Regierung eine internationale Ver-' einbarung anrege und nahm einen Beschlußantrag an, der; u. a. strenge Vorschriften über die Einrichtung und Be-! fchaffenheit der Arbeitsstätten in der Hausindustrie fordert. Belgien. Ter Brüsseler Prozeß um dem Nachlaß der Königin Henriette nahm am Montag seinen Fortgang. Ter Ver- treter des Königs der Belgier bezeichnete es als unzutreffend, daß die Schenkungen des Königs an den Staat die Ent-! erbung der Töchter bedeuteten. Ter Kontrakt des Königs! mit dem Kaiser von Oesterreich bei Eingehung seiner Ehe sei ein politischer, den König in Belgien als einfacyen Bürger zu behandeln, gehe nicht an. Nächste Sitzung am Mittwoch.! Spanien. Die Lage in Spanien ist wieder eine recht trübe. Lie Regierung hat sich mit ihren Militärforderungen ge hörig in die Nesseln gesetzt und begegnet in den Kammern einem Widerstande, den sie nicht überwinden kann. Wie aus Madrid berichtet wird, will sie nun zu einem zweifel haften Auskunftsmittel greifen und die Kammern schließen. Damit wird aber die Lage nicht gebessert, denn der Wider stand wird sich dann gewiß in anderer Weise äußern und zu neuen Volkskundgebungen führen. Möglicherweise tritt das Ministerium zurück, festen Fuß wird aber auch das neue nicht fassen können, denn die Partciwirtschaft ist in dem „schönen" Spanien zu groß. Und dem jungen König fehlt die Erfahrung und die feste Hand, um Besserung schaffen zu können. Türkei. Tie mazedonische Reformfrage ist noch immer eine offene Frage. Tie türkische Regierung hat zwar Reformen zugesagt, aber es fehlt nach wie vor an der Ausführung. Die Botschafter in Konstantinopel lassen indes nicht locker, sie haben zum so und so vielten Male erklärt, daß ihre Regierungen auf der Annahme der Vorschläge bestehen. Schließlich wird der Pforte nichts anderes übrig bleiben, als endlich einmal Ernst zu machen. Privatmeldungen von einem Albanesenaufruhr in Mitrowitza und Ipek, wo angeb lich die türkischen Truppen mit großen Verlusten zurück geschlagen wurden, werden von Konstantinopel aus als minde stens übertrieben bezeichnet. Tie Richtigkeit der Versiche rung ist natürlich nicht nachzuprüfen. Amerika. Eine große Flotte ist das Ziel der heißesten Wünsche der Vereinigten Staaten von Nordamerika, die ernste wirt schaftliche und politische Kämpfe erwarten, aus denen sie siegreich nur hervorzugehen glauben, wenn sie zur See kriegs- tüchtig sind. Was Präsident Roosevelt wiederholt angedeutet hat, wenn er die Schaffung einer starken Kriegsflotte als die wichtigste und dringendste Aufgabe der nordamerikanischen Union bezeichnete, das hat der Senator Depew in der jüng sten Senatssitzung zu Washington kurz und bündig ausge sprochen. Er sagte, Niemand könne daran zweifeln, daß Chamberlain mit seiner Tarifpolilik Erfolg haben werde. Dem Chamberlainschen Beispiele würden die andern europäi schen Staaten folgen und ebenfalls Zollmaßregeln ergreifen, um sich gegen die Vereinigten Staaten zu schützen. Tann würde der Augenblick gekommen sein, in dem Amerika einer starken Flotte bedürfe. Und selbstbewußt, wie es eben nur ein Aankee sein kann, fuhr der Senator fort: Welche der beiden kriegführenden Mächte in Ostasien auch den Sieg davontragen möge, die Vereinigten Staaten müßten um ihren Rat gefragt werden. Sie würden darauf bestehen, ihre In teressen berücksichtigt zu sehen, bevor China aufgetcilt werden könnte. Dazu sei aber eine starke Flotte notwendig. Nun, mit der Aufteilung Chinas hat's wohl solche Eile nicht, und ums andre ist Senator Depew den Beweis dafür schuldig geblieben, inwiefern Amerika einen besonderen