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Schönburger Tageblatt und Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg Sonntag, den 3. Mi 1881 15« Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für d,e nächst-r- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich I Mk. 3V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Bekanntmachung. Zur Vornahme der erforderlichen Ergänzungswahlen surd-ell^ Kammer der Ständeversammlung hat das Königliche Ministerium -> Verordnung vom 7. dieses Monats den 12. Juli 1881 ^ach^wei^ der angezogenen hohen Anordnung dem 14. städtischen Wahlkreise, zu welchem die einen Wahlbezirk bildende Stadt Waldenbura gehört, die Wahl eines Abgeordneten vorzunehmen. An di? hiesigen Stimmberechtigten ergeyt nun hierdurch die Aufforderung ihre Stimmzettel an dem obgedachten Wahltage in der Zeit von Vormittags 10 Uhr bis Nachmittags 4 Uhr in dem zum Wahllokale bestimmten hiesigen Rathhaussaal vor dem unterzeichneten Wahlvorsteher persönlich abzugeben. Nach Ablauf der zur Abstimmung festgesetzten Zeit ist Niemand, der nicht bereits im Wahllocale gegenwärtig ist, zur Wahl mehr zuzulassen. Auf den Stimmzetteln ist die Person des zu Wählenden so zu bezeichnen, daß über ihn kein Zweifel übrig bleibt. Stimmzettel, welche dieser Vorschrift nicht entsprechen, ingleichen solche, welche die Namen mehrerer Personen oder einer nicht wählbaren Person enthalten, sind ungültig. Der Wahlhandlung können nur Stimmberechtigte beiwohnen, es dürfen aber unter denselben weder Verhandlungen noch Ansprachen stattfinden. Waldenburg, am 25. Juni 1881. Der Wahlvorsteher. Limmer, Stadtrath. Rr. »Waldenburg, 2. Juli 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die an der Kaiserin vollzogene Operation hat einen guten Verlauf; die Kaiserin ist damit von einem älteren Uebel befreit worden, das ihr oft lästig gefallen ist. Es handelte sich um die voll ständig geglückte Operation eines Bruches (lioimia inxuiuirliL), wofür Geh. Nath vr. Busch Specialist ist. Der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz hatte sich der gleichen Operation in seinem 80. Lebens jahre mit bestem Erfolg unterzogen. Der deutsche Kronprinz hat sich am 1. d. abends zum Besuch der Kaiserin nach Koblenz be geben. Fürst Bismarck hat sich mit Gemahlin und seinen beiden Söhnen nach Kissingen begeben. Auch „Tyras" nahm im Salonwagen Platz. Wahrend seines Aufenthaltes in Kissingen dürfen dem Kanzler weder amtliche noch nichtamtliche Schriftstücke vorge legt oder nachgesandt werden. Es ist deshalb auf eine Beantwortung derselben nicht zu rechnen. Fürst Bismarck hat demnächst wieder Groß vaterfreuden zu erwarten. Seine Tochter, die Gräfin Marie Nantzau, hat sich noch vorher zu ihrer hochbetagten Schwiegermutter nach Holstein begeben. Die Reichstagswahlen scheinen nahe bevorzu stehen. Die preußischen westlichen Landralhsämter haben bereits bekannt gemacht, daß nächster Tage den Bürgermeistern und Ortsvorständen die Formu lare zur Ausstellung der Wählerlisten für die Reichs tagswahl zngehen würden. Gleichzeitig werden die Bürgermeister u. s. w. aufgefordert, Verkehrungen für eine beschleunigte Ausstellung der betreffenden Listen zur Neichstagswahl zu treffen. Nach der „Norddeutschen" wird der neu zu wäh lende Reichstag schon im November einberufen. Abgesehen vom Budget würde eine umfassende Vor lage im Sinne der Fürsorge für die arbeitenden und besitzlosen Klassen zu erwarten sein, welche die Unfall-Versicherung, die Jnvaliditäts- und Alters versorgung betrifft. Die Frage der Wiedervorlage resp. neuen Vorlage von Gesetzen, welche dem Reiche neue Einnahmen aus Bier, Branntwein und Tabak zuzuführen bestimmt sind, befindet sich noch in der Discussion. Es ist kaum anzunehmen, daß alle Aufgaben des Reichstags bis zum 1. Januar erle digt werden können, weshalb voraussichtlich die preu ßische Regierung den preußischen Landtag gleichzeitig mit dem Reichstag tagen lassen würde. An anderer Stelle sagt dasselbe der Regierung nahestehende Blatt: Den Reichstag werden voraussichtlich wieder Zoll- und Steuergesetze beschäftigen, durch welche den Einzelstaaten aus den Quellen indirccter Reichs steuern Mittel zugeführt werden sollen, um die directen Steuern, die Zuschläge der Gemeinden zu solchen und die Armen- und Schullasten der Gemein den zu erleichtern. Für Preußen wird es sich außer dem darum handeln, die Mittel zur Durchführung der Kanalbauten zu beschaffen, den der Nordwesten von Deutschland, der für dieselben so sehr geeignet ist, bisher vollständig entbehrt. Dieser Tage sind auf Grund des Socialistengesetzes aus Hamburg 11 Personen und aus Pinneberg 1 ausgewiesen. Unter jenen befindet sich eine Frau. Oesterreich. In Wien ist man entrüstet über die in Prag durch czechische Studenten in Scene gesetzte Dput sch enhetze. Beide Fraktionen des Wiener