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WMM CnnMU Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr deS vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstaltsn, die Expedition und dis Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zn Waldenburg. 1881. Dienstag, den 26. Zuli 1«S. "Waldenburg, 25. Juli 1881. Zur algerischen Frage. Die Algerier müssen jedenfalls ganz gewichtige Ursache haben, sich gegen die französische Herrschaft aufzulehnen. Jetzt, da sich das allgemeine Interesse lebhafter auf Algerien richtet, wird über das, was an der dortigen Bevölkerung verbrochen worden ist, immer mehr Licht. In einem veröffentlichten Briefe eines dortigen Colonisten heißt es: „Die Soldaten, welche Avancement nöthig haben, wie wir die Ruhe, haben in der ganzen Welt die Annahme verbritet, daß der Araber dasBedürfniß habe, niedergemacht zu werden; und man macht ihn bei jeder Gelegenheit nieder. Wenn diese fehlt, schlägt man ihn wie einen Stein, man plündert ihn, man richtet ihn zu Grunde, man zwingt ihn, Hungers zu sterben! Ich habe Jahrelang mitten unter Arabern und Kabylen gelebt und ich versichere, daß es keine sanftere, unterwürfigere Bevölkerung giebt, keine, die sich unsere verabscheuungswttrdige Behand lung so ruhig würde gefallen lassen. Als Mensch und Colonist protestire ich, lehne mich auf gegen die Mittel die man anwendet, um den Europäer» dieses herrliche Lant, zu überliefern, wo für alle Platz vorhanden ist. Wenn irgend ein zu Grunde gerichteter, bankerotter, meist wenig ehrenwerther Europäer zu dem mit der Landvertheilung be auftragten Bureau kommt, so hält man ihm einen Hut hin, aus dem er ein Loos zieht, wel ches ein bestimmtes Besitzlhum bezeichnet. Dieses ist jetzt sein Eigenthum. Er reist ab und findet auf seinem neuen Besitz eine arabische Familie, die seit Menschengedenken dort gewohnt und das Land urbar gemacht hat, die nichts außer diesem Lande besitzt. Er treibt sie aus, denn so will es das französische Gesetz! Die Leute weichen, sie gehen, jeder Habe beraubt, in die Wüste und werden Räuber. Manch mal, wenn dem Europäer das algerische Klima nicht behagt, läßt er auch den früheren Besitzer als Pächter auf seinen bisherigen Eigenthum, kehrtem er nach Frankreich zurück, wohin ihm der Pächter schweren Zins schicken muß. Thut er es nicht, so kann er ihn täglich auf die Straße werfen." Die Civilregierung, so wird in diesem Briefe weiter ausgeführt, setzt die Fehler der Militärregie rung fort und bringt die Austreibung der Araber in ein förmliches System. Albert Grövy habe 50 Millionen zu Colonisationszwecken bewilligt erhalten, aber er verwende sie zum großen Schaden des Lan des. Man enteigne die Araber ihres Besitzes, aber man zahle ihnen nur den zehnten Theil des wirk lichen Werthes. Die Kabylen hätten ruhig auf ihrem Besitzlhum gelebt und als wohlhabende Leute nicht an Empörung gedacht. Jetzt, da man sie zu Bettlern mache, wundre man sich, das sie in Scha ren dem ersten besten Bu Amema nachfolgten. Der Brief schließt mit den Worten: „Die Soldaten vertheidigten wenigstens das Land, wenn sie auch nichts daraus hervorzubringen ver mochten, aber Sie, Herr Grovy, Sie haben gar nichts gemacht, Sie wissen von gar nichts, Sie leben im geheimnißvollen Dunkel Ihres Palastes und ver stecken sich so viel wie möglich (woran Sie gut thun), aber Sie sind nicht im Stande, irgend jemandem Ihre grenzenlose Unfähigkeit, Ihr riesiges Unver- ständniß für algerische Angelegenheiten zu verbergen!" Es ist das übrigens nicht