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ÄMilmiM Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Sonntag, den 17. Zuli 1«2. 18«1. *Waldenburg, 16. Juli 1881. Nothweudigkeit des Schutzzolles. Die Manchesterlheorie glaubt die Waaren-Aus- fuhr am besten dadurch zu befördern, daß sie alle Zollschranken aufhebt. Allein dadurch hat sie nur das eine Resultat erzielt, daß der unbeschränkte Import die heimische Industrie nahezu ruinirt und auf dem Weltmarkt völlig concurrenzunfähig gemacht hat, wodurch Deutschland in den letzten Jahren des Freihandels in seiner Handelsbilanz über Ein fuhr und Ausfuhr eine nach Milliarden zählende Unterbilanz aufzuweisen hatte, um die unser Volks wohlstand zurückgegangen ist. Kein besseres Mittel, die Ausfuhr deutscher Waaren und deren Absatz im Auslande zu befördern, giebt es, als die Einfuhr fremder Waaren abzuwehren. Wie so? Zu jedem Kampf gehört Kraft. Was Kraft verleiht, verleiht also auch den Sieg. Der internationale Concurrenzkampf ist nun ebenfalls ein Kampf, in dem nur der Starke, nicht aber der Schwache siegen kann und in welchem auch stets nur der durch Schutzzoll stark gewordene Industriestaat gesiegt hat. Englands Industrie erlangte ihre Uebermacht durch ein strenges Schutzzollregime. Erst als es sich durch den langen Alleingenuß des innern Marktes industrielle Herkulesstärke angeeignet Halts, ging cs zum Freihandel über. Seit cs sich unter diesem gefährlichen System befindet, läßt fein industrielles Uebergewicht im Kampf mit Schutzzoll- Ländern von Jahr zu Jahr nach, so daß der Frei handel selbst in England immer mehr Anhänger verliert. Diejenigen Länder, deren Ausfuhr wächst, sind Schutzzoll-Länder, namentlich sind es Frankreich und die Vereinigten Staaten. Eine Industrie, welche für ihre Existenz zunächst des innern Markles sicher ist und hier nicht zu dem „billig und schlecht" als Rettungswaffe zu greifen braucht, kann nicht nur die „ehrliche" und „gute" Arbeit pflegen, und mit Qualitätsleistungen den aus wärtigen Markt erobera und halten, sondern auch für ihre Ueberproduction auf dem auswärtigen Markte mit billigen Preisen kämpfen, wie das die deutsche Industrie im Jahre 1880, kraft des Schutzzolls, bereits mit Erfolg that. Um die Ar beiter voll zu beschäftigen, kann eine Fabrik dann für das Ausland auch zur Noth ohne eigenen Nutzen liefern, wenn nur die Arbeitslöhne herauskommen. Hätten unsere Fabriken aber, wie in den freihänd lerischen Vorjahren, auch noch auf dem innern Markt die ausländische Ueberproduction und die ausländischen Schleuderpreise durch eben solche Schleuderpreise bekämpfen sollen, so würde ihnen einfach das Geld und der Athem, den Schornsteinen der Dampf und den Arbeitern jede Beschäftigung verloren gegan gen sein. Mit den Fortschritten der Technik verhält es sich ebenso. Eine dem freihändlerischen Mordkampfe preisgegebene Industrie ist außer Stande, den An- Zungen technischer Vervollkommnung zu folgen. Alle Dage fast werden neue Erfindungen gemacht. Viele davon rufen wahre Revolutionen der Technik hervor; um sie in der Praxis zu verwerthen, sind bedeutende Geldmittel nothwendig. Warum können die Engländer die kostspieligsten Fabriken im Vogt land errichten. Weit sie infolge ihrer erstarkten Industrie große Mittel aufwenden können. Und warum können es ihnen von unseren Fabrikanten so wenige nachthun? Weil ihnen die Mittel nicht Su Gebote stehen. Wir führen als Beispiel den Bessermerprozeß in der Stahlfabrikation, sowie