Anspruch auf den ostasiatischen Markt besitze, einen größeren als die europäischen Staaten. Aus dem Muldentale. *Walde»burg, 8. März. Beim hiesigen Stadtrat ist eingegangen Reichs-Gesetzblatt Nr. 11, enthaltend: Bekannt machung, betreffend die dem Internationalen Uebereinkommen über den Eisenbahnfrachlverkehr beigefügte Liste. Bekannt machung, betreffend die Gestattung des Feilbietens von Bier im Umherziehen. Bekanntmachung, brtreffend Vorschriften über Auswandererschiffe. *—- Am Sonntage fand in Gößnitz die Frühjahrssitzung des Westsächsischen Sängerbundes „Canon" statt. Dieselbe begann 4 Uhr und ward ^7 geschlossen. In der Er öffnungsansprache und in der schnellen Abwicklung der Tages- ordnung bewährte sich der neue Vorsitzende des „Canon" Herr Köhler-Werdau als ein zielbewußter, energischer Führer, der dem Männergesang ein fühlendes, warmes Herz entgegenbringt und zu guten Hoffnungen für den Bund be rechtigt. Herr BundcSliedermeister Cantor Uhlig wußte die Wertschätzung des treu verdienten früheren Bundesleiters irs rechte Licht zu stellen, wie er auch dem Wunsche Aus druck gab, daß der neu angeschlagene Curs dem deutschen Liede, dem Bunde und den Mitgliedern zum Segen ge- reichen möchte. Lie Liedertafel Altenburg trat als neues Mitglied dem Bunde bei, der diesmal mit 16 Vereinen durch 36 stimmberechtigte Mitglieder vertreten war. Vom deutschen Sängerbundesfeste Graz lag die Abrechnung vor, aus der hervorging, daß einer Ausgabe von 425,000 Kronen eine gleich hohe Einnahme gegenüberstand. Das nächste Deutsche Bundesfest findet in Breslau 1907 statt. Für die Proben und Massengesänge gab der Liedermeister seine be sonderen Wünsche kund. Die nächste Feststadt des „Canon" ist Gößnitz, das Sängerfest wird am 17. Juli abgehalten. Die Herbstsitzung hat Meuselwitz gewünscht. Eine längere Debatte erfolgte über die Stellungnahme zu den Maßnahmen der Genossenschaft deutscher Tonsetzcr. In klarer sachlicher Weise entledigte Herr Actuar Schmidt sich der Angelegenheit vom gesetzlichen Standpunkte. Im Kapitel „Umfrage" kamen verschiedene interne Wünsche zum Ausdruck und die Sitzung mit ihrem vielseitigen Inhalt wurde mit großem Tanke und Sangesgruß geschlossen. *— Die Ziehung der 4. Geldlotterie zum Besten des Völkerschlachtdenkmals findet bestimmt vom 14.-18. März or. im ehemaligen Polizeigebäude in Leipzig, Reichsstraße 3, 1. Etage unter behördlicher Aufsicht statt. Die Einmischung der Lose und Gewinne ist, wie die Ziehung selbst, öffentlich und geschieht bereits am 12. März von Vormittags 9 Uhr ab. Lose sind zum Preise von 3 Mark beim Deutschen Patriotenbunde in Leipzig und an den Verkaufsstellen zu haben. * — Im Gasthofe zu Jerisau findet am 22. April Vor mittags 9 Uhr für das Zuchtgcbiet Jerisau die diesjährige Stutenmusterung und Fohlenschau mit Prämiierung der 1- und 2jährigen Fohlen statt. Die Anmeldung der Fohlen muß mittels eines bei jeder Beschätstalion erhältlichen Formulars bis 1. April d. I. bei dem kgl. Landstallamle zu Moritzburg erfolgen. Eine Anmeldung der Stuten hat nicht zu geschehen. * — Die 135. Ziehungsliste der kgl. Landrentenbank, März 1904, ist erschienen und in unserer Expedition ein- zusehen. * — Tie Osterferien beginnen bei den höheren Lehran stalten am 26. d. M., bei den Volksschulen am 30. d. M- und enden am 10. bez. 11. kommenden Monats. * -— Eine ringförmige Sonnenfinsternis findet am 17. März statt. Sie kann nur auf dem indischen Ozean, den angrenzenden Teilen von Asien und Afrika, sowie auf der westlichen Hälfte des Großen Ozeans beobachtet werden. — Von einem recht betrübenden