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seine Vermittelung zwischen Pariser Geschäftshäusern und jungen, Stellungen suchenden deutschen Kauf leuten anbietet, in hetzender Weise die Regierung auf diese „deutsche Propaganda" und auf dies „organifirte Spionenwesen durch geheime Comitees" aufmerksam macht, sowie gegen die „illoyale Con- currenz" protestirt, die damit französischen jungen Kaufleuten gemacht werde. England. Mr. Göschen, der vormalige Botschafter in Kon stantinopel, widerlegte in einer Rede an seine Wähler die Idee, daß England den Einfluß in Konstanti nopel verloren hätte und erklärte, daß keine Macht derzeit so viel reellen Einfluß dort besitze, als eben England. Bulgarien. In Plewna ist der frühere Minister des Aeuße- ren Zankoff und Slavikoff verhaftet worden. Meldungen aus Sofia bestätigen, daß Fürst Alexander 1^/4 Millionen Francs über Vie Grenze in Sicherheit zu bringen gewußt hat. Afrika. Demnächst wird ein Decret des Khedive von Egypten erscheinen, durch welches die Sclaverei in Egypten abgeschafft wird. In dem Decret wird erklärt, daß die jetzigen Besitzer von Sclaven dieselben als Eigenthum weiter behalten, der Handel mit Sclaven und weitere Anschaffung derselben aber streng verboten wird. Amerika. Die Genesung des Präsidenten Garfield von den Wunden, welche ihm die meuchelmörderische Kugel beigebracht, ist nunmehr nur noch eine Frage der Zeit. Es war ja ganz natürlich, das angesichts einer so schändlichen, verruchten That nur der ein stimmige Ruf der Entrüstung und des Bedauerns das schwer getroffene Land, die ganze civilisirte Welt durchhallte. Allein in die Loblieder, welche man aus diesem Anlaß auf den Präsidenten an stimmte, können ruhig beobachtende Kenner der amerikanischen Verhältnisse nicht einstimmen. Gleich beim Antritte seiner Regierung zeigte Garfield, durch die Ernennung Stanley Matthew's, der langjährigen Rechtsanwaltes der gefährlichsten Eisenbahn-Mono polisten, wie wenig Ernst es ihm mit der Reform der Beutesystem sei. Garfield wurde einfach von Blaine, seinem Staatssekretär, einem verschmitzten Politiker geschoben — und geschoben wurde er auch, als er die Untersuchungen gegen die Postschwindler ins Werk setzte. Der Generalpostmeister James ist einer der wärmsten Anhänger Chonkling's und gleich diesem ein Mann von striktester Ehrlichkeit. Er machte es zur ersten Bedingung seiner Theilhaber- schaft an Garfield's Cabinet, daß die notorisch ge wordenen Beraubungen des Staatsschatzes durch die Postschwindler sorgfältig erörtert und die Schuldigen bestraft werden müßten. Ihm stand der General bundesanwalt Wayne Mc. Vegah in diesem Ver langen zur Seite und der Präsident, welcher im September v. I. den hervorragendsten der zur Rechenschaft zu ziehenden Postfuhrunternehmer auf gefordert hatte, seine Candidatur in Indiana zu unterstützen, mußte nun wohl oder übel gegen diesen und seine Freunde einschreiten. Allein die Spatzen auf den Dächern in Washington zwitschern es sich zu, daß diese Untersuchung nie einen der Betheilig ten auf die Anklagebank bringen werde. Diesen und anderen Thatsachen gegenüber erscheint die Behauptung, daß Garfield das amerikanische Beute- und politische Vergewaltigungssystem bekämpft habe, doch zu gewagt. Dies System ist zu eng mit der amerikanischen Parteipolitik verwachsen, als daß es vernichtet werden könnte, und am wenigsten wird es vernichtet werden durch einen Präsidenten, der erwiesener Maßen von Anbeginn seiner amtlichen Thätigkeit an, die „Drähte" so gelegt hat, daß er sie für einen zweiten Präsidentschafts-Termin nach Belieben „ziehen" kann. Aus dem Muldenthale. — In Glauchau erhing sich am 22. d. ein 16 Jahre alter Klemperlehrling. — Bei Niederschindmaas verunglückte am 22. d. der Maurergeselle Haine aus Glauchau beim Fischen in der Mulde, indem eine Flasche mit Kalk, den er zum Betäuben der Fische anwenden wollte, zer sprang und er nicht unbedeutende Brandwunden in den Augen davontrug. — Der ehemalige Director der Heilanstalt in Coiditz, Medicinalrath Or. Vodel, ist selbst in Irr sinn verfallen. Der Genannte war bekanntlich auch der Begründer der Jrren-Colonie Zschadraß. Aus dem