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chöntmMr Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Hs. Alle Postanstalten, die Expedition und die Tolporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 3. August 1881. 176. *Waldenburg, 2. August 1881. Politische Rimdschau. Deutsches Reich. Der von der „N. A. Z." mitgetheilte Drohbrief an Bismarck ist mit einem anderen dergl. von späterem Datum dem preuß. Justizminister vorgelegt worden, damit die Staatsanwaltschaft Erhebungen über den anonymen Absender anstelle und gerichtliches Verfabren eingeleitet werde. In dem zweiten, aus Frankfurt a. M. datirten Drohbriefe ist dem Reichs kanzler Fürst Bismarck angekündigt, daß 13 (böse Zahl!) Männer zusammengetreten wären, welche sich das Wort gegeben hätten, den Fürsten Bismarck umzubringen und entschlossen wären, Einer nach dem Andern ein Attentat zu begehen, wenn die ersten Versuche mißlingen sollten. König Kalakaua von Hawaii hat am 1. d. abends beim Prinzen Wilhelm in Potsdam dinirt. Am 2. d. abends fährt er nach Esten, um die Krupp'schen Werke zu besuchen, worauf er am Mitt woch zurückkehrt und in der Nacht zum Donnerstag seine Reise nach Wien antritt. Für die Zeil vom 1. April 1881 bis zum Schlüsse des Monats Juni 1881 sind im Reich an Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern sowie anderen Einnahmen einschließlich der credi- tirten Beträge (verglichen mit der Einnahme in demselben Zeitraum des Vorjahres) zur Anschrei bung gelangt: Zölle 45,352,747 M. (-^- 7,181,972 M), Rübenzuckersteuer 14,718,353 M. (— 4,823,878M.), Salzsteuer 7,354,731 M.(-s-219,306 M-), Tabaksteuer 171,737 M., (- 144,022 M.), Branntweinsteuer 7,607,195 M. (— 16,685 M.), Uebergangsabgaben von Branntwein 28,428 M. (— 5372 M.), Brausteuer 4,161,280 M.) (-j- 16,253 M.), Uebergangsabgaben von Bier 279,962 M. (-s- 41,378 M.), Summe 50,237,727 M. (-s- 2,468,952 M.), Spielkartenstempel 157,272 (— 13,567 M.), Wechselstempelsteuer 1,604,334 M-)- (Z- 18,172 M.), Post- und Telegraphenver waltung 34,397,289 M. (-j- 1,818 773 M) Neichseisenbahnverwallung 9,935,300 M. s-l 181,329 M.). Die zur Reichskasse gelangte Ist- Einnahme abzüglich der Bonifikation rind Verwal- tungskosten beträgt bei den nachbezeichneten Ein nahmen bis Ende Juni 1881: Zölle 39,607,450 M-(-s- 9,218,361 M.), Rübenzuckersteuer41,228,496 M. (-tt 2,052,029 M.), Salzsteuer 8,281,659 M. (— 10,865 M.), Tabaksteuer 129,400 M. ( — 136,926 M.), Branntweinsteuer und Uebergangs- abgabe von Branntwein 10,170,995 M. (-f- 215,587 M.), Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 3,774,338 M .(-s- 47,539 M.), Summe 103,192,338 M. (-s- 11,385,725 M.), Spielkarten stempel 270,169 M. (-s- 12,832 M-). Herr Bamberger hat seinen früheren Wählern in Rheinhessen unlängst in einem unüberlegten Augenblick ein Geständniß gemacht, das von den konservativen sofort angemerkt worden ist. Er hat nämlich mit lauter Stimme seinen Wählern zuge- rufen: „Das bischen Zoll auf Getreide fällt nicht in die Waagschale!" Dieser Herr hat allerdings bisher immer die Getreidezölle als das größte Unglück für Deutschland bezeichnet. Er hat die armen Leute gegen die Regierung aufgestachelt, weil diese ihnen die Lebensmittel, das tägliche Brod, vertheuert habe. Ueberall verkündigten er und seine Freunde, daß die Regierung das arme Volk mit diesen Zöllen schwer belaste und deshalb energisch