Unfall, der leider ein Menschenleben forderte, wurde, wie das „Gl. T." meldet- vergangenen Sonnabend gegen Abend die Familie I. m Glaucha« betroffen. Frau I. hatte ihrem 21/g Jahre alten Söhnchen ein kleines Stückchen rohes Rindfleisch, wie eine Haselnuß groß, gegeben. Das Fleischstückchen war dem Kinde aber in die Luftröhre gekommen, denn es stellten sich Erstickungsanfälle ein. Die bedauernswerte Mutter und auch eine dazukommende Diakonissin versuchten vergeblich das Un glück abzuwenden. Zwei mittlerweise von dem geängstigten Vater herbcigeholte und kurz hintereinander eintreffende Aerzte konnten nur den bereits durch Erstickung eingetretenen Tod de« armen Kindes konstatieren. Aus dem Sachsenlande. — Die 1. Kammer genehmigte am Montag im Anschluß an einen ausführlichen Bericht des Geh. Rats Prof. vr. Wach ohne Debatte die Teputationsanträge zu dem Gesetz entwürfe, betreffend die Beteiligung an den außersächsischen Lotterien. Diese Anträge sehen gegenüber der von der 2. Kammer gutgeheißenen Fassung sehr erhebliche Abweichungen vor. Herr Or. jur. Kühlmorgen, einer der juristischen Bei räte der 2. Kammer, hörte sich's von der Tribüne mit an, wie sein berühmterer Kollege in scharfsinniger Weise das richligstellte und ergänzte, was bisher übersehen worden ist. Unterhalrungsteil. Treue Seelen. Roman von Maria Theresia May, preisgekrönte Verfasserin von „Unter der Königstanne" und „Wie es endete". 59- (Fortsetzung.) Ob sie damit auch Glück, Ruhe und Frieden an ihr Le ben gefesselt hatte, das fragte sich die eitle Frau nicht, ihrem spröden Sinn genügte der Besitz äußerer Güter. Wally trug schwer an dem ganzen Vorkommnis, für sie schien durch die Heirat Rosas nichts gesühnt; im Gegenteil, als wäre ihr selbst ein Brandmal ausgeprägt worden, scheute sie sich, dem Blicke der Menschen zu begegnen. Mit Aengst- lichkeit wich sie besonders Fräulein Lang und Mila aus und fürchtete sich, wenn sie ausging, vor einer Begegnung mit ihnen. So waren fast zwei Wochen vergangen, ohne daß die Freundinnen einander gesehen hätten, während sie sonst fast allabendlich stundenlang miteinander gearbeitet oder geplau dert hatten. Ta trafen sie eines Tages auf der Straße zu sammen. Ohne ein Wort zu sagen, faßte Mila die Hand der Freundin und zog Wally mit sich bis in ihre Woh nung. „Warum kommst Tu nickt mehr zu mir?" fragte sie hastig halblaut, obgleich sie allein waren. — Tante Betty war ausgegangen. „Wie kannst Du fragen, Mila," entgegnete Wally mit schmerzlichem Lächeln. „Mir ist als dürfe ich die Schwelle nicht mehr betreten, wo sich so Unerhörtes abgespielt hat. Ich glaube, ich werde Tante Bettys Blick nicht ertragen können, der meine Schwester in Richard ein solches Leid angetan hat und gar der Gedanke, ihm zu begegnen, ist mir so entsetzlich, daß ich die Mama bestimmen möchte, wie- der von hier fortzuziehe«." Mila nötigte Wally, sich zu ihr auf das altmodische Sofa zu setzen, und während sie liebevoll die Hand der Freundin in der ihren hielt, sagte sie leise: „Nicht Ihr, Wally wir werden wahrscheinlich die Wohnung wechseln müssen. Or- Thielemann ist seit jenem Unglücks-Abend nicht wieder bei uns gewesen." „Natürlich," entgegnete Wally herb; ..es ist vollkommen zu begreifen, daß er nicht einmal die Räume Wiedersehen mag, in denen er eine so entsetzliche Szene erlebt hat." Mila schüttelte den Kopf. „Nein, sieh, das finde ich nun gar nicht begreiflich. Wer schuldig ist, der mag sich scheuen, die Stätte seines Vergehens und die Menschen zu sehen, die Von seiner Schuld wissen. Aber Or. Thielemann hat sich doch eigentlich kein Unrecht