Sachsenlande. — Ihre Majestät die Königin von Sachsen be sichtigte am Freitag die Stuttgarter Gewerbeaus stellung. Die hohe Frau war im Hotel als „Gräfin von Plauen" eingetragen worden. — Einer Zusage des Herrn Finanzministers von Könneritz an die letzte Ständeversammlung gemäß wird dem Landtag diesmal der Etat der Staats- oahnsn in wesentlicy veränderter Gestalt vorgelegt werden. Die Einnahmen und Ausgaben wurden bisher nur summarisch aufgeführt, jetzt werden sie genau specialisirt. Auch das Heer der Beamten und Angestellten bei den Siaatsbahnen marschirt künftig in geordneten Schaaren in jenen Tabellen auf. Kurz, der Landtag soll durch diese veränderte Auf stellung des Staatsbahnbudgets klareren Einblick in das Getriebe der wichtigsten Staatsindustrie erhalten, als die Actionäre mancher Fabrik durch den Rechen schaftsbericht. — In nächster Umgebung Dresdens hat nun auch der Roggenschnitt begonnen. Bereits am Sonn abend sah man die ersten Puppen stehen. — Ein auserlesenes literarisches Völkchen giebt sich diesmal in der vielbewunderten Sendig'schen Villa „Quisisana" zu Schandau ein Rendezvous. Eingetroffen sind bereits der Wiener Lustspieldichter Michael Klapp, der mit „Rosenkranz und Gülden stern" einen so glücklichen Treffer gezogen, sowie ferner der nordische Romancier Hermann Bang, und angemeldet haben sich der Mann der „Gegen wart", Paul Lindau, welcher jetzt noch bei seinem gräflichen Freunde Wilhelm Bismarck in Ungarn weilt, sowie der gefeierte Novellist Friedrich Spiel Fen illeton. Das Geheimnitz des Nihilisten. Novelle von Andr6 Kuzo. (Fortsetzung.) „Du hast mich rufen lasten, Mütterchen, und hast jenes Kleinod mitgesandt, welches ich Dir einst gab, um es zu gebrauchen, wenn Du in Noth oder Gefahr seiest. Ich habe mein Wort gelöst, was soll ich?" „Ich danke, Majestät," sagte oie Gräfin, ihre abgezehrte Hand dem Kaiser zitternd entgegen streckend. Der Kaiser reichte ihr die seine. Ein Wink der Kammerzofe und einer der Diener rollte einen schweren Lehnsessel nach der Stelle, wo der Kaiser stand. Dieser ließ sich nieder. „Gieb mir die Arznei, Stasche!" Die Angerufene versuchte durch Blicke und durch eine absichtliche Zögerung die Herrin von ihrem Vorsatze abzubringen, da der Arzt ausdrücklich erklärt hatte, daß ein wiederholtes Einnehmen der Flüssigkeit die erschöpften Kräfte der Gräfin wohl auf kurze Zeit neu beleben könnten, dann aber auch der Er löser von der irdischen Pein sofort seine Rechte for dern würde. Die Kranke las in den Mienen der Dienerin. „Ich will die Arznei," befahl sie in jenem Tone, der keinen Widerspruch duldet. Zögernd reichte die Dienerin das Verlangte. Gierig sog die Gräfin die Flüssigkeit aus der Flasche ein, bevor die Zofe noch Gelegenheit hatte von dem nächsten Tische zurückznkehren und das geholte Glas ihrer Herrin zu reichen. Der Trank rief eine wunderbare Wirkung auf die Kranke hervor: Die wässerigen, starren Augen erhielten neues Leben, die Bewegungen der Hände wurden anscheinend sicherer und die Gestalt schien aus dem Lager heraus höher zu wachsen. „Entfernt Euch aus dem Zimmer!" gebot sie dann. Langsam gingen die drei Personen aus dem Sierbezimmer der Gräfin. In der Thür drehte sich Stasche noch einmal herum und wartete einen Augen blick, gleichsam als wolle sie noch einen Befehl ihrer Herrin entgegennehmen. „Hinaus!" tönte es im Befehlston von dem Bett her, und sofort schloß sich nunmehr die Thür. Nachdem die Kranke noch einige Secunden nach Luft gerungen, begann sie zu dem Kaiser gewendet: „Eurer Majestät Dienerin hat, bevor sie den dunklen Weg zum Jenseits antritt, ein Geheimniß Jemanden auf Erden anzuvertrauen, wagt dasselbe aber einer unbetheiligten Person nicht zu sagen." „Nur ich soll es erfahren?" frug der Kaiser ver wundert. „Eure Majestät sagen es." „So betrifft es mich oder meine Familie?" „Nein!" „Dann wäre es aber doch bester, wenn Du dasselbe lieber mit zu Grabe trügst, als es mir zu über weisen. Könnte Dein Sohn —" Die wahrscheinlich in zu starker Dosis genommene Medizin begann, wie es schien, in diesem Augen blicke ihre Wirkung auf den Nervenzustand der Hagen, der bekanntlich einem Kinde seiner Muse