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Zchöilbmaer TnaMlüt .ile. ^7 ^7 Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 5« Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. .4- 152. Mittwoch, den 6. Zuli 1881. *Waldenburg, 5. Juli 1881. Mücken seihen und Kameele verschlucken. Der seit Kurzem in Berlin unter Redaction des bekannten vr. Henrici erscheinende „Neichsherold" brachte vor Kurzem einen Artikel, in welchem in äußerst kräftigen Zügen die zum Theil recht un erquicklichen Verhältnisse in Deutschland beleuchtet werden. Der Artikel lautet: Der Reichstag hat die beantragten 84,000 Mk. für den Volkswirthschaftsrath abgelehnt, ebenso hat er sich gegen den Reichszuschuß für das Unfallver sicherungswesen erklärt. Ein gleiches Schicksal er fuhr einst die Samoa-Vorlage mit einer jährlichen Reichssubvention von 300,000 Mk. In der ersten Angelegenheit gab Bennigsen mit den Nationalliberalen den Ausschlag. Das Centrum stimmte getheilt, die Conservativen geschlossen dafür, was wir hiermit lobend anerkennen. Der „Fort schritt" — wie immer — negirte. In der zweiten Angelegenheit hatte der Reichs kanzler nur 35 Stimmen für sich, die sich aus der conservativen Partei und den wenigen Social- Demokraten zusammensetzten. Alle die wackeren conservativen Männer, die ihre Entschließung nach dieser Richtung hin abgaben, haben die sociale Be wegung in ihrer ganzen Tiefe erfaßt. Möge es ihnen vergönnt sein, in dem zukünftigen Reichstage innerhalb ihrer Fraction die Führerrolle zu über nehmen. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß außer diesen hier Alle negirten. In der dritten Angelegenheit war es Herr Bam berger, der der Colonisationspolitik des Reichskanz lers das Grab grub. Herr Senator Godeffroy aus Hamburg hatte ein Decennium hindurch mit eigenen Kosten den deutschen Einfluß auf den Samoa-Jnseln zu einem dominirenden gemacht, trotz aller Be mühungen der Engländer und Amerikaner. Plötzlich weist ein englisches Haus ohne irgend welche Gründe Wechsel des Hauses Godeffroy zurück. Um das deutsche Prestige aufrecht zu erhalten, wurde das' Unternehmen in eine Actiengesellschaft umgewandelt und für dieselbe ein jährlicher Zuschuß von 300,000 Mark vom Reich erbeten. Bei unserer parlamenta rischen Misere wäre es ja ohne diesen Umweg un möglich gewesen, sofort in den staatlichen Besitz dieser vielumworbenen Inseln in der Südsee zu treten. Bei anderen Nationen hätte man Godeffroy vergöttert, bei uns mußte er es sich gefallen lassen, von Herrn Bambergec unter jenen Gründerrahmen gestellt zu werden, dessen Porträts Herr Lasker mit seiner weltbekannten „Fackel" zu beleuchten — unterlassen hat. — Die überwiegende Zahl der Conservativen, ver Liberalen und des Centrums ließen sich durch die uncontrollirbaren Zahlen des Herrn Bamberger in ihrem Votum beeinflussen, der „Fortschritt" negirte selbstverständlich und so ging unsere Colonialpolitik wieder schlafen. Um alle diese Abstimmungen zu verstehen, ver- gegenwänige man sich nur, für wen jene Gesetzes vorlagen denn eigentlich gemacht worden und. Für keinen Anderen nämlich, als für den, um den sich die Gegner jener Vorlage vor und bei den Wahlen förmlich reißen: für den armen Mann. Bei dem Unfallversicherungsgesetz liegt diese Für sorge so auf der flachen Hand, daß darüber kein Wort weiter zu verlieren ist. Was den Volkswirth- schaftsrath anbetrifft, so springt die Nolhwendigkeit