bekämpft werden müsse. Und nun sagt dieser Apostel des Freihandels: Kinder, das ist ja nicht so ge meint, das bischen Zoll auf Getreide fällt ja gar nicht in die Waagschale! Das will mit dem bis herigen Standpunkte des liberalen Führers nicht recht übereinstimmen. Die Conservativen rufen des halb aus: Aber warum macht Ihr denn Opposi tion und warum erklärt Ihr den Getreidezöllen den Krieg? Interessant ist eine Zusammenstellung des Lebens mittelpreise, wie solche am 1. Januar d. I. in den verschiedensten deutschen Städten bestanden. Da die beiden Städte Hamburg und Bremen außerhalb des Zollvereins belegen sind, können die dortigen Preise durch die Zölle überhaupt nicht be einflußt sein. Es kostete am 1. Januar 1881 in Roggenmehl Ochsenfl. Schweinefl. Hammelfl. pro pro pro pro Lx. Bremen 30 Pf., 150 Pf., 150 Pf., 140 Pf., Hamburg 26 - 160 - 120 - 130 - Darmstadt 18 - 140 - 112 - 120 - Dresden 22 - 140 - 140 - 130 - Gera 18 - 120 - 140 - 120 - Hof i/B. 28 - 120 - 120 - 80 - Stettin 25 - 110 - 120 - 100 - Thorn 15 - 90 - 120 - 90 - Man sieht hieraus, daß die Lebensmittelpreise m den verschiedensten Gegenden Deutschlands meist billiger waren, als in Hamburg und Bremen, ob wohl diese Städte doch nicht „unter den Zöllen auf die unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse zu seufzen" haben. Diese Phrase ist nichts als ein Schlagwort, erfunden von gewissenloser Agitation. Die fortgesetzten Mißernten haben nicht wenig dazu beigelragen, die Gesundung unserer wirthschaft- lichen Verhältnisse aufzuhalten. In diesem Jahre aber haben wir eine vorzügliche Obst- und Wein ernte, eine gute Heuernte und eine Getreideernte zu erwarten, welche mindestens über das Mittelmaß hinausragt. Wenn nun auch keine vorzügliche Ge treideernte statlfinden wird, so kann sie doch den größten Theil des Bedarfes decken; in keinem Theile Deutschlands kann man von einer Mißernte reden. Dieser Ausfall ist gerade im Moment der Gesun dung unserer und aller wlrthschaftlichen Verhältnisse von hoher Bedeutung. Auf der Kaufkraft des Landmanns beruht bei uns zum großen Theile die Entwicklungsfähigkeit der Industrie und des Handels. Da nun anzunehmen ist, daß in diesem Jahre der Landmann seinen Bedarf bedeutend steigern wird, so haben wir auch zu erwarten, daß sich die Nach frage nach Jndustrie-Producten bei uns wesentlich heben wird. Deutschland ein Missionsgebiet — unter dieser Ueberschrift macht das in der Provinz Ostpreußen erscheinende Gemeindeblatt auf eine Gefahr aufmerk sam, von welcher die evangelische Kirche in Deutsch land augenblicklich bedroht ist. Es handelt sich näm lich um eine planmäßig unternommene Invasion des Methodismus. Der englisch-amerikanische Methodismus hält sich für verpflichtet, das evange lische Deutschland zum Gebiete für eine missionirende Thätigkeit zu machen. Auf einer Methodistenconfe- renz wurde folgende Aeußerung gethan: „Das Herz lacht uns im Leibe über die herrlichen Berichte aus Preußen, wo Gott uns Länder, Herzen, Städte, Dörfer öffnet und das Heil nicht von der todten Staatskirche kommen kann. Die Frucht zeigt, daß wir offenbar einen göttlichen Auftrag haben, in Europa und somit auch im Preußenlande zu mis- sioniren." Die Methodisten Amerikas haben in ihren Missionskassen eine besondere Abtheilung für Deutsch land und ein methodistischer Convent hatte kürzlich für die gesammte Heidenmission 937 