vorzuwerfen. So zeigt er sich auch hier wieder ohne starke Tatkraft, ohne die Herrschaft über sich und die Verhältnisse, und das kann ich weder ver zeihen noch verstehen bei einem Manne." Wally war zu sehr mit dem, was sie selbst fühlte und dachte, beschäftigt, um die schmerzliche Unzufriedenheit heraus zuhören, die aus den Worten der Freundin klang. „Gellner sagt," bemerkte sie ein wenig zögernd, „daß der Doktor furchtbar leide. Auch sein Selbstgefühl ist tief ver wundet und dieser letztere Zustand hielt ihn mehr von hier fern, als der Schmerz über die Täuschung. Er muß ja empfunden haben, daß weder Du noch Tante Betty seine Wahl billigten — ich tat es ja ebenfalls nicht und fürchtete auch, daß nur Unheil aus dieser Verbindung kommen konnte. Daß es aber so geschehen sollte, hätte ich doch nicht ge ahnt." Mila zog die Freundin sanft an sich, und da brach das ernste geistesstarke Mädchen in heißes Weinen aus. Es waren die ersten Tränen, die Wally seit der Stunde vergoß, da sie die Schmach ihrer Schwester erfahren hatte, und es waren wohltätige Tropfen, die über die blassen Wangen rollten. Sie lösten die furchtbare Spannung ihrer Seele, und wie sie weinte, den Kopf auf Milas Schulter gelegt, die nur ab und zu, ohne zu reden, mit linder Hand über das Haar der Freundin strich, da fühlte Wally, wie ihr allmählich die Ruhe wiederkehrte und der Mut, sich in die unabänderliche Sachlage zu schicken. „Du treue Seele," sagte sie leise, als sie das Haupt erhob, „Du hast noch nie mals anders gesprochen, als Du es gemeint hast, und wenn Du einem die Hand gibst und einen anschaust, so fühlt man, daß Du kein Unrecht kennst." In ernstem Gespräch blieben die Freundinnen wohl noch eine Stunde beisammen. Wally wußte, wie rückhaltlos sie dem schönen stolzen Mädchen vertrauen konnte, das neben ihr saß, und es tat ihr wohl, nach der Beschränkung und Selbstbeherrschung, die sie sich fast ihr ganzes Leben lang hatte auferlegen müssen, einmal alle ihre Sorge, alle erfah rene Bitterkeit auszusprechen: wie Rosa von jeher der Lieb ling der Eltern gewesen, verhätschelt und verzogen worden sei, wie sie schon als Kind lügenhaft und egoistisch gewesen sei, wie aber der Vater, bestochen von ihrem Liebreiz, nie an ihre Schuld geglaubt habe, im Gegenteil, bei jeder Klage der älteren iSchwester diese des häßlichsten Neides beschuldigt habe, und wie dann nach dem Tode des Vaters sich die schwache Mutter völlig von der schönen jüngeren Tochter habe beherrschen lassen. Mila sah ein, daß es der Freundin Wohltat, sich auszu- sprecken, und hörte darum geduldig zu, obgleich es ihr ein peinliches Gefühl erregte, von Rosa reden zu hören. End lich sagte sie aber doch: „Liebste Wally, ich bitte Dich, sprich nicht mehr von ihr. Sie ist leider nicht zu retten. Du begehst ein Unrecht, wenn Du Dir das Gemüt noch durch Grübeleien beschwerst. Kein Mensch macht Dich für die Handlungen Deiner Schwester verantwortlich. Ich be greife wohl Deinen Schmerz, aber gerade Du, die Ruhige, Starke, mußt wissen, daß alle wahre Weisheit darin besteht, sich in Unabänderliches zu fügen, und ein unverschuldetes Geschick ist nicht schwer zu tragen." „Das kannst Tu leicht sagen," wandte Wally ein, „Dir macht niemand Schmerzen, der Dir nahe steht, Du hast niemand, der durch Bande der Verwandtschaft zu Dir gehört." „Nein, niemand", sagte Mila und schaute ernst vor sich nieder, „ich stehe ganz allein in der Welt, aber glaube mir, auch das trägt sich nicht immer leicht, besonders wenn man sich sagt, daß es voraussichtlich das ganze Leben hindurch so bleiben wird." (Fortsetzung folgt.)