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Wer dem armen Manne billigeres Brod verschaffen wolle, müsse auf die Entlastung des Grundbesitzes von dem Steuerdruck hinwirken. Den Fortschritt lern und den Freihändlern sei es freilich nicht Ernst mit dem Ruf nach billigem Brod, die Politik der selben könne nur floriren, wenn möglichst viel Un zufriedenheit im Lande herrsche, der directe Steuer druck möglichst empfindlich sei, ob aber dabei 28 Millionen der landwirthschaftlichen Bevölkerung ver armten, sei Richler, Rickert und Bamberger voll ständig gleichgiltig, wenn sie weitere parlamentarische Machtbefugnisse gewännen. Ihre Losung sei: Die Beibehaltung der Grundsteuer im vollsten Umfange, damit der arme Mann stets über das theure Brod klagen könnte und die Beseitigung der Getreidezölle, damit der Ruin der Landwirthschaft nicht aufge halten werde. Werden sich die Se cessio nisten des Reichstags mit de» Fortschrittlern vereinigen oder nicht? Auf diese Frage giebt ein Berliner Blatt folgende Antwort: „Die Secessionisten find eigentlich nur ein Häuflein Führer, welche früher in der großen nationalliberalen Partei eine Rolle zu spielen ge wohnt waren. Sollen sich dieselben jetzt etwa der Diktatur Eugen Richter's unterordnen? Dafür danken dieselben recht schön. Sie wollen wohl Hand in Hand mit ihm gehen; sie sind sogar ein Herz und eine Seele mit ihm, aber im Uebrigen „drei Schritt vom Leibe." Die Herren Bamberger, Lasker, Forckenbcck, Rickert, Braun sind sich ja selbst Führer genug; Jeder von ihnen kann ja eine Woche lang in dem Häuflein der Secessionisten die Führer schaft übernehmen und daher die Süßigkeit dieser Stellung genießen; aber sich Richter unterordnen, daran scheinen sie bisher nicht zu denken, und daß Dieser Einem von ihnen Gefolgschaft leisten würde, das auch nur zu denken, erscheint bei der Groß mannssucht und der Eigenliebe Richter's geradezu eine Thorheit. In seinen Augen giebt es Niemand, der sich ihm an Größe, an geistiger Ueberlegenheit. vergleichen könnte, Niemand, der es auch nur werih wäre, ihm die Schuhriemen aufzulösen; denn er ist der größte Volkötribun, der Gambetta der Zukunft." Oesterreich. Die öffentliche Meinung Wiens steht noch unter dem Eindruck der Massenconfiscation vom 11. I Juli. Fast könnte man zu der Ansicht gelangen, j daß die Regierung einsehe, welche schwere Fehler sie mit derartigen Polizeimaßregeln begehe; wenig- I stens wurde am 12. kein Journal confiscirt, trotz- ! dem die Leitartikel der »leisten Morgewblätter eine viel schärfere Sprache führten, als die confiscirte Purkersdorfer Resolution. Die Errichtung eines czechischen Gymnasiums in Troppau wurde vom Gemeinderath einstimmig abgelehnt, weil hierfür in der deutschen Stadt Trop- pau kein Bedürfniß sei und ein solches Gymnasium, fremde Elemente heranziehend, nur ein Agitations herd wäre. Frankreich. Ter Senat hat das Schulzwangsgesetz mit 173 gegen 116 Stimmen angenommen, was aber ohne Bedeutung ist, da die Deputirtenkammer die von ihm beliebte Fassung doch wieder verwerfe» wird, sodaß also in dieser Session die Vorlage unerle digt bleibt und vor die neue Kammer gebracht werden muß. Paris feierte am 14. d. das Nationalfest, welches zur Erinnerung an die Erstürmung der Bastillen angeordnetworden ist. Die Stadt war reich geschmückt, durch die Straßen wogten bei herrlichem Welter große Menschenmassen. Ruhland. Die Judenverfolgungen haben in Rußland noch nicht ihr Ende erreicht. In Perejaslaw haben Ausschreitungen gegen die Juden stattgefunben; 60 Personen sind dabei verhaftet worden. Bulgarien. Zwischen Fürst und Volk von Bulgarien herrscht wieder Frieden. Die große Nationalversammlung in Sistowo hat die von dem Fürsten gestellten Be dingungen durch Acclamation unter enthusiastischen Hochrufen auf den Fürsten angenommen. Die Session wurde hierauf geschloffen. Der Fürst hat eine Proclamation erlassen. Darin dankt derselbe für das Vertrauen und den Ausdruck der Treue der Nationalversammlung. Er wolle trotz der außerordentlichen ihm durch den Beschluß der Natio nalversammlung verliehenen Vollmachten die Lan desvertreter alljährlich zu Berathung des Budgets und der allgemeinen Landesinteressen zusammenrufen und appellire an alle