Ge- meinderathes beschlossen, dem Gemeinderathe eine Resolution vorzulegen, welche die Entrüstung über die Prager Deutschenhetzs ausspricht und die Erhal tung der Staatsmacht zum Schutze treuer Bürger erhofft. In Prag sind infolge der neulichen Excesse am 30. Juni circa 30 Verhaftungen vorgenommen worden. Der Bürgermeister von Prag erließ eine Procla- mation, in der er die gesammte Bevölkerung auf- geforderle, dafür zu sorgen, daß jede weitere Auf regung verhindert und der gute Ruf Prags nicht gefährdet werde, wie daß kein Bewohner Prags sich beklagen könne, daß ihm nicht jede dem Mitbürger schuldige Rücksicht zu theil werde. Der Bürgermeister fordert alle Mitbürger auf, zur Erhaltung vollkom mener Ruhs und Ordnung aus allen Kräften mit zuwirken und alle Ansammlungen zu vermeiden. Ferner ersuchte der Bürgermeister alle Lehrherren, daß sie die Geselle und Lehrlingen abends zu Hause behalten und denselben von jeder Theilnahme an den Straßenkravallen abrathen. Die Prager Schul- dircctoren sind angewiesen worden, die Schuljugend von der Betheiligung an den Exceffen abzugalten. Eine am 26. Juni in Tetschen stattgefundene deutsche Bauernversammlung mar zahlreich be sucht und nahmen an derselben gegen 800 Land leute Theil. Auf die Tagesordnung für den in Telsche» später abzuhaltenden Bauerntag wurden gesetzt: Aufrechterhaltung der 8jährigen Schulpflicht, Regelung der landwirthschaftlichen Creditoerhältnisse, Einführung der directen Wahlen in der Curie der Landgemeinden, Diskussion der die Landwirthschaft speciell berührenden Gesetze, Hebung der Autonomie der Gemeinde- und Bezirksvertrelungen u. A. Der zum Vorsitzenden der Versammlung gewählte Ver anstalter derselben, ein Bauer Fritsche aus Kries dorf, erklärte in der Begrüßungsansprache, daß die Theilnehmer an der Versammlung in erster Linie Oesterreicher, aber durch und durch deutsch seien und legte Verwahrung gegen die Insinuation ein, daß der Veranstaltung der Versammlung klerikale, regierungsfeindliche und revolutionäre Tendenzen zu Grunde lägen. Ungarn. Der Ministerpräsident'Tisza wurde in Debcec- zin mit einer Majorität von 34 Stimmen gegen den Kandidaten der Unabhängigkeitspartei, Mudrony, > gewählt. Somit ist Tisza drei Mal gewählt wor den. Von 382 bekannten Wahlen fielen 218 auf Liberale. Frankreich. Die Muselmanen haben zuweilen Anwandlungen von großer Toleranz. Der nach Paris gesandte Minister der Bey von Tunis, von Mustapha-ben- Jsmail, besuchte die Herz-Jesu-Kirche auf den Mont martre, deren Unterbau vollendet ist. Dem Abbe Rey, welcher ihn in der Kirche empfing, gab er für den Bau einen Beitrag von 500 Francs, und da der Geistliche nicht umhin konnte, seine Verwunderung über dieses Geschenk eines Muselmannes für eine christliche Kirche auszusprechen, erwiederte Mustapha philosophisch: „Alle Religionen verfolgen auf ver schiedenen Wegen das nämliche Ziel, die Erkenntniß und Verehrung eines höchsten Wesens, die Besserung des Menschengeschlechtes. Im Jenseits werden wir uns Wiedersehen." Die Nachrichten aus Ost-Tunesien lauten schlimm. In Sfakes wurde der französische Consul verwundet. Die Officiere des Kanonenbootes Chakal kamen ans Land, um ihm beizustehen, mußten sich aber durch Schwimmen retten. Die republikanische Presse ist einhellig der Meinung, daß sich das der Regierung ertheilte Vertrauensvotum auf den Civil- Gouverneur Grevy nicht mit beziehe. Die wieder zusammengetretene Mttnzconferenz hat sich nach einer kurzen Sitzung bis zum 2. Juli vertagt. England. Aus dem Prozesse Most wird noch folgendes Ausführlichere berichtet: Der Richter erörtert dabei eingehend Most's beide Vergehen: erstens die schänd liche Verleumdung des Zaren, wofür das Gesetz Gefängniß festsetzte, dann aber auch noch das schwere Vergehen der Aufreizung zur Ermordung, worauf früher die Todesstrafe stand. Vor nicht langer Zeit wurde in gewissen britischen Besitzthümern so gar Todesstrafe ausgesprochen. Jedenfalls sei es ein schweres Verbrechen und noch dazu ein feiges, weil Jemand unter der Aegide eines großen und freien Volkes Andere zu Gefahren anreize, die er selbst vermeide. Most beschrieb mit Entzücken die körperlichen Qualen eines Königs mit dem Wunsche, daß ein anderer König gleichfalls Qualen und Tod erleide. Most wünschte unzweifelhaft Andere durch seine Schmähschrift zum Morde zu verleiten. Der Richler erklärte: hätten die Geschworenen Most nicht der Gnade empfohlen, so würde er ihn zum Zwangs kerker verurtheilt haben; in Anbetracht der Empfeh lung der Geschworenen verurtheile er Most nur zum Gefängniß mit harter Arbeit auf die Dauer von 16 Monaten. Most sagte bei seiner Abführung in das Gefängniß: „Anders wäre es in Rußland auch nicht gekommen." Türkei. Die Ehen der beiden zum Tode verurtheilten Schwäger des Sultans, Mahmud Pascha und Nuri Pascha sind für getrennt erklärt worden.