die Entphosphorung des Eisens an. Diese Geldmittel kann eine durch den Freihandel immer mehr ver armende Industrie schließlich nicht mehr beschaffen. Was würde die Folge sein? Dieselbe, welche der Freihandel in der Türkei herbeiführte: Vernichtung der heimischen Jndustriethätigkeit, wachsende Abhängig keit des Landes vom Auslande in wirthschaftlicher, industrieller und finanzieller Hinsicht, Verlust der Arbeit für die eigenen Landeskinder oder Dienstbar keit im Lohne des fremden Unternehmers und schließ lich Verlust der politischen und militärischen Größe und Unabhängigkeit: drohender, ja zuletzt nicht mehr vermeidbarer Untergang des Reiches. Das von der freihändlerischen Theorie den Völ kern in Aussicht gestellte Heil ist in der Praxis stets zum Unheil ausgeschlagen, und alles Unglück, welches die freihändlerische Theorie dem Schutzzoll anheftet, hat sich in allen Schutzländern in Segen verwandelt. Während der Schutzzoll den technischen Stillstand und der Freihandel den industriellen Fortschritt bedeuten sollte, hat in Wirklichkeit das schutzzöllnerische Amerika das freihändlcrische England bereits überflügelt. Von einer „Ein schläferung der Intelligenz und Thatkcaft," welche dem Schutzzoll beiwohnen sollte, hat sich in den Schutzzoll-Ländern Frankreich und Amerika noch keine Spur gezeigt. Diese ist nur in einem absoluten Freihandels-Lande, in der Türkei, zu Tage getreten und zwar aus Gründen, die dem consequenten Freihandel naturgemäß und naturnoth- wendig beiwohnen und welche auch Deutschland in ihren zerstörenden Zauberbann gezogen haben wür den, wenn Fürst Bismarck nicht noch in letzter Stunde trotz heftigen Widerstandes von feiten der Linken zur rettenden Umkehr geblasen hätte. *Waldenburg, 16. Juli 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der deutsche Kaiser ist am 15. d. abends '/«6 Uhr in Wildbad Gastein eingetroffen. Graf Hatzfeld ist am Dienstag auf Einladung des Fürsten Bismarck in Kissingen gewesen und hat mit demselben mehrfach conferirt. Am 15. d. ist der Graf nach Berlin zurückgekehrt, um sich von da in ein Bad zu begeben, da seine Gesundheit am Bosporus gelitten hat. Die Veröffentlichung des vom Reichstage be schlossenen Jnnungsgesetzes steht demnächst bevor. Der Erlaß der Ausführungsbestimmungen hierüber soll den Einzelregierungen überlassen bleiben. Das in der letzten Neichstagssession unerledigt gebliebene Ge setz wegen Beschränkung des Gewerbebetriebes der Auctionatoren, Winkeladvokaten, Patentanwalte rc. wird in der nächsten Session wieder vorgelegt werden. Ferner finden schon seit längerer Zeit im Reichsamt des Innern Vorarbeiten betreffend die Revision des Titels der Gewerbeordnung statt, der von dem Gewerbebetriebe im Umherziehen handelt. Das englische Geschwader warf am Donners tag gegen 2 Uhr Anker im inneren Hasen zu Kiel, stattete sofort officielle Besuche ab und gab Salut schüsse ab. Prinz Wilhelm begab sich zur Begrüß ung des Herzogs von Edinburg an Bord des „Her kules." Eine ungeheure Menschenmenge wohnte diesem Schauspiele bei. An dem Galadiner, welches Prinz Heinrich am 14. in Kiel gab, nahmen Theil Prinz Wilhelm, der Herzog von Edinburg, die eng lischen Contreadmirale und Schiffscommandanten, die höchsten deutschen Officiere und die Spitzen der Behörden. Prinz Wilhelm toastete in englischer Sprache auf die Königin Victoria von England, der Herzog von Edinburg in deutscher Sprache auf den Kaiser Wilhelm. Prinz Heinrich bewillkommnete