Patrioten, mitzuarbeiten an dem großen Werke, das er mit Gottes Segen und der Liebe des bulgarischen Volkes zu vollenden hoffe. Türkei. Der Sultan soll die Todesstrafe der wegen Ermordung des Sultans Abdul Aziz Vsrurtheilten j in die Strafe lebenslänglicher Zwangsarbeit i umgewandelt haben. Wie aus Philippopel telegraphisch gemeldet wird, ! wurde das von den bulgarischen Räubern für den ! Forstinspector Bernges und dessen Dolmetsch Binder verlangte Lösegeld von 1200 Pfund und vier Uhren von der Eisenbahn-Gesellschaft erledigt und beide Personen sind unversehrt nach Belowa zurückgekehrt. Die von Spano-Nikola angeführte Bande wird verfolgt. Afrika. Bu-Amema macht an verschiedenen Punkten Süd- Orans den französischen Colonnen zu schaffen; er selbst soll sich mit seinem Stab und den spanischen Ge fangenen in der Gegend von Harras aufhalten. Von zwei der Gefangenen, die hingerichtet worden seien, will man die Leichname gefunden haben. Die Stadt Mascara ist in Vertheidigungszustand ge setzt worden; die Einwohner sind bewaffnet und ver fügen über fünf Kanonen; man ist jedoch um das Schicksal der umwohnenden Colonisten besorgt. Bei Suk al-Hamam, auf der Bahnlinie von Arzew nach Saida, versuchten Araber den Zug entgleisen zu machen. Die Jnsurrection erhebt sogar in der Stadt Oran selbst ihr Haupt: eine Gruppe Eingeborener versuchte die in Pyramiden ausgestellten Bajonette des bei der Stadt kampirenden 15. Linienregiments wegzunehmen; der Wachtposten verwundete und ver haftete zwei der Betheiligten. Auch in der Provinz Constantine macht die Bewegung Fortschritte. In der Oase, die sich von Negrine bis Tebessa erstreckt und strategische Bedeutung besitzt, weil sie mehrere Sahara straßen beherrscht, haben sich Aufständische ange sammelt. In Tunis brach am 12. d. zwischen tunesischen und algerischen Truppen nach einem Wortstreit über Frankreich eine große Schlägerei aus. Die Tunesen beschimpften die französische Republik und fielen 200 Mann stark über die Algerier her. Sechs von denselben wurden verwundet, darunter einer tödtlich. Amerika. Das Befinden des Präsidenten Garfield hat so günstige Fortschritte gemacht, daß die Aerzte den gegenwärtigen Zustand für gefahrlos erklären. Aus dem Muldenthale. * Waldenburg, 15. Juli. In der heutigen Schöffengerichtsverhandlung wurde der Strumpf wirker Ernst Sonntag in Grumbach von dem Ver gehen gegen Z 134 des Reichsstrafgesetzbuches frei gesprochen und die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse übertragen. Als Schöffen fungirten die Herren Fabrikant Ernst Gräfe und Kaufmann Albert Bossecker hier. — Am 12. d. verunglückte in der Pappfabrik von Mayh in Zwickau der Feuermann Eismann aus Bärenwalde beim Entleeren des Lumpenkessels. Der Arzt halte einen Schädelbruch constatirt und starb derselbe anderen Tages im Stadtkrankenhause. E. hinterläßt eine Frau und 7 Kinder. Aus dem Sachseulande. — Wahlresultate: Im Wahlkreise Treuen- Netzschkau wurde der Holzhändler Grimm in Reichen hain (liberal) einstimmig gewählt. Die Conserva- tiven hatten es nicht zur Aufstellung eines Kandi daten gebracht. In Marienberg erhielt der conser- vative Amtshauptmann von Bernewitz die meisten Stimmen. Im Wahlkreise Oelsnitz schlug der con- servative Rittergutsbesitzer Jahn auf Taltitz den bisherigen conservativen Abgeordneten, den sehr tüchtigen Gemeindevorstand Sieboth in Elster mit 798 gegen 347 St. Auch im Wahlkreise Dippol diswalde-Frauenstein stritten sich sogar 4 konserva tive. Es erhielt die meisten Stimmen (579) der Amtslandrichter Kleber in Obercunnersdorf, der Rittergutsbesitzer Otto in Naundorf 504, dann folgt der Baumeister Hartwig in Dresden mit 454 und zuletzt marschirt der Hauptmann Aster in Reinhardts grimma mit 296 Stimmen. Es ist daher zwischen Kleber und Otto Stichwahl erforderlich. Berichtigend ist zu bemerken, daß im Wahlkreise Oederan-Zscho- pau-Marienberg-Thum nicht der bisherige liberale Vertreter Stadtrath Stauß aus Glauchau, sondern der von den Conservativen aufgestellte Kunstgärlner August Müller, Vorsitzender des Gewerbevereins in Oederan, mit 769 St. gesiegt hat. Stauß erhielt nur 573 Stimmen. — Grundstückseigenthümer, deren Grundstücke an öffentliche Flüsse angrenzen und dadurch zahlreiche