nur eine vereinzelte Stimme, sondern so lautet das allgemeine Urtheil über den Bruder des Präsidenten, und es ist, im höchsten Grade zu bedauern, daß Jules Grovy sich nicht entschließen kann, sich von seinem unfähigen Bruder zu trennen. "Waldenburg, 25. Juli 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Als Ort der Kaiserzusammenkunft ist jetzt definitiv Gastein in Aussicht genommen. Kaiser Franz Josef wird sich in den ersten Tagen des August dorthin begeben. Das gegenwärtige Befinden dec deutschen Kaiserin giebt den Befürchtungen das die Kräfte der hohen Patientin versagen kännten, neue Nahrung. Einer der Aerzts hat sich dahin ausgesprochen, daß die Heilung der Operationswunde unzweifelhaft sei, daß aber die Kräfte der Patientin in bedenklicher Weise erschüttert seien. Aus Anlaß der Erkrankung der Kaiserin wird die in der russischen Kapelle in Ems abgehaltene Gedächtnißfeier zu Ehren des verstorbe nen Kaisers von Rußland bezeichnet, an welcher die Kaiserin theilgenommen halte. Die Anstrengung, welche ihr die längere knieende Stellung und das Hal ten der schweren Kerze verursachte, scheint das acute Leiden an ihrem Bruche hervorgerufen zu haben, welches die Operation unvermeidlich machte. Aus Würtemberg war dem Fürsten Bismarck vor einigen Wochen eine politische Brochure: „Der extreme Liberalismus" von dem Verfasser zuge sandt worden. Darauf hat der Herr Reichskanzler folgendes Antwortschreiben an denselben gerichtet: Kissingen, den 12. Juli 1881. E. H. danke ich verbindlichst für die Uebersendung Ihrer interessan ten Schrift und die damit verbundenen freundlichen Zeilen. Die von Ihnen dargestellten geschichtlichen Reminiscenzen mit den daraus sich ergebenden logi schen Schlüssen sind in unserer Zeit gerade sehr am Platze, wo man des früheren Zustandes unseres Vaterlandes kaum mehr gedenkt und diejenigen, welche selber nichts aufzurichten vermochten, unseren Mitbürgern die Freude an dem neuerstandenen Reich zu trüben und die Befestigung und Festbildung des selben zu hindern versuchen. Mich persönlich hat es ganz besonders interessirt, in Ihrem Buche ein treues Spiegelbild der Zeit wiederzufinden, in welche auch meine Jugendjahre fielen, und ich bin über zeugt, daß jeder unserer Altersgenossen, der Ihre Schrift liest, derselben die gleiche Empfindung ent gegenbringen wird. v. Bismarck. Durch die cAoffale Zunahme der Einfuhr war unsere einheimische Industrie in ihrem Absatz bedeu tend geschädigt und unseren Arbeitern die Arbeit entzogen und dem Auslands zugewandt worden. Nach den amtlichen Berichten des statistischen Jahr buchs für das deutsche Reich betrug nämlich die Einfuhr in den Zollverein in den Jahren 1872 bis 1879, also während eines Zeitraums von acht Jah ren, 29,017 Millionen Mark, während die Ausfuhr in demselben Zeitraum nur 20,444 Millionen Mark ausmachte, mithin hat das deutsche Reich eine Han dels-Unterbilanz von 8573 Millionen Mark in acht Jahren, also pro Jahr durchschnittlich mehr als ein Tausend Millionen Mark, währens in dem Zeitraum von 1818 bis 1865 Jahr für Jahr die Ausfuhr größer war wie die Einfuhr. Durch die von der Fortschrittspartei und den jüdischen Groß händlern heftig befehdete Zollreform jedoch hat sich die Schrecken erregende deutsche Handelsbilanz etwas gebessert. Die Einfuhr ist von ihrer Höhe bedeutend heruntergegangen, während die Ausfuhr sich erhöht hat. Nach genauen Berechnungen steht schon jetzt so viel fest, daß die Handelsbilanz um circa 800 Millionen Mark sich günstiger gestellt, als in