in englischer Sprache den Herzog von Edinburg als den Repräsentanten der mächtigen, Deutschland be freundeten und stammverwandtenNation und wünschte der Flotte besten Erfolg und glückliche Fahrt. Der Herzog von Edinburg dankte herzlich in deutscher Sprache. Die Popularität des Hofprediger Stöcker in Berlin wird immer größer. Herr Hofprediger Stöcker, welcher seit etwa Jahresfrist Gutsbesitzer in der.Ge- gend von Partenkirchen ist, hielt im nahe gelegenen Kainzenbad einen protestantischen Gottesdienst, wel cher von fremden Gästen und Einheimischen sehr zahlreich besucht war und zwar nicht nur von Prote stanten, sondern von ebenso viel Katholiken. Der Vortrag behandelte hauptsächlich das innere Leben des Menschen im Kampfe mit der Außenwelt, hin weisend auf die Bibel als Führerin zum ewigen Licht und zur Klarheit. Dabei war der Vortrag gar nicht consessionell gehalten, daher für Katholiken und Protest >. en gleich erbaulich. Die Mü wener Socialdemokraten erlassen einen Wah! u uf, der von der Unterstützung aller anderen Pa n abmahnt, die baierische Landtags wahl übrigens oegen des bei ihr geltenden Census als ein blv 's Possenspiel bezeichnet. Für den Reichstag wir. Herr August Bebel vorgeschlagen. In Apolda sind die Socialdemokraten oben auf. Vor einigen Tagen wurden drei Mitglieder des Gemeinderaths gewählt, welche von den Social demokraten aufgestellt waren. Von den 18 Mit gliedern des Apoldaer Gemeinderaths sind nunmehr 11 Socialdemokraten. Frankreich. Die allgemeinen Wahlen zur Deputirten- kammcr sind, wie aus einem Circularschreiben des französischen Kriegsministers hervorgeht, für den 2. October in Aussicht genommen. Die Deputirtenkammer ist am Dienstag mit der Budgetberathung fertig geworden, aber zu guterletzt hat sie noch ein Amendement votirt, das lebhaften Widerspruch hervorruft, insofern sie damit schon in die Rechte der folgenden Kammer eingreift. Sie hat nämlich beschlossen, aus den Ueberschüssen der künftigen Budgets, denn das jetzige hat keine Ueber- schüsse mehr, eine Kaffe zu Gunsten des Acker baues zu bilden. 40 Millionen sollen dazu ver wendet werden. Der Ackerbau, bemerkte Jamotel, der Urheber dieses Amendements, ist von allen Einnahmequellen des Staats die am schwersten be steuerte und es ist Zeit, daß die Republik endlich etwas zu seinem Vortheil thue. Die Verluste der Franzosen in Süd-Alge rien sind viel bedeutender, als man bis jetzt ge glaubt hat. 2 Compagnien der Fremdenlegion, die von Saida 250 Mann stark ausgerückt waren, ver loren an Todten, Verwundeten und Kranken über 150 Mann. Sie gehörten zur Colonne des Obersten Jnnocenti, dem Bu-Amema eine empfindliche Schlappe beigebracht hat. Nach den Schätzungen von Fachblättern wird die diesjährige Getreide-Ernte in Frankreich durch schnittlich als eine gute bezeichnet. Was die einzelnen Gegenden angeht, so wird sie im Südwesten ziemlich gut, im Süden mittelmäßig, im Südosten mittelmäßig, im Westen gut, im mittleren Frankreich gut, im Osten ziemlich gut, im Nordwesten gut, im Norden gut und im Nordosten mittelmäßig ausfallen. Das sicherste Zeichen einer reichen Ernte gab sich auch bei den ersten Anwerbungen der Schnitter kund. Die Arbeiter-Preise sind um zwanzig vom Hundert gegen die des letzten Jahres gestiegen. Italien. „Wenn sich die Könige raufen, müssen die Bauern Haare lassen." Auch die Börsen empfinden neuer dings die Wahrheit dieses Sprüchwortes. Franzö sische und englische Börsenfürsten liegen im Krieg.