Vortheile: Luft, Licht, freie Communication mit Feuilleton. Colomba. Corsisches Lebensbild von Prosper Meremse, deutsch von Rudolph MülSener. (Fortsetzung.) „Wir sind gerettet!" wiederholte Brandolaccio. Dem Pferd entgegenlaufen, es an der Mähne packen, ihm statt der Zügel einen festen Strick in das Maul legen, war für den Banditen, welchem Colomba half, das Geschäft eines Augenblickes. „Benachrichtigen wir jetzt den Pfarrer!" sagte er dann. Dann pfiff er zweimal; ein entferntes Pfeifen antwortete auf dieses Signal und die Mantonbüchse verstummte. Jetzt sprang Brandolaccio auf das Pferd. Colomba setzte ihren Bruder vor den Banditen, der ihn mit der einen Hand festhielt und mit der anderen sein Thier lenkte. Trotz seiner Doppellast lief dos Pferd, gespornt durch tüchtige Fußstöße in die Flanken, leicht davon und galoppirte einen steilen Abhang hinunter, wo jedes andere, als ein corsisches Roß, hundert Mal Hals und Beine gebrochen hätte. Colomba kehrte jetzt wieder um, indem sie Miß Nevil aus Leibeskräften rief; aber keine Stimme antwortete der ihrigen .... Nachdem sie eine Zeit lang auf's Geradewohl gelaufen war, um den früheren Pfad wieder aufzufinden, begegnete sie zwei Voltigeurs, welche ihr „Werda?" zuriesen. „Schon gut, Ihr Herren," sagte Colomba spöt tisch, „ei, das ist ja ein gewaltiger Lärm. Wie viel Todle?" „Sie waren bei den Banditen," sagte einer der Soldaten, „Sie sollen mit uns gehen." „Sehr gern," erwiderte sie, „aber ich habe eine Freundin hier, die müssen wir erst wieder auffinden." „Ihre Freundin ist schon gefangen und Sie wer den mit derselben im Gefängniß schlafen." „Im Gefängniß? Das wollen wir doch erst sehen! Einstweilen führet mich zu ihr." Die Voltigeurs führten sie jetzt in das Feldlager der Banditen, wo sie die Trophäen ihrer Expedition zusammenbrachten, das heißt den Pilone, womit Orso bedeckt war, einen alten Topf und einen vollen Wasserkrug. An demselben Orte befand sich Miß Nevil, welche, als ihr die Soldaten begegnet, halb- todt vor Furcht, auf alle Fragen über die Anzahl der Banditen und die von denselben genommene Richtung nur mit Thränen antwortete Colomba warf sich in ihre Arme und raunte ihr in's Ohr: „sie sind gerettet!" Dann wendete sie sich zu dem Sergeanten der Voltigeurs: „Mein Herr, Sie sehen wohl, daß das Fräulein von dem, worüber Sie sie fragen, Nichts weiß. Lasten Sie uns in's Dorf zurückkehren, wo man uns mit Ungeduld er wartet." „Man wird Sie dahin bringen; früher, als Ihnen lieb sein mag, Jüngferchen," sagte der Sergeant, „und sie werden sich darüber zu erklären haben, was Sie um diese Stunde bei den Spitzbuben, welche entflohen sind, zu schaffen hatten. Ich weiß nicht, welche Hexerei diese Schufte anwenden, aber gewiß ist, daß sie die Mädchen bezaubern, denn wo immer es Banditen giebt, da darf man sich auch auf hübsche Mädchen gefaßt machen." „Sie sind artig, Herr Sergeant," sagte Colomba, „aber Sie werden gut thun, zweimal zu überlegen, was Sie schwatzen. Dieses Fräulein ist eine Ver wandte des Präfecten und man darf mit ihr nicht Lappalien plaudern." „Verwandte des Präfecten?" munkelte der Sol dat seinem Vorgesetzten zu; „in der That, sie hat einen Hut." „Der Hut lhut Nichts dazu," sagte der Sergeant. „Sie waren Beide bei dem Pfarrer, dem größten Verführer im Lande, und meine Pflicht fordert, daß ich sie mitnehme. Inzwischen haben wir hier Nichts mehr verloren. Ohne diesen verdammten Corpora! Taupin der Trunkenbold von einem Fran zosen hat sich gezeigt, ehe ich das Maquis ganz um zingelt hatte ohne ihn hätten wir sie wie in einem Netze gefangen." „Ihr seid Eurer Sieben?" fragte Colomba. „Wisset Ihr, meine Herren, wenn zufällig die drei Brüder Gambini, Sarochi und Theodor Poli sich am heiligen Christinen-Kreuz mit Brandolaccio und dem Pfarrer verbänden, sie Euch tüchtig zu schaffen machen wür den? Wenn Ihr indeß ein Zwiegespräch mit dem Commandanten des Gebirgs* führen müsset, so möchte ich nicht dabei sein. Die Kugeln kennen bei Nacht keinen Unterschied des Geschlechts." Die Möglichkeit eines Zusammentreffens mit den furchtbaren Banditen, welche Colomba genannt hatte, schien auf die Voltigeurs Eindruck zu machen. (Fortsetzung folgt.) * Dies rvar der Titel, den Theodor Poli führte.