desselben sofort in die Augen, wenn man die Organe ins Auge faßt, auf welche unsere Fortschrittler als auf einen Ersatz für denselben Hinweisen. Es sind dies jene volkswirthschaftlichen Congresse und Han delstage, denen „unser Braun" präsidirt und auf denen Leute wie Bamberger, Alex. Meyer rc. im Namen der „anerkannten Wissenschaft" sprechen. Die Regierung soll nur ihre Stimnie hören und dieser Umstand ist so verhängnißvoll für unsere wirthschaftliche Gesetzgebung, weil einerseits ihre Presse noch dominirt und andererseits die „Bis- marcksche Schule" noch in der Entwickelung begrif fen ist. Wir wissen ja, wie Jeder in ganz infamer Weise moralisch von jener Presse hingerichtet wird, der sich nur im Entferntesten erlaubt, „anderer Meinung" zu sein. Wenn nun die Regierung im Volkswirthschaftsrath mit dem Volke in directe Füh lung treten will, um unverfälscht die Wahrheit zu hören, wo das Volk der Schuh drückt; welcher Patriot möchte ihr nicht zujubeln! Auch die Colonisationsfrage betrifft die Lebens interessen des „armen Mannes". Wir wollen heute nicht davon reden, daß mir durch unsere Auswande rung die angelsächsische Race bis zur Aufzehrung unserer eigenen stärken; hat man doch herausgerech net, daß nach 100 Jahren gerade in Folge deutscher Auswanderungen das Verhältniß wie 9 : 1^/2 sein und der Schwerpunkt der geistigen und materiellen Jneressen Deutschlands statt in Berlin in London liegen wird! — Was uns hier am Herzen liegt, ist die Erwerbung von Staatsplantagen, für die die Samoa-Jnseln eine herrliche Gelegenheit geboten haben würden. Das kleine Holland fristet nur durch solche Staatsplantagen seine Existenz. Die Colonialproducte werden dort billig hergestellt und an uns theuer verkauft, ja uns noch theurer gemacht durch das zahlreich vertretene Zwischenhändlerthum, das in Deutschland jetzt das Heft in Händen hat. Wenn wir bedenken, daß eine Schiffsladung Kaffee oder Reis in Antwerpen oder Rotterdam erst durch 6 oder 7 Hände geht, ehe die Waare an unsern Kaufmann gelangt, ist es da nicht vortheilhafter, für unsere Auswanderer derartige Staatsplantagen zu erwerben, sie so unserem Interesse zu erhalten und durch sie einen directen Handelsverkehr in Co- lonialproducten einzurichten? Für alle diese Einrichtungen wurden verhältniß- mäßig sehr geringe Summen gefordert. Mögen sie daher unter das Rubrum „Mücken" fallen. Merk würger Weise ist so viel Gerede nie gemacht worden um „Kameele", nämlich um Riesensummen, vielleicht, weil sie einen anderen Weg nahmen als in das Portemonnaie des „armen Mannes." (Schluß folgt.) ^Waldenburg, 5. Juli 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Bundesrath beginnt seine neue Session im September. Im selben Monat, und zwar am 20., sollen auch die Neichstagswahlen statt finden. Die Frau Fürstin Bismarck begiebt sich dem nächst nach dem bayerischen Bad Kreuth. Der bayerische König hat der Fürstin für die Dauer ihres Aufenthalts daselbst königliche Equipagen zur Verfügung gestellt. Die „Nationalliberale Correspondenz" meldet: „Der Cultusminister v. Goßler ist nach Kissingen abgereist. Es wird keine ungerechtfertigte Ver- muthung sein, wenn man annimmt, daß der Zweck seiner Reise die Berathung mit dem Reichskanzler über die fernere kirchenpolitische Action ist und daß der fränkische Badeort, wie auch früher schon, für unsere Kirchenpolitik von folgenschwerer Bedeutung wird." Die Wegführung