dem Zeitraum von 1872—1879, so daß die Einfuhr nur noch circa 200 Millionen Mark mehr ausmacht als die Ausfuhr. Dieses Resultat ist in hohem Grade erfreulich und zeigt, daß endlich ein Wandel in dem wirthschaftlichen System eingetreten ist. Die Folge davon ist denn auch, daß in manchen Jndustriekrei- sen eine größere Arbeitsthätigkelt sich entfaltet hat. Am deutlichsten tritt dies in der Eisenindustrie her vor. Hier sind in 305 Eisenfabriken der verschieden sten Art statt 134,652 Arbeiter mit 8,237,049 Mark Monatslohn im Jahre 1879 bereits im Februar 1881 im Ganzen 155,816 Arbeiter mit 10,199,930 Mark Monatslohn beschäftigt, so daß also die Zahl der Arbeiter um 21,164 Personen stieg. Gleich zeitig trat damit auch eine Lohnerhöhung ein, näm lich pro Kopf 51,60 Mark, was auf das ganze Jahr eine Lohnerhöhung bei diesen 305 Werken um 23,554,572 Mark ausmachte. Im Verhältniß dazu stand auch der Verdienst dieser Etablissements. Durch eine zwischen der deutschen Telegraphen- Gesellschaft in Berlin und der German-Union- Telegrahie- and Trust-Company geschloffene Ueber- einkunft soll ein unabhängiges Kabel von Deutschland nach Valentia in Irland und von da nach den Vereinigten Staaten gelegt werden. Wenn vas Kabel (dessen Kosten sich auf ungefähr 165,000 Pfd. Sterl, belaufen werde.') gelegt ist, wird Deutschland eine directe telegraphische Verbindung mit den Vereinigten Staaten haben, ein Privilegium, das jetzt nur England und Frank reich genießen. Auch in Hessen-Damstadt soll wie in Sachsen ein Eisenbahnbeirath die Stelle des preußischen Volkswirthschaftsraths einnehmen. Das „Regierungs blatt" veröffentlicht eine Verordnung, durch welche „zu beirälhlicher Mitwirkung der Eisenbahnverkehrs fragen" aus Vertretern des Handels, der Gewerbe und der Landwirihschaft ein Eisenbahnbeirath ge bildet wird. Dieser besteht aus 13 Mitgliedern, von welchen die drei Provinzen, die sechs Handels kammern des Landes und die landwirthschaftlichen Provinzialvereine für die drei Provinzen je einen Vertreter nebst einem Ersatzmann auf die Dauer von drei Jahren wählen, ohne bei der Wahl auf ihre eigenen Mitglieder beschränkt zu sein. Oesterreich. Ist Oesterreich ist erst seit 8 Tagen des neue Wucher gesetz in Kraft getesteten und schon sind eine ganze Anzahl von Bewucherungsklagen bei der Staatsanwaltschaft eingelaufen. Ein Gang durch die Straßen Wiens läßt die interessante Wahr nehmung machen, daß mit Einem Schlage die nur zu gut bekannten Täfelchen mit ihrer verlocken den Aufschrift: „Geld für Alles", „Geld billiger als überall" gänzlich verschwunden sind. Die Herren Geldverleiher haben einen gründlichen Respekt vor dem neuen Gesetze, haben ihre Gelüste auf die 100- procentige Verzinsung aufgegeben. Das Gesetz hat also in dieser Richtung seine Schuldigkeit gethan. Ein Gleiches läßt sich aber nicht von der Staats verwaltung sagen, welche versäumt hat, Filialen der öffentlichen Leihhäuser in genügender Anzahl einzurichen. Italien. Die erste englische Zahlung auf die neue Goldanleihe zu Behebung des Zwangscurses er folgte in deutschen Zwanzigmarkstücken, welche in Rom ihre Umprägung erfahren. Die Ernteaussichten sind in ganz Italien sehr gut, namentlich giebt es Wein im Ueberfluß. Frankreich. Die Neuwahlen für die Deputirtenkammer sind nunmehr auf den 21. August d. I. anberaumt worden. Das neue gambettistische Deutschen-Hetzblatt „Paris" bringt einen Artikel „Die Deutschen in Paris", worin es, an ein Circular des Pariser deutschen Turnvereins anknüpfend, welcher darin