den Namen „Quisisana" gegeben. K Hohenstein, 23. Juli. Gestern wurde Herr Friedensrichter Dienegott Kempe in Gersdorf im hiesigen König!. Amtsgerichte von Seiten des Herrn Amtshauptmann von Hausen für langjährige Dienste und Treue feierlich mit dem Ehrenkreuz dekorirt. — Sobald die Heiüelbeerenernte beginnt, gehen vom Bahnhof Adorf ab alltäglich viele große Körbe mit schwarzen Beeren nach Leipzig, von wo aus sie zum großen Theil nach Frankreich befördert wer den, um zum Färben des Weines zu dienen. Im vergangenen Jahre, in dem die Heidelbeeren nicht gut geralhen waren, beschränkte sich der Export auf ein geringes Quantum, aber vor zwei Jahren war derselbe außerordentlich stark. Obgleich nun Heuer in nächster Nähe dieser Stadt die Heidelbeeren nur spärlich zu sehen sind, geht doch das Versandt geschäft wieder sehr flott, denn die armen Beeren pflücker kommen von nah und fern, um hier ihre Waare abzusetzen. Daß die Beeren anderwärts massenhaft Vorkommen wüsten, geht daraus hervor, daß ganze Tragkörbe voll zum Verkaufe gebracht werden, und daß das Liter nur mit 8 Pfg. be zahlt wird. — In Fraureuth bei Werdau sollte am 16. d. M. das neue Sleigergerüst übergeben werden. Da zog plötzlich ein heftiges Gewitter mit Sturmwind über den Ort, welches das Gerüst umwarf. Das selbe fiel dem noch daran arbeiienden Zimmerge sellen Pfeiffer so unglücklich auf die Beine, daß diese oberhalb der Knöchel förmlich zermalmt sind, während es einem anderen Zimmergesellen gelang, glücklich zu entkommen. — In Schneeberg ist am 22. d. das alljährlich stattfindende Bergfest abgehalten worden. — In Wendisch-Cunnersdorf geriet!) am 19. d. ein Haus in Brand, welchen ein 4jähriges Kind mit Streichhölzchen veranlaßt hatte. Gleich darauf brannte die dem Gemeindevorstande gehörige Scheune nieder. — Am 20. Juli abends schlug der Blitz einem in Zeithain vom Felde heimkehrenden Knecht die Sense aus der Hand, ohne selbigen oder besten Col- lcgen zu beschädigen. — In einem Neubau zu Göritzhain hat ein niedliches Bachstelzenpärchen ein Nest mit vier Eiern. Dieses entdeckte ein Kukuk, legte die Bachstelzeneier aus dem Neste und ein eigenes hinein, welches jetzt von dem Pärchen ausgebrütet worden ist. Der junge Kukuk findet kaum noch Raum in dem Nest chen und streckt jedem sich Nähernden seinen weit geöffneten Schnabel entgegen. — Am 4. Juli zerließ der Schmiedemeister Noack aus Wurgwitz bei Potschappel seine Wohnung. Er hat ein Kapital von 1800 Mark erhoben, seiner Frau einen Theil dieser Summe übersandt, selbst ist er aber nicht wiedergekommen. Es wird, da er sich in letzter Zeit sehr für Amerika inleressirte, an genommen, daß er dahin ausgewandert ist. — In einem größeren Oberlausitzer Dorfe in der Nähe von Zittau hatte der Sturm das Dach der Kirche arg beschädigt, demzufolge wurde die Kirche renovirt. Der auf dem Kirchdache mit Decken Kranken zu äußern. Sie warf den Kopf unruhig von einer Seite des Kiffens zur andern und die Hände arbeiteten mit Ungestüm in der Luft. Der Kaiser, durch den Anblick erschreckt, wollte sich erheben, aber ein bannender Blick aus dem Auge der sich eben wieder Aufrichtenden zwang ihn an seinen Platz. Einige Minuten Zeit reichten hin, um die Wirkung des Anfalls zu paralysiren. Es schien dem beobachtenden Herrscher, als sammle die Kranke ihre Gedanken. „Wollen Eure Majestät der sterbenden Crzynowsky die letzte Bitte in ihrem Leben abschlagen?" tönte es hohl aus der Brust der Gräfin. „Nein!" „Dann bitte ich Eure Majestät, dies rothe Taschen buch in jenes Couvert zu thun und dasselbe zu ver siegeln. Es steht dort Alles bereit. Der Kaiser blickte nach dem bezeichneten Tisch, auf dem die nöthigen Utensilien bereit lagen. Er erhob sich. „Noch eine Bitte, Majestät." „Und die wäre?" „Das Siegel muß mit dem kaiserlichen Ring ge schlossen werden." Lächelnd fügte er sich dem ausgesprochenen Wunsche und kehrte dann mit dem in das starke Couvert ein geschlossenen Buche zurück zu dem Lager. Mit Hast griff die Kranke darnach und preßte das nunmehr verschlossene Buch an ihr Herz. Bei dieser Anstrengung schien die aufregende Wirkung der Medicin ihre Kraft zu verlieren. (Fortsetzung folgt.)