des deutschen Staatsangehörigen Forstmeister Bernges durch eine Räuberbande in Ostrumelien hat das deutsche- Auswärtige Amt ver anlaßt, Ermittelungen anzustellen, sowie Schritte be hufs Befreiung des Gefangenen einzuleiten. Bern- g-s soll sich denn auch bereits in Freiheit und in Bellova befinden. Als der Feldmarschall von Manteuffel kürzlich in Berlin war, äußerte er sich, wie ein Correspon- dent der „Bad. Ldztg." berichtet, über dis vielbe sprochene Bezirksvereinsrede des Grasen Wil helm Bismarck scherzend: „Nun, er hat gehörig herhalten müssen, viele Complimente bekam er nicht vom Vater und nicht von mir zu hören. Er muß noch fleißig Eieero äo oxuboro studiren, auch tüchtig im jus sich umsehen; es ist nötyig, daß ein Redner, der Eindruck machen will, ganz sich selbst giebt und nicht copirt. Was ist es denn, das des Vaters Reden einen so ganz aparten Reiz verleiht? Sie sind in jedem Satz der ganze Bismarck wie er leibt und lebt. Dis Bill muß noch älter werden, bevor er wieder spricht; setzt er das Reden fort, so ver dirbt er sich!" (Neuerdings wird diese Nachricht für erfunden erklärt.) Oesterreich. Als eine Folge der Prager Exceffe darf wohl die Nachricht, betrachtet werden, welche dem Wiener „Fremdenblatt" aus Prag übermittelt wird, daß nämlich Kronprinz Rudolf bereits in nächster Zeit ein Militär-Commando in Ungarn übernehmen, also Prag verlassen werde. Bezeichnend für die tschechische Rohheit sind folgende Meldungen aus Prag: Der Arbeiter Lich- novsky wurde am 2. Juli verhaftet, weil er auf offener Straße vor allen Leuten dem deutschen Studenten Gerson ins Gesicht spuckte. — Die Töchter der deutschen Professoren Heinrich und Weiß wurden von Tschechen auf offener Straße angespuckt und gestoßen. Die Professoren Lampl und Weiß brachten die entsetzten Mädchen nach Hause, welche in Folge des Schreckens das Bett hüten. In Prag haben am 3. d. 70 deutsche Abgeord nete einManifest abgefaßt, welches an die Deut schen Böhmens appellirt, demihneninnnewohnen- den nationalen Charakter treu zu bleiben und ihrer eigenen Kraft und der gerechten Sache zu vertrauen. Frankreich. Aus Sfax wird gemeldet, die dorthin expedirten Truppen konnten noch nicht ausgeschifft werden; man war ohne Nachricht aus Gabes und über das Schicksal des dortigen französischen Consuls. Vor Sfax liegen 5 Kriegsschiffe. Das Bombardement sollte am 4. d. beginnen. Spanien. Die öffentliche Meinung in Spanien ist sehr er regt durch die Ankunft der Kolonisten aus Oran (Algier.) Die Gefahren und Entbehrungen, welche die Colonisten erlitten, haben großen Eindruck ge macht. Von 130,000 Colonisten kamen bis jetzt 5000 zurück. England. Die Fenier wollen Gladstone's Schloß Howarden in die Luft sprengen. Die Polizei hat bereits Vorsichtsmaßregeln ergriffen. Rußland. Daß es noch einsichtige Juden giebt, welche die Fehler und Mängel ihrer Stammesgenossen, wodurch sie sich bei allen Völkern von Alters her so verhaßt gemacht haben, wohl einsehen, wird Nie mand leugnen. Die russische Zeitung „Juschni Kral" enthält einen Aufruf der Bibel-Juden (Stun- disten) an ihre Stammes- und Glaubens-Genossen, in dem unter Anderm Folgendes zu lesen ist: „Israelitische Brüder! Einem Jeden von Euch ist wahrscheinlich bekannt, daß, um sich von den hölli schen Zahnschmerzen zu befreien, es am kaigsten ist, den kranken Zahn mit der Wurzel Herauszureißen. Doch um dabei keinen starken Schmerz zu empfinden,