Mk. Jahres einnahme, für Deutschland dagegen 45,000 Mk., „weil Deutschland eine allgemeine gewaltige Kraft anstrengung bedarf." Der „Correspondent von und für Deutschland' knüpft an den Ausfall der bayerischen Wahlen foigende Bemerkungen: „Eins tritt plastisch aus der ganzen Wahlbewegung und dem Wahlausgang her vor: der Einfluß des Reiches und der Reichspolilik. Beide haben unsere bayerischen Wahlen in einer Weise beherrscht, die Niemand vorausgesetzt hätte. Namentlich verdient es große Beachtung, mit welcher Entschiedenheit und, man darf fast sagen, Einmüthig- keit die Landbevölkerung der wirthschaftlichen Politik des Reichskanzlers anhängt. Ueber- haupt, was die Stimmungen im Volke betrifft, haben die bayerischen Wahlen manche Fingerzeige und manche Aufklärungen gegeben." Am 31. Juli fand die Verlobung des Erbprinzen von Schaumburg-Lippe mit der Prinzessin Maria Anna von Altenburg statt. Oesterreich. Die „Neue Freie Presse" ist wegen eines Leit artikels, der die Gefahren, welche das Bündniß mit Deutschland bedrohen, zum Gegenstände hat, in Wien confiscirt worden. In diesem Artikel heißt es: „Die Trägerder deutschfeindlichen Politik gewinnen Einfluß auf die Leitung der auswärtigen Politik und werden das Bündniß mit Deutschland über Bord werfen. Oesterreich kann die Wünsche der Slaven nur befriedigen, wenn es das Bündniß mit Deutschland preisgiebt." Der König von Dänemark ist am 31. Juli früh, incognito reisend, unter dem Namen eines Grafen Falster in Wien angekommen und nachmit tags 3'/s Uhr nach Gmunden weilergereist. Frankreich. Man versichert, das Hauptmotiv für die Be schleunigung der Neuwahlen sei ein Bericht Generals Saussier's gewesen, welcher für September eine Vergrößerung des Aufstandes vorhersage und zur Bekämpfung desselben zwei mobilisirte Armee- Corps verlange. Belgien. In Brüssel ereignete sich kürzlich eine Skandal affaire, in welcher der Polizeipräsident Lenairs die traurige Hauptrolle spielt. Der Prediger Anet hatte einen Herrn Dyon, Buchhändler in London, veran laßt, Schritte zu lhun, um eine junge Engländerin, Namens Adeline Tanner, aus den schmachvollen Fesseln, in denen sie wider Willen in einem öffent lichen Hause zu Brüssel festgehalten wurde, zu erlösen, nachdem der Chef der Sittenpolizei nicht nur seine Mithilfe versagt, sondern jener Schändlichkeit, Mäd chen wider ihren Willen wegen angeblicher Verpflich tungen bei diesem ehrlosen Gewerbe sestzuhalten, Vorschub geleistet hatte. Die Wahrheit dieser Aus sagen war Herr Anet in der Lage, nach allen Seiten hin erweisen zu können. Die Folge davon war zunächst, daß das Strafverfahren gegen mehrere Personen eingeleitet wurde, deren Einnahmen sich aus dem Menschenhandel ergeben. Die gerechte Entrüstung, welche diese Angelegenheit in Brüssel hervorgerufen hat, ist die Veranlassung geworden, daß sich dort ein Verein gebildet hat, welcher die Absicht verfolgt, energisch gegen die aufgedeckten Mißstände einzuschreiten. England. Die „Central News" melden, bei Glasgow wurde in dem Etablissement derGroused-Stahlfabriks- Gesellschafl Dynamit unter einem Schmelzofen gefunden, genug, um die ausgedehnten Gebäude der Gesellschaft in die Luft zu sprengen. In Irland hat wieder ein agrarisches Ver brechen stattgefunden. Einer Meldung aus Dublin zufolge wurde der Grundbesitzer Swanton unweit Ballydehots durch einen Pistolenschuß tödtlich ver wundet.